9,5 Prozent der Haushalte in Österreich besitzen Immobilien, in denen sie nicht selbst leben. Von den Entwicklungen am Wohnungsmarkt profitieren sie doppelt, sagt Ökonom Muckenhuber.

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Medienauftritte gehören mittlerweile schon fast zu ihrer Routine, trotzdem ist ihr die Nervosität anzumerken. Deutlich lockerer wird Marlene Engelhorn erst, wenn sie in ihren Redefluss kommt. Die Millionenerbin bekrittelt die Ungleichverteilung in Österreich, spricht sich aktiv für Vermögens- und Erbschaftssteuern aus. Österreich sei ein Paradebeispiel dafür, wie wenig Vermögen von reichen Menschen besteuert wird.

Hinter ihr ragt ein meterhoher, blauer Elefant in die Höhe. Er solle darauf aufmerksam machen, dass man sich der Besteuerung widmen muss, erklärt Engelhorn. Die Frage sei nicht "ob, sondern wie man Vermögen gescheit besteuern kann".

Links neben ihr steht auf der provisorisch errichteten Bühne Djaffar Shalchi, ebenfalls Millionär und Befürworter von Vermögens- und Erbschaftssteuern. Auf der rechten Seite Mattias Muckenhuber, Ökonom am gewerkschaftsnahen Momentum-Institut. Alle drei haben unterschiedliche Beweggründe, sprechen in Sachen Besteuerung aber dieselbe Sprache.

Österreich mit hoher Mietquote

Vor allem Engelhorn und Muckenhuber sind sich einig: Das Vermögen in Österreich ist so ungleich verteilt wie sonst fast nirgends in der Europäischen Union. Dafür gibt es mehrere Gründe, erklärt Ökonom Muckenhuber. Ein zentraler sei die Verteilung von Wohnimmobilien.

Zur Erklärung: In Österreich ist der Anteil der Menschen, die in einer Mietwohnung leben, besonders hoch. Knapp 43 Prozent zahlen für ihren Hauptwohnsitz regelmäßig Miete, während rund 48 Prozent der Haushalte in Haus- oder Wohnungseigentum leben. Das geht aus der Mikrozensus-Wohnerhebung der Statistik Austria hervor. Bei Betrachtung im europäischen Vergleich liegt Österreich damit an drittletzter Stelle bei der Wohneigentumsquote.

Wie sich das auswirken kann, zeigt die aktuelle Inflationskrise. Die Mietpreisbremse ist an Unstimmigkeiten in der Koalition gescheitert, die Mieterhöhung bekommen nun entsprechend viele Menschen zu spüren. Ganz besonders aber jene, die ohnehin knapp bei Kasse sind. Für all jene, die Immobilien besitzen und diese vermieten, bedeutet das folglich Mehreinnahmen.

Mattias Muckenhuber vom Momentum-Institut bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Engelhorn (Tax me Now) und Shalchi (Human Act) am Dienstag.
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Berechnungen des Momentum-Instituts zufolge betrifft das rund 9,5 Prozent der Haushalte in Österreich, etwa zwei Drittel davon haben die Immobilien geerbt. "Den wenigen Vermieterinnen und Vermietern werden die Mieteinnahmen automatisch um die volle Inflation erhöht, obwohl sie eine Mietpreisbremse sehr leicht verkraftet hätten", kritisiert Momentum-Ökonom Muckenhuber.

Vermögende profitieren gleich mehrfach

Berechnungen würden zeigen, dass das reichste Zehntel der Haushalte 80 Prozent der Mieteinnahmen erhält und 79 Prozent des gesamten Wohnimmobilienvermögens abseits des Hauptwohnsitzes innehat. "Und sie profitieren zusätzlich noch von steigenden Immobilienpreisen bei Wohnungen und Häusern", ergänzt Muckenhuber.

Kritik übt der Ökonom auch am Wohnkostenzuschuss, der zwar für einige Monate auch ärmeren Haushalten über die Runden helfe, dann aber "direkt auf dem Konto der Vermieterinnen und Vermieter landet". Das Geld dafür komme aus Steuergeldern, die wiederum großteils aus Abgaben auf Arbeit stammten.

Vermögende Haushalte würden so doppelt profitieren – in Form einer geringen Besteuerung auf Vermögen, kombiniert mit Mehreinnahmen durch Inflation und Wohnkostenzuschuss. Die Lösung liege auf der Hand: die Wiedereinführung von Erbschafts- und Vermögenssteuern. (Nicolas Dworak, 16.5.2023)