Der Wiener Brunnenmarkt ist ein beliebter Treffpunkt für die türkische Community in Österreich.

Foto: Robert Newald

Es ist nicht neu, aber bei diesen Wahlen, die zumindest über die mittelbare Zukunft der Türkei, die innenpolitische Richtung, entscheiden, fällt es besonders auf: Die Türken und Türkinnen in Österreich, die freiwillig – oder unfreiwillig, das ist wichtig zu erwähnen – noch ihre türkische Staatsbürgerschaft haben, wählen in einer großen Mehrheit einen konservativ-islamisch-nationalistischen Weg. Der Mann ihrer Wahl ist Recep Tayyip Erdoğan, der schon einmal den österreichischen Staat "verflucht", wenn ihm etwas nicht passt, was von hier nach Ankara dringt. Das ist zwar genauso lächerlich wie der junge Mann, der in der "ZiB" am Montag seine Wahl mit "gute Ökonomie" begründete – er war wohl lange nicht mehr in der Türkei –, aber es sitzt.

Nun würde mit Sicherheit nicht Liebe und Harmonie zwischen der Türkei und der EU und ihren Mitgliedern einkehren, wenn Kemal Kılıçdaroğlu das Präsidentenamt übernähme. Alle Probleme – vor allem die schwierige Zusammenarbeit in der Migrationsfrage – bleiben. Aber auf eine Normalisierung zumindest des Umgangstons hätte man hoffen können. Und für die Türkei wünscht man sich eine Rückkehr zu einer demokratischen Ordnung, die nicht von einem religiös-nationalistischen Autokraten ausgehebelt wird.

Padre Padrone

Warum die türkische Wählerschaft in Österreich so an ihrem Padre Padrone hängt, hat viele und teilweise komplexe Gründe: von der geografischen und sozialen Herkunft der Türken und Türkinnen in Österreich bis zur – beidseitig – seit Jahrzehnten schwierig gemachten Integration. Da müssen wir auch unsere eigene Geschichte anschauen.

Aber dieses Jahr gab es noch das besondere Pech, dass unter türkischer Fuchtel stehende Verbände und Moscheen wegen der zeitlichen Nähe des Fastenmonats Ramadan vor diesen Wahlen besonders leichten Zugriff genau auf die potenzielle Erdoğan-Wählerschicht hatten. Es ist eine fatale Entwicklung, dass in diesen Wähler- und Wählerinnenköpfen Islam, Nationalismus und Politik so eng verquickt sind. Dieser Befund ist selbstverständlich einzuschränken auf genau diese Gruppe, die in absoluten Zahlen nicht riesig ist und auch beileibe nicht alle Türken und Türkinnen in Österreich repräsentiert. Aber er ist nicht nur eine Projektion von außen. (Gudrun Harrer, 16.5.2023)