Im Gastblog erklärt Rechtswissenschafter Andreas Venier, wieso die Gesetzeslage rund um die Sicherstellung von Mobiltelefonen nicht mehr ganz der Zeit entspricht.

Die Strafprozessordnung (StPO) kennt unterschiedliche Möglichkeiten, um an Informationen zu kommen, die zur Aufklärung von Straftaten erforderlich sind. Die Polizei kann beispielweise Verdächtige und Zeugen vernehmen, sie kann aber auch – zum Teil nur auf Anordnung des Staatsanwalts mit richterlicher Bewilligung – in Rechte von verdächtigen und unverdächtigen Personen eingreifen, um sich die entsprechenden Informationen zu beschaffen.

Teilweise benötigt es nur eine staatsanwaltschaftliche Anordnung, um auf Handy- und Clouddaten zugreifen zu können.
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Eine solche Möglichkeit besteht in der Sicherstellung von Sachen zur Gewinnung von Beweismaterial. Für diese Form der Beweissammlung benötigt die Polizei vielfach nicht einmal eine staatsanwaltschaftliche Anordnung, zum Beispiel wenn sie einen Gegenstand von geringem Wert (bis 100 Euro) oder eine "vorübergehend leicht ersetzbare" Sache sicherstellen will (§ 110 Abs 3 Ziff. 1 lit d StPO). "Leicht ersetzbar" kann etwa ein USB-Stick mit Datenkopien sein (OGH 14 Os 51/18h). Auf ein Handy oder einen Laptop wird das kaum zutreffen. So braucht die Polizei in diesem Fall eine staatsanwaltschaftliche Anordnung (§ 110 Abs 2 StPO). Doch der Staatsanwalt benötigt nach der geltenden Rechtslage keine richterliche Bewilligung, selbst wenn er oder die Polizei alle Daten auf dem Handy oder Laptop ausliest, kopiert und für Zwecke der Strafverfolgung verwendet.

Die Praxis toleriert zudem, dass der Staatsanwalt mit Hilfe des Handys auf Daten zugreift, die gar nicht auf dem Handy, sondern auf einem externen Server gespeichert sind. Auf diese Weise haben Staatsanwalt und Polizei durch die Sicherstellung Zugriff auf alle Fotos, Videos und Chats, die sich im Laufe eines "Handylebens" auf dem Handy selbst oder in einer über das Handy zugänglichen Cloud – zum Beispiel durch automatisches Backup – angesammelt haben. Ausnahmen bestehen nur für Rechtsanwälte, Psychiater, Psychologen, Journalisten und einige andere Berufsgeheimnisträger, die im Strafverfahren die Aussage verweigern dürfen. Sie können unter Berufung auf ihr Verschwiegenheitsrecht der Sicherstellung ihrer Datenträger widersprechen und dadurch eine richterliche Vorprüfung erzwingen, die verhindern soll, dass ihr Recht durch eine polizeiliche oder staatsanwaltschaftliche Datenauswertung umgangen wird (§ 112 StPO). Alle anderen, zum Beispiel auch Ärzte, die nicht gerade Psychiater sind, haben diese Möglichkeit nicht.

Ein veraltetes Gesetz

Die geltenden Vorschriften über die Sicherstellung stammen aus einer Zeit, als Smartphones, die im Grunde Minicomputer sind, mit ihren ausgereiften technischen Möglichkeiten zum Versenden und Speichern großer Datenmengen noch nicht am Markt waren und Handys lediglich zum Telefonieren und Versenden von SMS taugten. Im Gegensatz zu früher geht es heute bei der Sicherstellung von Mobiltelefonen primär um den Zugriff auf diese Daten.

Es stellt sich daher die berechtigte Frage, ob die geltenden weichen Sicherstellungsregeln noch den Anforderungen gerecht werden, die sich aus einem zeitgemäßen Verständnis der Grundrechte auf Datenschutz (Art 1 DSG) sowie auf Schutz des Privatlebens und der privaten Kommunikation (Art 8 EMRK, Art 8 EU-Grundrechte-Charta) ergeben. Zweifel sind angebracht; eine Beschwerde an den VfGH ist anhängig.

Gesetzliche Änderungsvorschläge

Ein Vorschlag geht dahin, die gesetzlichen Bestimmungen für die Sicherstellung von Endgeräten – nicht nur Handys – , mit denen elektronische Kommunikation empfangen und gesendet werden kann, an die Regeln für die Überwachung von Nachrichten (Stichwort Telefonüberwachung) anzugleichen. Um beim Handy zu bleiben: Es sollte nur auf richterliche Bewilligung und nur bei gewisser Tatschwere sichergestellt und vor allem ausgewertet werden dürfen.

Der Richtervorbehalt trägt der Schwere des Grundrechtseingriffs Rechnung; das freilich nur, wenn die Praxis der "Stampiglienbeschlüsse" endlich abgestellt wird. Stampiglienbeschlüsse ersparen dem Richter die Begründung, warum im konkreten Fall der Rechtseingriff wirklich erforderlich und verhältnismäßig ist. Der Richter verweist stattdessen nur auf die staatsanwaltschaftliche Begründung in seiner Anordnung. Der Beschluss enthält dann schlicht und einfach die Formel: "Die Anordnung der Staatsanwaltschaft wird aus den in der Anordnung angeführten Gründen bewilligt." Das erleichtert die Bewilligung, erschwert aber die Ablehnung einer von der Staatsanwaltschaft begehrten Maßnahme, weil der Richter in diesem Fall selber begründen muss, warum er die Maßnahme nicht für berechtigt hält. Diese "einseitige" Arbeitsersparnis geht auf Kosten der Grundrechte.

Verbesserte Datenauswertung

Für den Fall, dass in Zukunft ein Richter über die Sicherstellung oder Beschlagnahme solcher Geräte zu entscheiden hat, ist auch die Frage der Dateneinsicht und Datenauswertung zu klären. Sollten dann Staatsanwaltschaft und Polizei weiterhin ohne richterliche Prüfung die am Gerät und in der Cloud gespeicherten Daten auslesen und auswerten dürfen? Das bis 2008 geltende Recht sah für Papiere und auch für Datenträger vor, dass der von der Sicherstellung Betroffene die sichergestellte Sache (zum Beispiel das Handy) versiegelt, etwa in einem verschlossenen Kuvert oder Koffer, übergeben konnte. Ein Drei-Richter-Senat musste dann prüfen, ob gegen die Einschau und Auswertung rechtliche Bedenken bestehen; erst nach der Freigabe der Daten durften sie von den Strafverfolgungsorganen eingesehen und ausgewertet werden (vgl. § 145 Abs 2 StPO alt).

Diese richterliche Überprüfung galt für alle sichergestellten Datenträger und bot Schutz vor unnötigen oder unverhältnismäßigen Eingriffen in die Privatsphäre oder in Geschäfts- und Berufsgeheimnisse. So gesehen war das alte Gesetz grundrechtsfreundlicher als das geltende, das vergleichbare Rechte, wie schon gesagt, nur ganz bestimmten Berufsgeheimnisträgern zugesteht (siehe § 112 StPO).

Ein dem alten Recht vergleichbarer Rechtsschutz wäre auch für das geltende Recht zu wünschen. Denkbar wäre etwa, dass der die Sicherstellung bewilligende Richter auf einen Widerspruch des Berechtigten hin das von diesem bezeichnete Datenmaterial – ähnlich wie im Fall des § 112 StPO – prüft und die Einsicht und Auswertung durch Polizei und Staatsanwaltschaft auf das unbedingt Erforderliche und Angemessene beschränkt.

Zu überlegen wäre auch, dass diese Prüfung das Oberlandesgericht (OLG) oder, wie von manchen vorgeschlagen, ein Drei-Richter-Senat des Landesgerichts aus Anlass einer Beschwerde des Berechtigten gegen den Bewilligungsbeschluss übernimmt. Dann freilich müsste die Beschwerde aufschiebende Wirkung haben, sprich verhindern, dass Polizei und Staatsanwaltschaft die Daten einsehen und auswerten können, noch bevor das Beschwerdegericht über die Beschwerde entschieden hat. Dieses Verfahren würde dem bei einer Kontoöffnung gleichen, bei dem die Bank die Einsicht in bankgeheime Unterlagen und Daten durch eine Beschwerde an das OLG vorläufig verhindern kann (§ 116 Abs 6 StPO). Was für Kontodaten recht und billig ist, sollte doch wohl auch für private und berufliche Kommunikationsdaten gelten.

Technische Entwicklungen berücksichtigen

Über diese und andere bedeutsame Fragen, wie etwa die prozessuale Verwertbarkeit unzulässig ausgelesener Kommunikationsdaten, sollte sich auch der Gesetzgeber Gedanken machen. Jedenfalls bedarf die Einsichtnahme in private und berufliche Kommunikationsdaten, die auf Smartphone, PC oder ähnlichen Geräten gespeichert oder auch nur über sie, etwa aus einer Cloud abrufbar sind, einer eindeutigen und ausgewogenen Lösung. Dabei ist eine grundrechtsfreundlichere Regelung anzustreben als es derzeit der Fall ist.

Dass die Strafverfolgungsorgane im Einzelfall ohnehin nur Rechtseingriffe durchführen dürfen, die zur Aufgabenerfüllung erforderlich und dem Gewicht der aufzuklärenden Tat angemessen sind (§ 5 Abs 1 StPO), genügt nicht. Die derzeitige Rechtslage, die vornehmlich die Sicherstellung von "Gegenständen" im Blick hat, trägt der technischen Entwicklung auf dem Gebiet der Informationsverarbeitung und -speicherung im Wege von Smartphones nicht ausreichend Rechnung. Es braucht klare Regeln im Interesse des Grundrechtsschutzes. (Andreas Venier, 19.5.2023)