ÖFB-Teamtormann Heinz Lindner wurde wegen Hodenkrebs operiert. Der 32-jährige geht davon aus, bereits in der nächsten Saison wieder spielen zu können – eine durchaus realistische Einschätzung, sagt ein Urologe.

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Auf Instagram teilte ÖFB-Teamtormann Heinz Lindner mit, dass er wegen Hodenkrebs operiert worden ist. Der 32-Jährige, der im Februar dieses Jahres Vater geworden ist und beim Schweizer Club FC Sion spielt, berichtet, dass die Operation sehr gut verlaufen sei. Der Tumor habe noch nicht gestreut, und er gehe davon aus, in der nächsten Saison wieder fit und gesund auf dem Spielfeld zu sein.

Tatsächlich ist Hodenkrebs oder ein Keimzellentumor, wie er auch genannt wird, der häufigste maligne Tumor beim jungen Mann. Der Altersgipfel liegt zwischen 20 und 40 Jahren, berichtet Mehmet Özsoy, Urologe und Präsident des Berufsverbands der Österreichischen Urologinnen und Urologen. Trotzdem ist der Tumor an sich nicht sehr häufig, zwischen ein und zwei Prozent aller Tumorerkrankungen bei Männern betreffen die Hoden. In Deutschland – aus Österreich gibt es keine genauen Zahlen, die Lage dürfte aber ähnlich sein – erkranken etwa zehn Männer von 100.000 an Hodenkrebs.

Hodentumoren wachsen ziemlich schnell, man sollte deshalb bei Verdacht sofort zum Facharzt oder zur Fachärztin gehen. "Man erkennt einen möglichen Tumor beim Abtasten der Hoden. Er fühlt sich an wie ein Knoten mit knorpelähnlicher Struktur", erklärt Özsoy. Der Arzt erkennt dann bei einem Ultraschall, ob der Verdacht begründet ist. Und Experte Özsoy pocht darauf, dass man regelmäßig, alle ein bis zwei Monate, die eigenen Hoden abtasten soll. So entdeckt man mögliche Veränderungen rasch – vor allem junge Männer, die oft aufgrund ihres Alters denken, sie seien nicht gefährdet.

Extrem gute Heilungschancen

Die Heilungschancen bei diesem Tumor sind extrem hoch, die Überlebensrate nach fünf Jahren beträgt 97 Prozent. Das gilt auch dann, wenn der Tumor bereits gestreut hat, betont Özsoy und nennst das Beispiel des Radfahrers Lance Armstrong: "Als bei ihm 1996 Hodenkrebs festgestellt wurde, hatte er bereits Metastasen in der Lunge und im Gehirn."

Die Therapie besteht aus einer Operation, bei der der betroffene Hoden entfernt wird. In aller Regel wird diese innerhalb einer Woche nach Entdeckung durchgeführt, weil dieses Karzinom so schnell wächst. Je nach Art des Tumors und Ausbreitung kann auch eine Chemotherapie nötig werden, die Ansprechraten sind dabei extrem gut. "Ich sage meinen Patienten immer, das nächste Jahr wird hart, aber danach sind Sie ziemlich sicher wieder gesund", berichtet Özsoy. "Ich gehe davon aus, dass auch Teamtormann Heinz Lindner bald wieder auf dem Spielfeld sein wird."

Warum man Hodenkrebs bekommt, ist nicht ganz klar, sportbedingte Verletzungen oder Belastungen sind definitiv kein Risikofaktor – auch Radfahren nicht, wie das Beispiel von Lance Armstrong vermuten lassen könnte. Es handelt sich dabei schlicht um eine fehlerhafte Reifung der Keimzellen, die zu einer ungebremsten Zellteilung führen. Man weiß, dass es eine genetische Komponente gibt. Ist der Vater an Hodenkrebs erkrankt, ist das Risiko des Sohnes doppelt so hoch. Bei einem betroffenen Bruder erhöht sich das Risiko um das Vierfache, bei einem Zwillingsbruder sogar um das 15- bis 20-Fache. "Ein weiterer Risikofaktor ist ein Hodenhochstand als Kleinkind, vor allem, wenn die Hoden nicht von selbst nach unten gewandert sind", weiß der Experte. Und auch Umweltgifte wie Kunststoffe oder Pestizide dürften das Risiko erhöhen.

Normales Leben danach

Nach einer Heilung kann man im Grunde ganz normal weiterleben, vor allem wenn nur ein Hoden betroffen war. "Wenn der verbleibende Hoden gut funktioniert, ist er normal zeugungsfähig und kann das männliche Geschlechtshormon Testosteron produzieren", weiß Özsoy. Ist eine Chemotherapie nötig, zerstört diese aber auch den zweiten Hoden, die Spermienproduktion funktioniert nicht mehr. Der Urologe empfiehlt deshalb, die Behandlung unbedingt in einem Zentrum durchzuführen, in dem auch Kryokonservierung zur Verfügung steht, damit die Spermien tiefgefroren werden können. "Dann steht einem späteren Kinderwunsch nichts im Weg."

Die Testosteronproduktion bleibt in den allermeisten Fällen auch nach einer Chemotherapie aufrecht. Nur wenn beide Hoden entfernt werden müssen – das kann passieren, allerdings sind nie beide Hoden gleichzeitig betroffen, Özsoy zumindest kennt keinen solchen Fall – kommt die Testosteronproduktion zum Stillstand. Dann sind auch Libido und Erektionsfähigkeit beeinträchtigt. Dieses Problem kann man aber lösen, indem man Testosteron substituiert. Die Substitution ist auch deshalb wichtig, weil das Hormon an vielen anderen Prozessen im Körper beteiligt ist.

Ist die Krankheit an sich geheilt, ist eine gute Nachsorge wichtig, betont Özsoy: "In den ersten fünf Jahren wird regelmäßig Bild- und Blutdiagnostik gemacht, denn vor allem bei bestimmten Tumoren kann es zu Rezidiven kommen." Danach wird das Kontrollnetz etwas weitmaschiger, da es wirklich unwahrscheinlich ist, dass ein weiterer Tumor auftaucht. Nichtsdestoweniger appelliert der Urologe an alle Männer, dass sie regelmäßig zum Urologen oder zur Urologin zur Kontrolluntersuchung gehen – auch junge Männer, denn sie sind von Hodenkrebs am häufigsten betroffen. (Pia Kruckenhauser, 16.5.2023)