Im vergangenen Februar verkündeten Astronominnen und Astronomen die Entdeckung von zwölf neuen Jupitermonden. Mit dem Zuwachs kam der größte Planet im Sonnensystem auf 92 Monde, was ihm den nötigen Vorsprung verschaffte, um Saturn (der damals bei 83 von der Internationalen Astronomischen Union anerkannten Monden stand) von der Spitze zu verdrängen. Lange konnte sich Jupiter dort aber nicht ausruhen. Aktuelle Beobachtungsdaten katapultierten den Saturn im Rennen um den Planeten mit den meisten Monden nun weit nach vorn: Insgesamt wurden 62 neue Monde entdeckt, die den Saturn umkreisen – allesamt freilich Winzlinge.

Damit steigt die offizielle Gesamtzahl der Monde um den Ringplaneten auf 145. Der Saturn ist nunmehr zumindest bis auf weiteres der einzige Planet mit mehr als 100 Trabanten. "Der Saturn hat nicht nur die Anzahl seiner Monde fast verdoppelt, er hat jetzt mehr Monde als alle anderen Planeten des Sonnensystems zusammen", sagte Brett Gladman, Astronom an der Universität von British Columbia, der an den Beobachtungen beteiligt war.

Der Ringplanet ist wieder Mondkönig: Kein anderer Planet im Sonnensystem hat mehr Trabanten um sich geschart.
Foto: Reuters/NASA/JPL-Caltech

Mühsame Mondsuche

Die Entdeckung der neuen Saturnmonde ist im Grunde keine große Überraschung, sondern illustriert vor allem, wie effektiv moderne Techniken zum Aufspüren von kleinen Himmelskörpern im Umfeld der Riesenplaneten geworden sind – auch wenn die Suche nach den kleinen Monden immer noch eine ziemliche Herausforderung ist. Die Helligkeit von Jupiter und Saturn überstrahlt aus Sicht der Erde alles um sie herum. Kleine, lichtschwache Objekte lassen sich in diesem Gleißen nur sehr schwer ausmachen.

Dass dies dennoch gelingt, ist einer Methode zu verdanken, bei der zahllose über Jahre hinweg geschossene Bilder der Gasriesen stapelweise übereinander gelegt und miteinander verglichen werden. Auf diese Weise identifizierte ein Team um den Astronomen Edward Ashton, derzeit am Academia Sinica Institute of Astronomy and Astrophysics in Taiwan tätig, neue Saturnmonde mit Durchmessern von kaum 2,5 Kilometern. Kann man bei so winzigen Brocken überhaupt noch von einem Mond sprechen?

Mond oder Ringmaterial

Fachleute würden sie tatsächlich eher natürliche Satelliten nennen, und die Kriterien für diese Kategorie sind recht großzügig gefasst: Unabhängig von Masse, Form oder Zusammensetzung muss das betreffende Objekt lediglich auf einer stabilen Umlaufbahn um einen größeren Himmelskörper kreisen. Das Fehlen einer Grenzgröße rächt sich, wenn man den Übergangsbereich zwischen den kleinsten Monden und den größten Ringbrocken betrachtet. Letztlich ist die Bezeichnung "Mond" also rein konventionell.

Die Aufnahme der Nasa-Sonde Cassini zeigt den Saturnmond Titan, den nach dem Jupitermond Ganymed zweitgrößten Mond im Sonnensystem. Die meisten der nunmehr 145 Monde des Ringplaneten sind dagegen winzige Brocken.
Foto: NASA/JPL-Caltech/Space Science Institute

Es reicht allerdings nicht aus, ein Objekt in der Nähe eines Planeten zu entdecken, um mit Recht zu behaupten, man habe einen neuen Mond gefunden. Für einen gesicherten Mondstatus sind viele Bildanalysen erforderlich, bei denen Serien von aufeinanderfolgenden Bildern übereinander gestapelt werden, um so Signale zu verstärken, die auf Einzelaufnahmen nicht erkannt werden könnten. 2019 nutzten Ashton und seine Kolleginnen und Kollegen diese Technik, um das nähere Umfeld von Saturn mit dem Canada-France-Hawaii Telescope (CFHT) zu scannen. Bis zum Jahr 2021 führte das Team regelmäßig Beobachtungen durch, die letztlich in einer reichen Ausbeute mündeten: 62 neuen Monde konnten die Forschenden in mühevoller Kleinarbeit aufspüren.

Punkte verbinden, aber auf die harte Tour

"Der Fährte dieser Monde zu folgen glich ein wenig dem Linienpuzzle 'Punkt-zu-Punkt', denn wir mussten die zahlreichen Erscheinungen der Monde in unseren Daten zu brauchbaren Umlaufbahnen verbinden", sagte Ashton. "Mit dem Unterschied jedoch, dass wir hier 100 verschiedene Figuren auf derselben Seite vor uns hatten – man weiß nicht, welcher Punkt zu welcher Bahn gehört."

Alle neu entdeckten Monde gehören zu den "irregulären" Saturnmonden, die den Gasriesen auf weiten, elliptischen Bahnen in einem geneigten Winkel zu den Orbits seiner 24 "regulären" Monde umkreisen. Vorerst wurden ihnen nur Zahlen- und Buchstabenkombinationen als Bezeichnungen zugewiesen, doch am Ende sollen sie je nach Kategorie – gemäß den Namenskonventionen für den Saturn – einen gallischen oder nordischen Namen erhalten oder nach einem Gott der kanadischen Inuit benannt werden. Gladman meinte, sein Team werde sich mit den Ältesten der Inuit beraten und sie um Vorschläge bitten, die dann der IAU zur Genehmigung vorgelegt werden.

Die Grafik zeigt die Bahnen von vier der neuen Monde auf ihrer Umlaufbahn um Saturn (schwarzer Kreis in der Mitte) im Zeitraum 2019 bis 2021. Die farbigen Punkte markieren die beobachtete Position jedes Mondes, die strichlierten Kurven geben die Umlaufbahnen wieder, die sie miteinander verbinden.
Grafik: Edward Ashton et al./University of British Columbia

Saturn bleibt wohl Mondkönig

Es sei zwar möglich, dass Jupiter den Saturn irgendwann einmal wieder überholt, was die Zahl der Monde betrifft – sehr wahrscheinlich sei das jedoch nicht, meinen die Forschenden. Die neuesten Ergebnisse scheinen vielmehr zu bestätigen, dass der Saturn in Sachen Mondbesitz letztlich als endgültiger Sieger hervorgeht. "Wir glauben, dass es etwa dreimal so viele Saturnsatelliten wie Jupitersatelliten gibt", sagte Gladman.

Viele von ihnen sind die Überreste einer vergleichsweise jungen Kollision zweier Monde, die vermutlich auch ihren Beitrag zum ikonischen Ringsystem beigesteuert hat. "Je weiter man die Grenzen moderner Teleskope ausreizt", sagte Gladman, "desto mehr Beweise finden wir dafür, dass ein mittelgroßer Mond, der den Saturn im Rückwärtsgang umkreiste, vor etwa 100 Millionen Jahren auseinandergerissen wurde."

Junger und flüchtiger Ringschmuck

Zu dieser Zeit besaß der Saturn vielleicht schon einen Teil seiner Ringe, möglicherweise trug diese Kollision aber erst zu ihrer Entstehung bei: Laut einer aktuell im Fachjournal "Science Advances" erschienenen Studie weist Staub um den Gasplaneten nämlich auf ein Geburtsdatum der Saturnringe vor höchstens 400 Millionen Jahren hin – sie wären damit deutlich jünger, als Fachleute lange Zeit angenommen hatten. Zu diesem Resultat kamen Astronominnen und Astronomen um Sascha Kempf von der University of Colorado in Boulder, USA, bei der Analyse von Daten, die die Nasa-Raumsonde Cassini zwischen 2004 und 2017 gesammelt hat.

Die Ringe des Saturn sind von vergänglicher Schönheit. Man vermutet, dass sie nur wenige hundert Millionen Jahre Bestand haben.
Foto: Reuters/NASA, ESA, A. Simon, M.H. Wong

Winzige Steinkörnchen strömen nahezu ständig durch das Sonnensystem, manche davon bleiben unter anderem auch im Ringsystem hängen. So ähnlich wie die Dicke der Staubschicht auf einem Möbelstück etwas darüber verrät, wie lange nicht mehr Staub gewischt wurde, offenbarten die von Cassinis "Cosmic Dust Analyzer" registrierten Partikel, seit wann es das Ringsystem des Saturn bereits gibt. Zu ganz ähnlichen Resultaten kam auch ein Team um Richard Durisen von der Indiana University in Bloomington. Die in der Fachzeitschrift "Icarus" veröffentlichte Arbeit prophezeit den Ringen zudem kein allzu langes Überleben.

Glücklicher Anblick

Anhand von Cassini-Daten und Modellberechnungen kamen Durisen und sein Kollege Paul Estrada vom Ames Research Center der Nasa zu dem Schluss, dass die Ringe mit einer erstaunlich hohen Geschwindigkeit an Masse verlieren. Vielen Tonnen Material regnen demnach pro Sekunde auf den Gasriesen hinab, die verbleibende Lebensdauer der Ringe rechnet sich laut Durisen und Estrada allenfalls in hundert Millionen Jahren. Vielleicht haben wir Menschen also nur außerordentliches Glück gehabt, den Saturn während seiner prächtigen, aber kurzen Ringepisode beobachten zu können. (Thomas Bergmayr, 16.5.2023)