Ein von einer israelischen Rakete getroffenes Gebäude in Gaza City.

Foto: APA/AFP/MAHMUD HAMS

Kairo/Tel Aviv – Eine für Samstagabend erhoffte Waffenruhe nach den jüngsten Kämpfen im Nahost-Konflikt verzögert sich. Auch nach 22.00 Uhr Ortszeit (21.00 Uhr MESZ) kam es zu Raketenangriffen militanter Palästinenser auf israelische Ortschaften. Zu dem Zeitpunkt war eine mögliche Waffenruhe zwischen Israel und der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Jihad erwartet worden.

Ein Anführer des Jihads hatte zuvor im ägyptischen Fernsehen bestätigt, dass eine Einigung mit Israel erzielt worden sei. Eine offizielle Bestätigung aus Israel stand jedoch noch aus. Kurz nach Bekanntwerden des Abkommens am Abend feuerten militante Palästinenser bereits zahlreiche Raketen auf Israel ab. Auch im Großraum Tel Avivs heulten die Warnsirenen und waren Explosionen zu hören. Drei Israelis verletzten sich Rettungssanitätern zufolge auf dem Weg zu Schutzräumen. Als Reaktion griff Israels Luftwaffe erneut Ziele in dem Küstenstreifen an.

Zunächst schloss Israel noch einen raschen Waffenstillstand mit der extremistischen Gruppe Islamischer Jihad in Gazastreifen aus. Zuerst müssten die Militanten damit aufhören, Raketen auf Israel abzufeuern, sagte der nationale Sicherheitsberater Tzachi Hanegbi am Samstag. Israels oberste Priorität sei im Moment die Bekämpfung der Jihadisten.

Waffenstillstand nicht erwartet

Der Islamische Jihad kündigte zuletzt auch an, er werde weiterhin Raketen abfeuern. "Der Widerstand hat sich auf eine monatelange Konfrontation vorbereitet", hieß es in einer Erklärung. Seit dem Morgengrauen feuerten Kämpfer der Organisation Raketen ab. In Israel wurde in den grenznahen Gebieten Luftalarm ausgelöst.

Am Samstag griff die israelische Luftwaffe den fünften Tag in Folge mehrere Ziele der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Jihad im Gazastreifen an. Darunter mehrere Kommandozentralen, versteckte Raketenwerfer sowie Abschussplätze, teilte das Militär am Samstag mit. Unterdessen feuerten militante Palästinenser erneut mehrere Raketen auf Israel ab.

Zwei Tote im Westjordanland

Die Luftangriffe Samstagfrüh trafen unbewohnte Gebiete des dicht besiedelten Gazastreifens, wie Augenzeugen berichteten. In angrenzenden Teilen Israels heulten die Alarmsirenen. Das palästinensische Gesundheitsministerium hatte kurz zuvor den Tod von zwei 19 und 32 Jahre alten Männern bei einem Einsatz der israelischen Armee in einem Flüchtlingslager in Nablus im besetzten Westjordanland bekanntgegeben.

Ein israelischer Militäreinsatz nahe Nablus.
Foto: EPA/ALAA BADARNEH

Die israelische Armee sprach von einem "Anti-Terror-Einsatz" gegen militante Palästinenser, die Angriffe auf Soldaten geplant hätten. Bewaffnete Angreifer hätten auf die Soldaten geschossen. Die Soldaten hätten mit scharfer Munition zurückgeschossen und zwei "Terroristen" getroffen. Nach Angaben der im Westjordanland regierenden Fatah des palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas gehörten die beiden Männer den Al-Aqsa-Brigaden an, dem bewaffneten Arm der Fatah.

Mehr als 30 Tote im Gazastreifen bisher

Die Gewalt zwischen Israel und den Palästinensern war am Dienstag erneut aufgeflammt, nachdem drei ranghohe Mitglieder der militanten Palästinensergruppe Islamischer Jihad bei israelischen Luftangriffen getötet worden waren. Bei Luftangriffen im Gazastreifen und Raketenangriffen aus dem Palästinenser-Gebiet starben seitdem mindestens 33 Palästinenser und ein Israeli.

Ägypten in Vermittlerrolle

Vermittlungsversuche Ägyptens blieben derweil ohne Erfolg. Da beide Seiten die Situation weiter eskalierten, kämen die Gespräche nicht voran, verlautete es aus ägyptischen Sicherheitskreisen am Samstag. Der Islamische Jihad kündigte an, angesichts der anhaltenden Angriffe Israels den Raketenbeschuss fortzusetzen. Die Organisation sei "auf eine monatelange Konfrontation" vorbereitet.

Der israelische Sicherheitsberater Tzachi Hanegbi sagte am Samstag Medienberichten zufolge, Israel konzentriere sich derzeit auf die Bekämpfung des Jihads und weniger auf einen Waffenstillstand. Dennoch lobte er die Bemühungen Ägyptens und versicherte, ein baldiges Ende der Gewalt sei auch in Israels Interesse. Ruhe werde mit Ruhe beantwortet. Auf die Forderung des Jihads, gezielte Tötungen einzustellen, würde Israel jedoch nicht eingehen.

Demo gegen Justizreform abgesagt

Wegen der anhaltenden Kämpfe wurde in Israel auch die für das Wochenende geplante Kundgebung gegen die Justizreform abgesagt. Die Organisatoren fürchten um die Sicherheit der Demonstranten, wie sie am Freitagabend mitteilten. Die Massenproteste gegen das umstrittene Vorhaben finden seit vier Monaten jeden Samstag statt. Es ist das erste Mal, dass sie ausfallen. Die Regierung will mit der Justizreform den Einfluss des Höchsten Gerichts beschneiden und ihre eigene Machtposition ausbauen.

Nachdem ein Open-Air-Konzert des israelischen Musikers Aviv Geffen trotz Raketendrohungen stattgefunden und für Kritik gesorgt hatte, wurden mehrere andere Auftritte abgesagt. So auch ein für Samstag geplantes Konzert der Backstreet Boys in der Nähe von Tel Aviv.

Experten zufolge kommt es für den weiteren Verlauf des Konflikts vor allem darauf an, ob sich auch die im Gazastreifen herrschende Palästinenserorganisation Hamas daran beteiligen wird. Die Hamas verfügt nach israelischen Informationen über deutlich mehr und weiter reichende Raketen als der Jihad. Derzeit ist sie laut Armee noch nicht am jüngsten Konflikt beteiligt. (APA, red, 13.5.2023)