Die Spanierin María Dueñas musiziert agil und feinnervig – und stattet Ludwig van Beethovens frühlingsmildes Violinkonzert mit nuancierten Gefühlserzählungen aus.

Foto: Tam Lan Truong

Tee oder Kaffee? Weder noch. Bei einem ehemaligen k. u. k. Hofzuckerbäcker bestellt sich María Dueñas, flankiert von Marmorsäulen und beschirmt von ihrer Mutter und einer güldenen Kassettendecke, eine heiße Schokolade mit Schlagobers. Die Prunkräume des Palais Todesco wurden einst von Theophil Hansen ausgestaltet, jenem Big Player der Architektur der Gründerzeit, der auch den Musikverein entworfen hat. In diesem hat die Geigerin jüngst mit Manfred Honeck und den Wiener Symphonikern Beethovens Violinkonzert (und einiges mehr) aufgenommen. Wie kam es dazu? Und was hat die Spanierin nach Wien geführt?

Klangsuche

Erst einmal ein Stipendium. Die Ausbildungssituation in Granada bot dem jungen Talent zu wenig Möglichkeiten, dank eines Auslandsstipendiums übersiedelte die Elfjährige nach Dresden, nach zwei Jahren ging es weiter nach Wien. Boris Kuschnir, der Talente wie Nikolaj Znaider, Julian Rachlin und Lidia Baich zu Stars geformt hat, nahm Dueñas unter seine Fittiche. Worin besteht sein Erfolgsrezept? "Jeder Schüler soll eine eigene Persönlichkeit, seine eigene Stimme entwickeln", erklärt die 20-Jährige. "Ich arbeite mit ihm konsequent daran, meinen eigenen Klang zu finden."

Dueñas’ Klang bei Beethovens Violinkonzert ist so schlank wie sie selbst und von einer sanft-wärmenden Glut erfüllt; die Geigerin musiziert agil und feinnervig, ihr Vibrato gerät nie aufdringlich. Bei Beethovens frühlingsmildem Opus kreiert Honeck mit den Symphonikern samtene Klanglandschaften von Schubert’scher Weichheit, in deren Ambiente die Solistin passgenau ihre nuancierten Gefühlserzählungen bettet.

Doppelgriffe

Geiger sind Filigranhandwerker, ihr Job ist Hundertstelmillimeterarbeit. Intonation, Lagenwechsel, Doppelgriffe: Das will von klein auf täglich geübt werden. Ist das der Künstlerin als Kind schwergefallen? Sie habe nur geübt, wenn es ihr Spaß gemacht habe, versichert Dueñas. "Eine Perfektionistin war ich schon, deshalb habe ich auch gern Wettbewerbe gespielt." Es hätte sie motiviert, dafür nicht nur musikalisch, sondern auch mental gut vorbereitet zu sein.

Auch in der Interviewsituation ist Dueñas um Tadellosigkeit und Kontrolle bemüht. Abseits des Konzertpodiums hält sie sich mit Schwimmen fit, sie tanzt und schaut gern Eiskunstlauf. Wenn sie sich für Wettbewerbssiege oder ihre Auftritte mit Stardirigenten wie Gustavo Dudamel belohnen will, geht sie shoppen.

Whitney Houston

Aber keine teuren Luxusklamotten, sondern echte Schallplatten: "Ich mag Pop, aber ich bin da altmodisch. Ich höre gern Whitney Houston und Céline Dion." Zu lange lauschen darf María Dueñas nicht, denn sie studiert ja noch. "Ich mache jetzt bald den Bachelor, dafür muss ich auch einiges tun." Na dann: Ober, zahlen! (Stefan Ender, 16.5.2023)