Aktuell sind 8,4 Prozent der Spitalsbetten in länder- und gemeindegeführten Kliniken in Österreich nicht verfügbar: Das ist jedes zwölfte der 33.000 Betten in diesem Bereich. In Wien beträgt der Anteil der gesperrten Spitalsbetten rund 15 Prozent.

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In Österreich sind nach aktuellem Stand 2.775 Spitalsbetten nicht verfügbar. Diese bundesweite Zahl wurde erstmals von der GÖD-Gesundheitsgewerkschaft sowie der Younion erhoben und am Freitag präsentiert. Die Vertreter der Gewerkschaften führten den eklatanten Engpass beim medizinischen Personal sowie die hohe Arbeitsbelastung als Hauptgründe für die Bettensperren an. Reinhard Waldhör, Vorsitzender der GÖD-Gesundheitsgewerkschaft, sprach von einem "Notstand", der bereits eingetreten sei.

Bundesweit seien weit mehr Betten gesperrt, "als es im AKH mit 1.732 gibt". Aktuell sind 8,4 Prozent der Spitalsbetten in länder- und gemeindegeführten Kliniken in Österreich nicht verfügbar: Das ist jedes Zwölfte der 33.000 Betten in diesem Bereich. Insgesamt gibt es laut Zahlen der Statistik Austria von Ende 2021 bundesweit knapp 62.000 Betten in 264 Spitälern.

Der Personalmangel sei bereits dramatisch: Alleine bei den Ärztinnen und Ärzten seien knapp 700 Stellen offen. Im Bereich der Pflege würden 2.200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fehlen, bei der Verwaltung 200 Personen. "Dabei stehen wir erst am Anfang, die Pensionierungswelle der Babyboomer steht gerade erst an", sagte Waldhör. Die Versorgung der Patientinnen und Patienten auf dem bisher bekannten hohen Niveau könne nicht mehr sichergestellt werden.

Die Personalengpässe im Spitalsbereich sind evident – und werden nach Ansicht der Gewerkschaft mit der Pensionierungswelle der Babyboomer noch signifikant zunehmen.
Grafik: Fatih Aydogdu

Rauch gegen Krisengipfel

Edgar Martin, Vorsitzender im Team Gesundheit der Younion und diplomierter Krankenpfleger, forderte wie Waldhör von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) einen Spitalsgipfel. Der Zeitpunkt sei richtig, weil aktuell auch die Verhandlungen zum Finanzausgleich laufen würden.

Ein Sprecher Rauchs sagte hingegen dem STANDARD, dass es "aus Sicht des Gesundheitsministeriums keinen Spitalsgipfel" brauche. Das Ministerium sei im laufenden Austausch mit den Ländern, wo auch die Zuständigkeit für die Spitäler liegen würde. "Die aktuelle Lage ist dem Gesundheitsministerium bekannt." Reformen im Spitalsbereich seien Gegenstand von Verhandlungen im Rahmen des Finanzausgleichs.

798 Spitalsbetten in Wien gesperrt, 823 freie Betten

Alleine in Wien sind nach aktuellem Stand vom Freitag 798 Spitalsbetten gesperrt. Diesen stehen laut dem Wiener Gesundheitsverbund (Wigev) exklusive im AKH 5.300 systemisierte Betten gegenüber. Damit sind in der Bundeshauptstadt aktuell knapp mehr als 15 Prozent der Betten gesperrt.

Der Wigev verweist aber auch darauf, dass 823 verfügbare Betten derzeit frei sind. Zudem seien einige Bettensperren neben dem Personalmangel auch auf Sanierungen oder technische Wartungen zurückzuführen.

Die Hilferufe des Spitalspersonals werden aber lauter: Zuletzt warnten Oberärztinnen und Oberärzte der Klinik Ottakring vor einem temporären Ausfall der Notaufnahme, weil Diensträder im Sommer nicht mehr vollständig besetzet werden können. In der Klinik Donaustadt muss die Neurochirurgie-Abteilung wegen des Pflegeengpasses schließen, der Betrieb wandert zum Großteil in die Notaufnahme. In der Anästhesie-Abteilung der Klinik Favoriten waren Anfang Mai von 36 Ärzte-Dienstposten nur die Hälfte besetzt. Nun soll Personal aus anderen Wigev-Kliniken einspringen. Und das sind nur die zuletzt bekannt gewordenen Engpässe. Im Bereich der Pflege waren in Wien im ersten Quartal 550 Dienstposten offen, bei den Ärztinnen und Ärzten waren es 140.

Prämie für Springerdienste

Für Gewerkschafter Edgar Martin sind die Notaufnahmen, die Neurochirurgie oder interne Stationen Hotspots, in denen es zu Personalengpässen kommt. Schicht- sowie Nacht- und Einspringerdienste seien wenig attraktiv. Hier brauche es mehr Geld – "oder mehr Dienstplansicherheit", wie Martin dem STANDARD sagte. Um Diensträder in Hotspot-Stationen aufrechterhalten zu können, zahlt der Wigev jenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die einspringen wollen, eine Prämie von 500 Euro. Das Pilotprojekt läuft vorerst bis Ende Juni.

Eine Dauerlösung ist das aber nicht: Viele würden nur bleiben, weil das Team passe, sagt Martin. "Wenn da eine Schlüsselfigur geht, geht teils gleich das ganze Team mit." Die Talsohle beim Personalengpass sei noch nicht erreicht worden. (David Krutzler, 12.5.2023)