Paetongtarn Shinawatra, Spitzenkandidatin der reformorientierten Oppositionspartei Pheu Thai.

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Bangkok – Die prodemokratische Opposition in Thailand hat bei der Parlamentswahl am Sonntag einen überragenden Sieg errungen. Gewinner der Abstimmung ist vorläufigen Ergebnissen zufolge die progressive Move-Forward-Partei unter ihrem Chef Pita Limjaroenrat (42). Nach Auszählung von 99 Prozent der Stimmen kommt die 2014 gegründete Partei laut Wahlkommission auf etwa 150 Sitze im 500-köpfigen Parlament.

Den zweiten Platz belegt mit wahrscheinlich rund 140 Sitzen die ebenfalls oppositionelle Partei Pheu Thai (PTP) unter Führung der 36-jährigen Paetongtarn Shinawatra. Sie ist die Tochter des 2006 gestürzten Regierungschefs Thaksin Shinawatra, der heute im Exil lebt. Die PTP hat ihre Hochburgen im ländlich geprägten Nordosten Thailands, wo viele Menschen bis heute dankbar für die unter Thaksins Regierung eingeführten Maßnahmen zur Unterstützung sozial schwacher Bürger sind.

Vor der Wahl lag die Partei bei Umfragen lange vorne. Das regierende Militär, das nach einem Putsch unter der Führung des heutigen Ministerpräsidenten Prayuth Chan-o-cha 2014 an die Macht gekommen war, fuhr hingegen herbe Verluste ein. Die Wahlbeteiligung war mit mehr als 75 Prozent so hoch wie selten zuvor.

Pita Limjaroenrat zuversichtlich

Pita Limjaroenrat erklärte auf Twitter, er sei bereit, der nächste Ministerpräsident Thailands zu werden. Seine Partei setzt sich unter anderem für eine Abschaffung der Wehrpflicht und eine Reform der Monarchie ein. Das südostasiatische Land hat das wohl härteste Gesetz über Majestätsbeleidigung der Welt. Es sieht extrem lange Haftstrafen vor. Dagegen gibt es schon lange Proteste.

"Gemeinsam werden wir das Land verändern", schrieb der Parteichef. Er wolle Regierungschef für alle Thais sein, ob sie seine Politik befürworten oder nicht. Jedoch ist es Beobachtern zufolge bis dahin noch ein langer und komplizierter Weg.

Regierungsbildung offen

Während eine Koalition zwischen der Move Forward Party und Pheu Thai als wahrscheinlich gilt, brauchen beide die Unterstützung weiterer Parteien, um an die Regierung zu kommen. Denn nach dem Militärputsch änderten die Generäle die Verfassung zu ihren Gunsten: Zusammen mit den 500 neu gewählten Abgeordneten entscheiden auch 250 ungewählte, vom Militär ernannte Senatoren über den Regierungschef. Es gilt als unwahrscheinlich, dass sie die Opposition unterstützen werden.

Regierungschef wird, wer insgesamt mindestens 376 Stimmen auf sich vereint – somit reichen für einen militärnahen Kandidaten voraussichtlich nur 125 Stimmen aus dem Repräsentantenhaus. Auch nach der bisher letzten Wahl im Jahr 2019 war die Unterstützung der Senatoren entscheidend für die Koalition unter dem derzeitigen Regierungschef Prayuth.

Und so könnten der amtierende Ministerpräsident oder eine andere militärnahe Partei trotz Wahlpleite am Ende theoretisch eine Minderheitsregierung führen. Die Zeitung "Bangkok Post" kommentierte: "Während wir hoffen, dass der Senat den Geist der Demokratie würdigt, indem er die Regel der Mehrheitsentscheidung respektiert, deuten die Bemerkungen einiger Senatoren darauf hin, dass uns stürmische Tage bevorstehen."

52 Millionen Wahlberechtigte

Die Parlamentswahl am Sonntag mit insgesamt rund 52 Millionen Wahlberechtigten war die erste landesweite Wahl seit Beginn der Demokratieproteste im Jahr 2020. Sie hat sich zu einem Generationenkonflikt zwischen der von jungen und ländlichen Wählern unterstützten pro-demokratischen Opposition und dem konservativen, mit dem Militär verbündeten royalistischen Establishment entwickelt, das von Prayuth und seiner UTN verkörpert wird.

Seit dem Ende der absoluten Monarchie 1932 gab es in Thailand zwölf erfolgreiche Staatsstreiche. Beobachter halten im Fall einer Regierungsbildung durch die derzeitigen Oppositionsparteien ein Eingreifen des Militärs für möglich. Zudem hatten sich zuletzt im Land Gerüchte verbreitet, dass die oppositionelle MFP durch einen Gerichtsbeschluss aufgelöst werden könnte – wie bereits ihre Vorgängerpartei FFP nach deren überraschend gutem Wahlergebnis im Jahr 2019. (APA, 15.5.2023)