Scharfe Kritik gibt es an einem Berufungsverfahren an der Universität Salzburg.

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An den Unis wird Frauenförderung großgeschrieben. Mit gesetzlichen Regelungen zu Frauenquoten und Verpflichtungen zur Frauenförderung sollen Schieflagen wie etwa der niedrigere Frauenanteil bei den Professuren – 2020 lag dieser bei 26 Prozent – beseitigt werden. Doch ein Fall an der Universität Salzburg zeigt, dass die Realität oft anders aussieht.

Dort wurde wegen eines Berufungsverfahrens Unmut laut. Ein prominenter Name sei zu Unrecht abermals für eine Professur empfohlen worden: Matthias Neumayr, Vizepräsident des Obersten Gerichtshofs (OGH) und seit 2013 auch Professor am Fachbereich Privatrecht der Paris-Lodron-Universität Salzburg. Nun gibt es Aufsichtsbeschwerden und Beschwerden bei der Bundes-Gleichbehandlungskommission, die dem STANDARD vorliegen: wegen Diskriminierung einer Bewerberin und einer unzulässigen Wiederbestellung Neumayrs. Unzulässig deshalb, weil es um eine §99-Professur geht, und solche sind auf fünf Jahre befristet. Laut Beschwerden soll es sich um dieselbe Stelle handeln. Um es nicht nach einer unzulässigen Wiederbestellung aussehen zu lassen, sei die Ausschreibung rhetorisch lediglich variiert worden – und das nun schon zum zweiten Mal.

"Trefflich diskutieren" über Wiederbestellung

Für die Personalempfehlungen am Fachbereich ist Georg Graf verantwortlich, er verweist auf Rektor Hendrik Lehnert, der aber letztlich für die Berufungen zuständig sei, und will selbst nichts dazu sagen. Den Vorwurf der Diskriminierung einer Bewerberin weist Graf zurück. Er hat Anfang des Jahres abermals den 64-jährigen Neumayr vorgeschlagen. Neumayr sei für die ausgeschriebene Stelle die "eindeutig am besten qualifizierte Person", sagt Graf zum STANDARD. Auch die "gewünschten oder fehlenden Kompetenzen anderer Bewerber:innen" seien "sorgfältig und objektiv angeführt" worden, sagt Graf.

Dem hält die zuständige Fachvertreterin entgegen, dass "die Mitbewerberin eine international höchst anerkannte habilitierte Wissenschafterin mit reicher Praxiserfahrung ist". Eine Habilitation hat Neumayr hingegen nicht.

Zum Vorwurf einer "unzulässigen" Wiederbestellung Neumayrs im Jahr 2018 sagt Rektor Lehnert: "Darüber kann man lange und trefflich diskutieren", und verweist auf eine "Vereinbarung mit dem Vorgängerrektorat, die "wir erfüllen mussten". Doch geht es nach dem Universitätsgesetz, dürften derartige Vereinbarungen keine Rolle spielen.

Karrierebeendende Beschwerde?

Auf die Frage, wie es nun mit der betreffenden Professur weitergeht, verweist Lehnert auf das aufgrund der Beschwerden "laufende Verfahren". Fest steht aber: "Es wird keinen Ruf für Neumayr geben." Er werde bis September lediglich im Rahmen einer wissenschaftlichen Weiterbeschäftigung weiter Prüfungen abnehmen und Lehrveranstaltungen halten. Man habe das "Thema klar erkannt", sagt Lehnert. "Wir sind dabei, eine gute Lösung zu finden, das ist mit Herrn Prof. Neumayr, den ich auch sehr schätze, akkordiert."

Weniger Klarheit gibt es allerdings für die Mitbewerberinnen und Mitbewerber. Sie äußern die Sorge, dass die Professur nach der laut gewordenen Kritik nun einfach gestrichen werden könnte.

Wenn Diskriminierung vermutet wird, empfiehlt die Satzung der Uni ausdrücklich, Beschwerde einzulegen. Eine Beschwerdeführerin habe indessen zu spüren bekommen, was Beschwerden auslösen könnten, sagt sie: Jemand habe sie, eine der Beschwerdeführerinnen, kontaktiert. Am Telefon sei ihr gesagt worden, mit der Beschwerde habe sie ihre "wissenschaftliche Karriere zerstört", denn Neumayr sei in der "österreichischen wissenschaftlichen Community" beliebt. Außerdem bekomme sie weder diese noch eine Professur an einer anderen Uni in Österreich. Neumayr habe viel für die Uni getan, da sei es unerheblich, dass seine neuerliche Bestellung nicht ganz gesetzmäßig sei, wie die Beschwerdeführerin aus dem Telefonat zitiert.

Hürden für Frauen

"Etwas für die Uni tun" darf freilich keine Rolle spielen. Das korrekte Prozedere bei einer Professur nach §99 Abs 1 des Universitätsgesetzes 2002 erlaubt zwar ein verkürztes Verfahren. Es muss keine Berufungskommission eingesetzt werden, keine Gutachterbestellung erfolgen, kein Vorbeurteilungsverfahren, keine Hearings und keinen Dreiervorschlag geben, erklärt Manfred Novak vom Institut für Universitätsrecht der Johannes-Kepler-Universität Linz. Dennoch gibt es Regeln: Es braucht eine internationale Ausschreibung und einen Vorschlag oder die Anhörung der fachzuständigen Professoren und Professorinnen. Letztlich wählt der Rektor aus. Wenn dieselbe Person diese Professur erneut besetzen soll, braucht es ein ordentliches Berufungsverfahren. Ein solches hat es für Neumayr eben nicht gegeben.

Mitarbeiter:innen des Fachbereichs kritisieren, dass für Frauen die Hürden im Fachbereich Privatrecht an der Uni Salzburg besonders hoch seien. So hätten Habilitationsprojekte von Frauen in der Vergangenheit oft keine Chance gehabt. Frauenförderung sei ihm wichtig und "beschäftigt uns auch sehr", sagt Lehnert. Dass es an dem Fachbereich nur eine Frau und sechs Männer bei den "vollen" Professuren gibt, müsse sich "dramatisch ändern", so der Rektor, der versichert: "Ich berufe, wo ich nur kann und wo es nur geht, Frauen."

Theoretisch strenge Frauenförderung

Seit 2021 gibt es noch strengere Regelungen zur Umsetzung der Frauenförderung an den Unis, sagt Manfred Novak. Bis dahin konnte man nur Beschwerde erheben, wenn eine konkrete Diskriminierung vermutet wurde, zum Beispiel wenn bei gleicher Qualifikation die Bewerberin nicht einem Bewerber vorgezogen wird. Nun sind Beschwerden auch bei einer Verletzung des Frauenförderungsgebots möglich. Und dieses ist so lange verpflichtend, bis das Zahlenverhältnis von Frauen und Männer an den Universitäten ausgeglichen ist. Der Schutzumfang für Frauen hat sich mit 2021 also deutlich verbessert. Zumindest auf dem Papier. (Beate Hausbichler, 16.5.2023)