Wladimir Putin (links) und Cyril Ramaphosa (rechts) auf einem Archivbild aus dem Jahr 2019.

Foto: Reuters/Sergei Chirikov 

Reuben Brigety, US-Botschafter in Pretoria, tobt: Südafrika habe dem russischen Präsidenten Wladimir Putin für dessen Feldzug in der Ukraine Waffen und Munition zukommen zu lassen. Die ANC-Regierung habe ihre angebliche Neutralität aufgegeben und sei zumindest indirekt zur Kriegspartei geworden. Der Vorwurf versetzt den ohnehin angespannten Beziehungen zwischen den USA und Südafrika einen weiteren Schlag: Der Streit könnte zu einer Beendigung der Zollerleichterungen, zu einem Investitionsboykott oder gar zu US-Sanktionen führen. Und sogleich sackte Südafrikas Rand vor dem Wochenende um zwei Prozent ab.

Das südafrikanische Außenministerium erklärte am Freitag, der US-Botschafter in Südafrika habe "zugegeben, dass er eine Grenze überschritten hat" und sich "vorbehaltlos entschuldigt", nachdem er behauptet hatte, ein russisches Schiff habe im vergangenen Jahr Waffen in Südafrika aufgelesen.

Der Vorfall, auf den sich Brigety aktuell bezieht, liegt bereits fünf Monate zurück. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion steuerte der russische Frachter Lady R am 6. Dezember 2022 den südafrikanischen Militärhafen Simon’s Town an und wurde dort beladen. Das sorgte für Aufsehen. Damals gab sich Pretoria unwissend: Man werde der Sache nachgehen, hieß es, es passierte fünf Monate lang nichts. Dagegen blieb die CIA nicht müßig: "Unsere Informationen über den Vorfall sind so stichhaltig, dass ich dafür mein Leben geben würde", sagte Brigety.

"Weitere Untersuchung"

Pretoria bestritt den Vorwurf bislang nicht. Stattdessen kündigte Präsident Cyril Ramaphosa eine weitere Untersuchung an. Dass ein Staatschef selbst fünf Monate nach einem derart heiklen Vorfall angeblich keine Ahnung hat, ist dem ANC-Chef offenbar nicht einmal peinlich.

Indes sieht sich die oppositionelle Demokratische Allianz in ihrem Verdacht bestätigt, dass Ramaphosas Regierung in den Ukrainekrieg verwickelt ist, "weil Russland den ANC finanziell unterstützt". Die Haltung der südafrikanischen Regierung ist schon seit einem Jahr umstritten. Pretoria enthielt sich bei jeder Verurteilung Russlands in der UN-Vollversammlung der Stimme: Das Land sei "blockfrei", heißt es; man wolle sich als Vermittler bereithalten.

Dazu passt allerdings kaum, dass Südafrika wie Russland dem von China dominierten Staatsbündnis Brics angehört, dass seine Marine gemeinsam mit der russischen und chinesischen ausgerechnet am Jahrestag des russischen Einmarschs in die Ukraine ein Manöver abhielt, dass kürzlich eine russische Militärmaschine in Pretoria landete und dass der ANC in Moskau mit Putins Partei Einiges Russland eine engere Kooperation vereinbarte.

Am Freitag telefonieren Putin und Ramaphosa, wie der Kreml bekanntgab. Demnach unterstütze Putin den Vorschlag des südafrikanischen Präsidenten, afrikanische Führer in Gespräche über einen Friedensprozess für die Ukraine einzubeziehen. Der Kremlchef wiederholte auch sein Angebot, russisches Getreide und Düngemittel kostenlos an afrikanische Länder zu liefern.

Drohende Verhaftung

Schon zeichnet sich ein weiterer Konflikt ab: Im August findet der nächste Brics-Gipfel in Südafrika statt, zu dem auch Wladimir Putin kommen will: Der müsste wegen seiner Anklage vor dem Strafgerichtshof in Den Haag allerdings verhaftet werden. Wie sich Pretoria aus dieser Affäre ziehen will, ist noch völlig offen. Viele "Comrades" des ANC sehen Putin als Erben der Sowjetunion, die einst die Befreiungsbewegung unterstützte – während Washington mit der Apartheid-Regierung in Verbindung gebracht wird.

Brigety warf dem ANC eine "feindliche Haltung" gegenüber den USA vor, "trotz der Offenheit und Großzügigkeit, die wir Südafrika seit fast einem halben Jahrhundert entgegenbringen". Damit war der African Growth and Opportunity Act (Agoa) gemeint, der rund 1800 Produkten aus Afrika einen zollfreien Zugang zum US-Markt einräumt. Wenn Agoa in zwei Jahren neu verhandelt wird, so die Anspielung des Diplomaten, könnte ein "feindliches" Kap der Guten Hoffnung leer ausgehen. Eine Drohung. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 12.5.2023)