Rom, Berlin, Aachen, Paris, London. Stundenlange Gespräche mit Regierungen, öffentliche Auftritte, dazu die feierliche Zeremonie bei der Verleihung des Karlspreises. Und das in kaum 48 Stunden. Viele Menschen fragen sich, wie Wolodymyr Selenskyj den ganzen Stress so ruhig aushält.
Es ist in der Tat erstaunlich. Der Präsident wirkt bei seinen Blitzvisiten aufgeräumt, dankbar-bescheiden, optimistisch. Ein Präsident im Krieg, der nicht müde wird, für Freiheit und Frieden zu werben. Der derzeit meistgefährdete Mensch der Welt macht dem ängstlichen Westen Mut, so scheint es.
Wladimir Putin würde ihn wohl am liebsten tot sehen, damit er die Ukraine brechen kann. Aber Putin sitzt im Bunker. Selenskyj erobert indes die freie Welt mit einem Lächeln, konzentriert auf das Wesentliche. Das besteht einerseits im ständigen Erinnern daran, dass Putins Aggression nicht nur die Ukraine, sondern die Demokratien in Europa bedroht. Er macht andererseits auch klar, dass es Freiheit und Demokratie nur gibt, wenn man um sie kämpft – politisch und militärisch.
Das haben die früher zögerlichen Partner in Europa nun voll akzeptiert. Vor einem Jahr sprach Kanzler Olaf Scholz abstrakt von "Zeitenwende". Nun wurde eine reale Wende daraus: Berlin, Paris und London bauen ihre Militärhilfen beträchtlich aus. Die EU gibt zivile Sicherheitsgarantien. Deutschland ist inzwischen zweitgrößter Waffenlieferant nach den USA. Selenskyj brachte eine neue Waffenbrüderschaft mit nach Hause. (Thomas Mayer, 15.5.2023)