Regisseurin Maïwenn als Mätresse Jeanne du Barry bezirzt Johnny Depp in seiner Comeback-Rolle als König Louis XV.

Foto: Cannes

Wer reitet so fröhlich über Stock und Stein? Es ist die du Barry mit dem König fein.

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Stars und alte Herren, oft in Personalunion, stechen beim Durchforsten des Programms des diesjährigen Filmfestivals von Cannes ins Auge. Gut, Cannes gilt seit jeher als Hort des Autorenfilms (auf das Gendern kann man hier getrost verzichten), aber dass derart viele altgediente Filmemacher präsent sind, die schon seit Jahrzehnten Cannes-Fixstarter sind, ist doch verwunderlich.

Der sozialistische Brite Ken Loach etwa ist 86 Jahre alt, wurde bereits sechzehnmal nach Cannes eingeladen und gewann zwei Goldene Palmen. Mit zehn Jahren Abstand folgt der eher liberale Deutsche Wim Wenders, der mindestens zehnmal in Cannes war und eine Palme gewann. Dieses Jahr hat er gleich zwei Filme im Programm. Im Wettbewerb läuft Perfect Days über den Alltag eines japanischen Mannes, der als Putzkraft arbeitet. Außer Konkurrenz zeigt Wenders einen 3D-Film zum Künstler Anselm Kiefer.

Auch Italien ist zahlenmäßig gut vertreten: Den Altersdurchschnitt ihrer Landsmänner Nanni Moretti (69) und Marco Bellocchio (83) senkt hier die wunderbare Alice Rohrwacher (42), deren Film La Chimera ihre Schwester Alba Rohrwacher mit Isabella Rossellini und Josh O’Connor (ehem. Prince Charles in The Crown) vereint.

Aus Österreich: "Club Zero"

Eine weitere Regisseurin aus dem Wettbewerb, der heuer erstmals einen annehmbaren Frauenanteil aufweist, setzt auf Schwesternpower. Die Wienerin Jessica Hausner stammt aus einem Künstlerhaushalt, die Schwester Xenia hat das Metier der Eltern übernommen, die andere Schwester Tanja ist Kostümbildnerin geworden. Als solche verleiht sie den Hausner’schen Filmen ihren ganz speziellen Look: clean, in gedämpften Primärfarben, unverkennbar.

Hausners Club Zero feiert Anfang kommender Woche Weltpremiere in Cannes und weist mit dem diesjährigen Gewinner des Deutschen Filmpreises Das Lehrerzimmer eine sonderbare Parallele auf: In beiden Filmen treibt eine gewisse Lehrerin namens Frau Novak respektive Nowak an Schulen ihr Unwesen.

Mia Wasikowska als komplizierte Lehrerin Frau Novak.
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Kontroverse um Regisseurin Maïwenn

Ihr Unwesen getrieben hat auch die Regisseurin des Eröffnungsfilms, Maïwenn, als sie einen französischen Journalisten, der über die Vergewaltigungsvorwürfe gegen ihren Ex-Mann Luc Besson berichtete, an den Haaren zog und auf den Kopf spuckte. Negativschlagzeilen so kurz vor der Premiere ihres Films Jeanne du Barry, der ohnehin schon für Wirbel gesorgt hatte – ist er doch das Comeback-Vehikel für Johnny Depp, nachdem sein Image durch den Verleumdungsprozess mit Ex-Frau Amber Heard doch recht angeschlagen war.

Da Maïwenn sich auch, wie Catherine Deneuve, die heuer das offizielle Plakat des Festivals ziert (natürlich als junge Frau), kritisch gegen MeToo geäußert hat, kann man die Programmentscheidung zudem als Signal gegen die von MeToo angetriebenen Umbrüche in der französischen Filmlandschaft deuten.

Catherine Deneuve auf dem diesjährigen Cannes-Poster.
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Sternenstaub in den Augen

Aber da sind ja auch die Stars, die rasch ein verklärtes Glänzen in den prüfenden Kritikerinnenblick zaubern. Mit so vielen Stars wie Asteroiden am Himmel wartet Wes Andersons Neuling Asteroid City auf, der kommende Woche sicher für Wirbel am roten Teppich sorgen wird: Scarlett Johansson, Tom Hanks, Tilda Swinton und auch einmal wieder Owen Wilson sind Teil von Andersons Puppenstube.

Focus Features

Martin Scorseses Öl-Epos Killers of the Flower Moon läuft, wie der neue Indiana Jones, nicht im Wettbewerb, wird aber für Schlangen vor dem Palais sorgen. Und auch Johnny-Depp-TochterLily-Rose ist vor Ort für die Premiere der Serie The Idol, die auch schon für Schlagzeilen gesorgt hat, nachdem Regisseurin Amy Seimetz die Show verlassen hatte, weil dem Stoffentwickler Sam Levinson (Euphoria) ihre "female perspective" zu präsent war. Depp spielt dort ein Starlet, das in einen Strudel aus Drogen und Gewalt absackt.

Man kommt also dem Sexismus in Cannes nicht aus, auch wenn das Festival das Thema gern unter den roten Teppich kehren würde, um es dann mit spitzen Stilettoabsätzen endgültig auszulöschen. Durch und durch moderat hat sich dagegen der Regisseur und diesjährige Jury-Präsident Ruben Östlund im Branchenblatt Variety zu Wort gemeldet: Er werde ein sehr schwedischer und ein sozialdemokratischer Jury-Präsident sein. Was das für die Preisverleihung bedeutet, wird man Ende Mai herausfinden. (Valerie Dirk, 16.5.2023)