Wie aus vertraulichen Dokumenten des Klimaministeriums hervorgeht, wird über striktere Ansätze nachgedacht. Potenzial dafür bietet der Verkehrssektor.

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Die Analysen und Prognosen fallen eindeutig aus: Österreich ist drauf und dran, die Klimaziele zu verfehlen. Das gilt für die selbstauferlegte Klimaneutralität bis 2040 wie für die Klimaziele der EU. Wie kürzlich bekannt wurde, denkt das Umweltministerium nun radikalere Maßnahmen an – und bedient sich dabei Vorschlägen des Klimarats. Die Rede ist von Tempolimits, autofreien Tagen und höheren CO2-Steuern. Doch braucht es wirklich derartige Maßnahmen?

Bereits 2021 mahnte der Rechnungshof, den nationalen Energie- und Klimaplan "unmittelbar" nachzubessern, da ansonsten die Klimaziele unerreichbar blieben. Doch auch zwei Jahre später kommen Analysen zum gleichen Ergebnis. Unter Berücksichtigung bestehender Gesetzesinitiativen dürften die Emissionen in sieben Jahren etwa 42 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent betragen, errechnete das Umweltbundesamt jüngst.

Das angestrebte Ziel von 29 Millionen Tonnen würde damit klar verfehlt. Bereits herausgerechnet sind mit Teilen der Energiewirtschaft und energieintensiven Industrie Hauptverursacher der Emissionen, da diese durch den EU-weiten Emissionshandel abgedeckt sind.

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Viel Spielraum im Verkehr

Dicht dahinter: Der Verkehrssektor – und genau dort könnte künftig angesetzt werden. Laut dem Nachrichtenmagazin Profil gibt es seit Februar rege Beratungen zwischen dem grünen Klimaschutzministerium und dem schwarzen Finanzministerium. Entwürfe, Konzepte und Ideen würden ausgetauscht, im Klimaministerium gebe es kaum Denkverbote. Doch was steht zur Debatte und wie sind die Ideen einzuordnen?

  • Autofreier Tag Aus Umweltsicht ist ein autofreier Tag pro Monat, wie von Bürgerinnen und Bürgern im Zuge des Klimarats vorgeschlagen, wohl nur kurzfristig wirksam; längerfristig könnte er gar ins Gegenteil umschlagen. In Mexiko etwa habe die Einführung den Fahrzeugbestand erhöht, gibt Karl Steininger vom Wegener Center für Klima und Globalen Wandel der Uni Graz zu bedenken. Viele Haushalte hätten sich als Reaktion auf das Verbot ein zweites Auto zugelegt.
  • Früheres Verbrenner-Aus Auf EU-Ebene wurde es nach einigem Gezerre ab 2035 besiegelt, in Österreich könnte die Neuzulassung von Verbrennern bereits 2027 in Kraft treten, sollte das Klimaministerium dem Vorschlag des Klimarats nachkommen. Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) dürfte das wenig erfreuen. Erst im März bezeichnete er Österreich als "Autoland schlechthin" und sprach sich dagegen aus, den Verbrennungsmotor "zu verbannen".
  • Tempolimits senken Die Höchstgeschwindigkeiten herabzusetzen gilt unter Experten als wirksamstes Mittel, verkehrsbedingte Treibhausgas-Emissionen zu senken. Politisch dürfte eine Umsetzung dennoch schwierig sein. Diskussionen lassen die Wogen in der Öffentlichkeit hochgehen, im Nationalrat gibt es dafür wohl ebenfalls keine Mehrheit.
  • CO2-Preis anheben Mehrfach verschoben und letztlich zu niedrig: Bei Kritikern kommt die CO2-Steuer nicht gut davon. Um die CO2-Emissionen wirksam zu senken, brauche es einen entsprechend hohen Steuersatz, so der Tenor. Für einen signifikanten Lenkungseffekt hält Umweltökonom Steininger "zumindest das Doppelte" als Einstieg angebracht – mit deutlichen Erhöhungen in den Folgejahren. Die Grünen dürften nun eine Erhöhung auf 120 Euro bis 2025 andenken, zeigen vertrauliche Dokumente. Angesichts der derzeit geplanten 55 Euro pro Tonne eine satte Steigerung.
  • Flächenwidmungen in die Hand der Länder legen Derzeit sind es die Bürgermeister, die darüber entscheiden, ob etwas Bauland oder Grünfläche ist. Fachleute fordern schon länger, dass die Kompetenzen den Ländern überlassen werden. Das soll Entscheidungen transparenter und von Wählerstimmen unabhängiger machen. Aus klimatischer Sicht sei damit "weniger Zersiedelung" anzustreben, erklärt Steininger. Damit würden Pkw-Wege reduziert, der öffentliche Verkehr gleichzeitig bedient werden.

Bislang nur Ideen

Zwar sind sich alle einig, dass es neue Maßnahmen braucht. Österreich will schließlich bis 2040 klimaneutral sein, einzelne Bundesländer zeigen sich noch ambitionierter. Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) etwa präsentierte am Montag eine umfassende Klimastrategie, mit der das Land bis 2030 klimaneutral werden soll. Doch ein Blick auf derzeitige Gesetzesvorhaben – Stichwort Klimaschutzgesetz und Erneuerbare-Wärme-Gesetz – zeigt: Der Weg zur Umsetzung ist ein langer.

Bis Ende Juni gilt es jedenfalls, der EU-Kommission eine aktualisierte Fassung des nationalen Energie- und Klimaplans vorzulegen – mit Vorschlägen, wie die Ziele noch erreicht werden können. Das liegt auch im Interesse Österreichs, möchte die Regierung künftige Strafzahlungen vermeiden. (Nicolas Dworak, 15.5.2023)