Die Inflation ist derzeit bei Dienstleistungen – und damit im Bereich Freizeit und Reisen – besonders hoch und soll dies in den nächsten Monaten auch bleiben.

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Die Inflation hält sich in Österreich dauerhaft auf sehr hohem Niveau. Nun sind es vor allem üppige Preiszuwächse im Freizeitbereich und bei Dienstleistungen, die die bisherigen Preistreiber Energie und Nahrung im Frühjahr abgelöst haben. Die Folge ist ein neuerlicher Anstieg der Inflation im April auf 9,7 Prozent, gab die Statistik Austria am Mittwoch bekannt. "In der seit 2019 ersten von der Corona-Pandemie unbelasteten Sommersaison geht die Reiselust mit steigenden Preisen für Flüge, Beherbergung und Gastronomie in Österreich und den beliebten Urlaubsdestinationen im Ausland einher", sagt Statistik Austria-Chef Tobias Thomas.

Der starke Preisauftrieb im Dienstleistungsbereich wird wohl anhalten, was besonders die Gastronomie und andere Freizeitaktivitäten sowie Reisen betrifft. "In den kommenden Monaten ist weiter mit starken inflationstreibenden Kräften durch die Weitergabe der gestiegenen Kosten auf viele Dienstleistungspreise zu rechnen, die den sinkenden Energiepreisen entgegenwirken", sagt Bank-Austria-Ökonom Walter Pudschedl. Der Rückgang der Inflation komme dadurch in Österreich nur schleppend voran, "deutlich langsamer als in den meisten Ländern des Euroraums".

Hartnäckiger als erwartet

Insgesamt hat sich die Teuerung bisher als hartnäckiger erwiesen als von Experten erwartet, die teils schon früher einen deutlichen Rückgang erwartet hatten. Dennoch, ausgehend von einem Durchschnitt im bisherigen Jahresverlauf von mehr als zehn Prozent soll sie im Mittel des Jahres 2023 laut Bank-Austria-Prognose 7,6 Prozent betragen. Das setzt ein deutliches Sinken der Teuerungsraten im weiteren Jahresverlauf voraus. Zum Vergleich: In der gesamten Eurozone soll der Preisauftrieb heuer nur 5,5 Prozent betragen.

In der Teuerungsdebatte will der Lebensmittelhandel jedenfalls nicht als Buhmann dastehen und hat dies die Bundesregierung in einem offenen Brief auch wissen lassen: "Das Narrativ, wonach der Lebensmitteleinzelhandel der große Profiteur der hohen Inflation sei, stimmt nicht", heißt es darin. Allein, der Preisauftrieb bei Nahrungsmitteln und alkoholfreien Getränken war im März mit 14,5 Prozent gut fünf Prozentpunkte höher als die gesamte Inflation im selben Monat. Auch die Konsumierenden nehmen die Preissteigerungen bei Lebensmittel am stärksten wahr, wie aus einer Umfrage der Essens-App Too Good To Go hervorgeht.

Gürtel enger schnallen

Demnach geben 95 Prozent der Befragten an, die Teuerung am stärksten im Bereich der Nahrungsmittel zu spüren. Danach folgt die Haushaltsenergie mit 84 Prozent, gefolgt von der Gastronomie mit 76 Prozent und Wohnen mit 55 Prozent. Die Folge: Neun von zehn Konsumierenden haben ihr Einkaufsverhalten entsprechend angepasst, also den Gürtel enger geschnallt, und greifen vermehrt zu Rabattaktionen oder Diskontprodukten. Als positiven Nebeneffekt des stark gestiegenen Preisniveaus erwarten aber mehr als die Hälfte, dass es deshalb zu weniger Lebensmittelverschwendung kommt.

Sind Lebensmittel ein starker Inflationstreiber? Der Handel sieht dies nicht so.
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Bitte warten, heißt es unterdessen für die inflationsgeplagte Bevölkerung beim Lebensmittelpreisrechner für Grundnahrungsmittel im Supermarkt und im Onlinehandel. Zeitplan dafür gebe es noch keinen, sagt Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP), die Einführung soll aber so rasch wie möglich erfolgen. Unklar ist aber noch, ob dabei nur ein Warenkorb für Grundnahrungsmittel angezeigt werden soll oder völlige Preistransparenz bei Mehl, Milch, Eiern, Butter, Käse sowie Obst und Gemüse herrschen soll.

Regierungspaket zu klein

Neben dem Preisrechner will die Regierung auch mit einer gestärkten Bundeswettbewerbsbehörde, dem Verzicht auf Gebührenerhöhungen der öffentlichen Hand sowie tieferen Strompreisen, die Versorger an die Kundschaft zeitnah weitergeben sollen, die Inflation drosseln. Von Wirtschaftsforschern erhielt die Regierung gemischte Noten für ihr in der Vorwoche präsentiertes Paket: Die Maßnahmen seien richtig, aber "die Größe des Pakets erscheint angesichts fast zweistelliger Inflationsraten doch deutlich zu klein", sagte Wifo-Chef Gabriel Felbermayr.

IHS-Direktor Klaus Neusser erwartet durch das Paket "keinen großen, aber einen nachhaltigen Beitrag" zur Inflationsdämpfung. Der Ökonom hebt zudem positiv hervor, dass keine weiteren nachfrageerhöhenden Elemente enthalten seien, wie dies etwa auf Direktzahlungen zutreffen würde. Die Regierung wurde zuvor mehrfach dafür kritisiert, ihre Hilfszahlungen an die Bevölkerung seien zu wenig zielgerichtet und würden auch Geld für Menschen bringen, die es gar nicht nötig hätten, was die Inflation zusätzlich anheizt.

Am Mittwochmorgen kündigte die Regierung zudem weitere Hilfen an. Für Kinder von armutsgefährdeten Menschen soll es 60 Euro monatlich bis Ende 2024 als Teuerungsausgleich geben. Das gilt auch für Alleinerziehende, sofern sie unter 2.000 Euro brutto pro Monat beziehen. Dazu kommen ebenfalls 60 Euro als befristete Sonderzahlung für Sozialhilfeempfänger.

Unterstützung eingemahnt

Zuletzt mahnte auch Joachim Nagel, Chef der Deutschen Bundesbank und Mitglied des Rats der Europäischen Zentralbank (EZB), einen Beitrag aus Politik und Wirtschaft zur Eindämmung der Inflation ein. "Eine stabilitätsorientierte Geldpolitik kann auf Dauer nur Erfolg haben, wenn auch andere Akteure in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft an diesem Stabilitätsziel mitwirken", sagte er zu Wochenbeginn. Die Politik müsse für solide Staatsfinanzen sorgen und übermäßige Verschuldung zurückfahren. Vor allem dürfe die Finanzpolitik nicht expansiv ausfallen und dadurch zusätzlichen Preisdruck erzeugen.

Wann wird die EZB ihr Inflationsziel von zwei Prozent im Euroraum erreichen? "Da gehört auch eine Portion Geduld dazu", sagte Nagel unter Verweis auf eine Studie der Zentralbank, wonach die größte Wirkung der Zinsschritte auf die Inflation voraussichtlich erst 2024 erreicht werde. Demzufolge hat der Straffungskurs die Inflation 2022 um etwa einen halben Prozentpunkt gesenkt, die dämpfende Wirkung in den Jahren 2023 bis 2025 werde voraussichtlich bei rund zwei Prozentpunkten liegen.

Teurere Kredite

Seit der Zinswende im hat die EZB den Leitzins siebenmal in rasanter Folge von null auf derzeit 3,75 Prozentpunkte angehoben. Als wahrscheinlich gilt, dass sie im Juni und im Juli jeweils einen weiteren Zinsschritt um jeweils einen Viertelprozentpunkt setzt – um ihn dann länger auf diesem Niveau zu belassen. Für Haushalte bedeutet das, dass nicht nur die Verbraucherpreise steigen, sondern vorerst auch die Kosten variabler oder neu zu vergebender Kredite höher werden. (Alexander Hahn, 17.5.2023)