Inniger hätte die Umarmung kaum sein können. Nach seinen Blitzbesuchen in drei EU-Hauptstädten übers Wochenende hat sich Wolodymyr Selenskyj am Montag erneut der Unterstützung Großbritanniens versichert. Der ukrainische Präsident besuchte "meinen Freund" Rishi Sunak auf dem Landsitz Chequers bei London. Der Premier hat dem angegriffenen Land Cruise-Missiles und Angriffsdrohnen zugesagt, was im Kreml "extrem negativ" gesehen wird. "Wir bleiben standhaft", sagte Sunak.

Ruheoase für zwei Regierungschefs: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist im Londoner Landsitz Chequers vor russischen Angriffen sicher, der britische Premier Rishi Sunak vor Kritik von Parteikollegen.
Foto: EPA / Simon Dawson

Die Luft-Luft-Raketen vom Typ Storm Shadow ("Sturmschatten") sowie Drohnen mit einer Reichweite von 200 Kilometern ermöglichen der Ukraine die Bekämpfung russischer Nachschubpositionen und Munitionsdepots weit hinter der Frontlinie. Unter Fachleuten gilt das als zwingende Voraussetzung für die vielbeschworene Gegenoffensive, mit der Kiew besetztes Territorium zurückerobern will. Sunak hatte schon im Februar angekündigt, die Royal Air Force werde ukrainische Piloten auf westlichen Kampfjets vom Typ F-16 ausbilden. Dies werde "relativ bald" beginnen.

"Bring back Boris"

Ehe Sunak am Dienstag zum Treffen des Europarats in Reykjavik und zum G7-Gipfel in Hiroshima reist, muss der konservative Parteichef noch einen eher unliebsamen Termin hinter sich bringen. Für Montagabend hatte er seine Parlamentsfraktion zu einem Grillabend in den Garten der Downing Street eingeladen. Sonderlich gemütlich versprach die Gelegenheit schon deshalb nicht zu werden, weil nach den verheerenden Kommunalwahl-Ergebnissen vom Montagsbeginn wieder einmal der rechte Parteiflügel gegen den Chef mobilisiert.

Dazu diente am Wochenende im Seebad Bournemouth eine Zusammenkunft von unentwegten Fans des gescheiterten Ex-Premiers Boris Johnson. Offiziell will die neugegründete Lobbygruppe CDO für mehr innerparteiliche Demokratie werben; unter den Teilnehmern, darunter die Johnson-Groupies und früheren Kabinettsmitglieder Nadine Dorries, Priti Patel und Jacob Rees-Mogg, lautete das Motto eher "Bring back Boris".

Ob der 58-Jährige sich aber eine zweite Periode in der Downing Street überhaupt leisten könnte? Seit dem Ausscheiden aus dem Amt Anfang September hat Johnson dem Parlament Verdienste von 5,7 Mio. Pfund gemeldet – genug, um ohne Hypothekenkredit ein 3,8 Mio. Pfund teures Haus auf dem Land zu erwerben. Zudem steht dem Abgeordneten für den West-Londoner Wahlkreis Uxbridge noch eine demütigende Entschuldigung im Unterhaus bevor: Ende Mai wird der zuständige Ethik-Ausschuss ein entsprechendes Votum veröffentlichen und Johnson zur Strafe für unwahre Äußerungen im Plenarsaal mehrere Tage lang ausschließen.

Gefahrenherd Braverman

Größere Gefahr als von Johnson und dessen Jüngern geht für Sunak derzeit von den Ambitionen seiner Innenministerin Suella Braverman aus. Die neue Galionsfigur der nationalistischen Parteirechten mahnte am Montag ihre eigene Regierung dazu, das Wahlversprechen einer deutlich reduzierten Immigration einzulösen. Weniger Zuzügler zu wollen sei "weder rassistisch noch fremdenfeindlich", sagte die Tochter von Einwanderern aus Kenia und Mauritius. Braverman liegt mit liberalkonservativen Kabinettsmitgliedern im Clinch um mehr Visa an ausländische Studierende.

Dass die Ministerin und ihre Gesinnungsgenossen auf der NatCon-Tagung auftreten, verstärkt in London die Gerüchte über eine englische Tea-Party-Gruppierung vergleichbar den Republikanern in den USA. Auch außenpolitisch spuckt die Parteirechte dem Premier in die Suppe: Sunaks kläglich gescheiterte Vorgängerin Liz Truss will diese Woche Taiwan besuchen, um dort auf eine härtere Haltung zu Peking zu pochen. Kommentar Seite 32

Ruheoase für zwei Regierungschefs: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist im Londoner Landsitz Chequers vor russischen Angriffen sicher, der britische Premier Rishi Sunak vor Kritik von Parteikollegen. (Sebastian Borger aus London, Manuel Escher, 15.5.2023)