Das 40-minütige Treffen zwischen dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und dem Papst im Vatikan fand in einer angespannten, beinahe frostigen Atmosphäre statt. Dies belegten nicht zuletzt die Bilder, die Vatican News nach der Audienz verbreitete. Auch die gegenseitigen Geschenke unterstrichen die doch recht große Distanz zwischen dem Gastgeber in Weiß und dem Gast im schwarzen Militärsweater: Papst Franziskus schenkte dem ukrainischen Präsidenten eine kleine Skulptur, die einen Olivenzweig, das Symbol des Friedens, darstellt. Der ukrainische Präsident dagegen überreichte dem Pontifex eine Ikone der Muttergottes, die auf die durchlöcherten Reste einer kugelsicheren Weste gemalt war.

Eine Madonna – aufgemalt auf den Überresten einer zerfetzten kugelsicheren Weste: das Geschenk Selenskyjs für den Papst.
Foto: Imago / Vatican Media

Der Papst und die vatikanische Diplomatie setzen sich seit Beginn des Kriegs für einen Waffenstillstand und eine Friedenslösung ein; bei seiner Rückkehr von seiner Ungarn-Reise Ende April hatte Franziskus zuletzt öffentlich von einer möglichen vatikanischen Friedensmission gesprochen.

"Bei allem Respekt ..."

Diesem Angebot erteilte Selenskyj am Samstag eine brüske Absage: "Bei allem Respekt für den Papst: Wir brauchen keine Vermittler zwischen der Ukraine und dem Aggressor, der unsere Gebiete besetzt hat, sondern einen Aktionsplan für einen gerechten Frieden in der Ukraine", sagte Selenskyj nach dem Treffen mit dem Papst gegenüber dem italienischen Staatssender Rai.

Selenskyj hätte sich seinen Besuch beim Papst auch sparen können: Der Vatikanstaat verfügt über keine Panzer oder Flugabwehrraketen, die er in die Ukraine liefern könnte. Und Waffenlieferungen sind nun einmal – wer könnte es dem ukrainischen Präsidenten übelnehmen – das vordringlichste Anliegen, das Selenskyj an seine Gesprächspartner im Ausland hat.

Vom Papst forderte Selenskyj stattdessen wenigstens mehr moralische Unterstützung: Er habe Franziskus aufgefordert, Russlands Verbrechen im Angriffskrieg gegen die Ukraine zu verurteilen, erklärte er auf Twitter. "Opfer und Aggressor können nicht gleichgesetzt werden", ergänzte Selenskyj.

Eine gewisse Äquidistanz

Tatsächlich hat Papst Franziskus den Angriffskrieg als solchen mehrfach verurteilt, dabei aber immer darauf geachtet, eine gewisse Äquidistanz zu den beiden Konfliktparteien zu wahren. Der Pontifex hält dies für unerlässlich, um eine mögliche Vermittlerrolle des Vatikans nicht zu beeinträchtigen.

Franziskus hatte sich auch schon bei seinem russisch-orthodoxen "Amtskollegen", dem Patriarchen von Moskau, für eine Friedenslösung und eine Vermittlung durch die beiden Kirchen eingesetzt. Auch da war er freilich abgeblitzt: Der Moskauer Patriarch Kyrill I., ein treuer Gefolgsmann von Wladimir Putin, weigerte sich gegenüber Franziskus, die Invasion der Ukraine als Krieg zu bezeichnen.

Mit dem klaren Nein sowohl aus Moskau als auch aus Kiew zu einer vatikanischen Friedensmission sind die Hoffnungen im Vatikan, einen Beitrag zu einem baldigen Waffenstillstand leisten können, auf Null gesunken. Oder zumindest fast: Kurz vor seinem Treffen mit Selenskyj hatte Franziskus gegenüber einigen Botschaftern seiner Hoffnung Ausdruck gegeben, dass "das letzte Wort nicht gesprochen ist, um den Konflikt friedlich zu lösen". Und der Papst ergänzte: "Wann werden wir endlich aus der Geschichte lernen, dass der Weg der Gewalt, die Unterdrückung und die unersättlichen Gier, neue Territorien zu erobern, nicht dem Gemeinwohl dienen?" (Dominik Straub aus Rom, 14.5.2023)