Ob er jetzt eine Koalition mit der Kickl-FPÖ ausschließe oder nicht ausschließe, das könne er nicht sagen, meinte Bundeskanzler Karl Nehammer auf mehrfaches Befragen durch Armin Wolf. Die Wähler entscheiden.

Der Wähler hat da so gut wie nichts zu entscheiden. Er hat meist das zu schlucken, was die jeweilige Parteiführung mit allerlei Hintergedanken bestimmt. Und zwar seit Jahrzehnten. Bruno Kreisky hätte 1970 eine Koalition mit der zweitplatzierten ÖVP eingehen können, er entschied sich für eine Minderheitsregierung unter Duldung der FPÖ. Als er 1983 die absolute Mehrheit verloren hatte, vergatterte er seinen Nachfolger Fred Sinowatz zu einer Koalition mit der FPÖ. Als 1986 Franz Vranitzky Kanzler wurde, verschmähte er eine Fortführung der Koalition mit der FPÖ unter Jörg Haider und setzte auf Neuwahlen, bei denen er klar signalisierte: nicht mit der FPÖ. Er war eine Ausnahme.

Wolfgang Schüssels ÖVP wurde mit 400 Stimmen weniger hinter der FPÖ Dritte, bekam aber trotzdem den Kanzler in einer Koalition mit der FPÖ, obwohl sich Rot-Schwarz auch ausgegangen wäre. Vorher hatte Schüssel gesagt: Wenn wir Dritte werden, gehen wir in Opposition.

Wie hält es Kanzler Karl Nehammer mit der FPÖ unter Herbert Kickl? Der ÖVP-Chef bleibt unverbindlich.
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Und so weiter bis in die jüngere Vergangenheit. Sebastian Kurz brach mit der SPÖ, vermied es aber, seine geplante Koalition mit der FPÖ anzukündigen. Ebenso 2019 seine Pläne mit den Grünen. Bei den Landtagswahlen in Niederösterreich und Salzburg hatten die ÖVP-Granden Johanna Mikl-Leitner und Wilfried Haslauer keine freundlichen Worte für die Kickl-FPÖ, blinkten kurz zur SPÖ, ließen sich aber doch die Scheunentür für eine Koalition mit genau der ungeliebten FPÖ offen.

Mehrere Möglichkeiten

Offenhalten macht schon Sinn – wenn es unsicher ist, ob die Wahlergebnisse eine Regierungsbildung ermöglichen. Aber wenn erwartbar ist, dass es mehrere Möglichkeiten gibt – etwa in Niederösterreich und Salzburg mit der SPÖ –, dann hat der Wähler ein Recht auf klare Ansage. Wer grundsätzlich die ÖVP für wählbar, aber eine Koalition mit der Kickl-FPÖ aus gutem Grund für demokratisch gefährlich hält (umso mehr, wenn Herbert Kickl Kanzler werden sollte), der will wissen, ob er der Volkspartei beruhigt seine Stimme geben kann (übrigens: 54 Prozent der Wähler sind derzeit gegen eine ÖVP-FPÖ-Koalition, immerhin 35 Prozent dafür; bei ÖVP-Anhängern sind es 60 Prozent).

Die jetzige SPÖ-Spitze mit Pamela Rendi-Wagner legt sich auch nicht fest, außer: nicht mit der FPÖ. Ob sie eine Ampel oder eher eine Kombination aus Rot und Schwarz anstrebt, kann man nur raten (eher Letzteres). Hans Peter Doskozil hingegen will eine Ampel, eine Koalition mit der FPÖ schließt er nur aus, wenn Kickl dort oben bleibt. Andreas Babler ist ganz klar: weder mit der FPÖ noch mit der ÖVP.

In der jetzigen Situation macht eine klare Ansage "Nicht mit der FPÖ, ob mit oder ohne Kickl" auch Sinn. Die FPÖ ist demokratisch gewählt, aber keine lupenrein demokratische Partei. Dafür gibt es zig Belege, unter anderem die 1.-Mai-Rede von Kickl in Linz ("Machen wir es Orbán nach!"). Der Antrag zur Änderung der Verfassung, von der FPÖ eingebracht, läuft mit der Betonung des Begriffs "souverän" auf einen Öxit hinaus.

Wer eine Partei wählt, will auch meist wissen, mit wem sie sich gegebenenfalls ins Bett legt und mit wem nicht. Wer das nicht klar sagen kann/will, stellt sich selbst unter Verdacht, Hintergedanken zu haben. (Hans Rauscher, 12.5.2023)