Schweiß, Herzrasen und Angstgedanken: Die Symptome von Flugangst reichen von leichtem Unbehagen bis hin zu Panikattacken.

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Beim Fliegen gibt es zwei Arten von Menschen. Nein, die Rede ist nicht von der Unterscheidung zwischen denjenigen, die sofort nach der Landung aufstehen und die Wartezeit bis zum Aussteigen stehend im Gang verbringen, und denjenigen (Vernünftigen), die noch entspannt sitzen bleiben. Auch schon während des Flugs merkt man Unterschiede: Es gibt die Entspannten, die voller Vorfreude auf die Urlaubsdestination noch Reiseführer lesen, Filme schauen, Podcasts hören oder sogar ein Schläfchen einlegen. Und es gibt die Ängstlichen, die zitternd und mit schweißnassen Händen die Sekunden zählen, bis sie endlich wieder Boden unter den Füßen haben.

Zu dieser Gruppe gehören gar nicht so wenige Menschen. Ein Drittel aller Passagierinnen und Passagiere hat Flugangst, noch mehr haben zumindest ein mulmiges Gefühl dabei – und menschheitsgeschichtlich betrachtet ist das auch normal und logisch, findet Irene Rausch: "Fliegen ist für die Menschheit nach wie vor etwas relativ Neues und Ungewöhnliches." Die Klinische Psychologin ist spezialisiert auf die Behandlung von Angststörungen, insbesondere Flugangst, und hat kürzlich ein Buch dazu veröffentlicht, wie Betroffene die Angst vorm Fliegen überwinden können.

Im Kern geht es dabei um die Angst vor dem Kontrollverlust: "Im Auto kann man als Beifahrerin theoretisch die Handbremse ziehen. Wie viel das im Ernstfall bringen würde, sei dahingestellt, der Gedanke beruhigt aber. In einem Flugzeug hingegen ist man der Crew vollkommen ausgeliefert." Dazu kommt, dass oft andere Ängste begleitend auftreten können, etwa das Unwohlsein in engen, geschlossenen Räumen oder die Angst vor Menschenansammlung. Schwitzen, Herzrasen, Angstgedanken sind die Folge, die Symptome von Flugangst reichen von leichtem Unbehagen bis hin zu Panikattacken.

Wie funktionieren Flugzeuge eigentlich?

Auch Begleiterscheinungen beim Fliegen, etwa Turbulenzen, können Unbehagen und Angst auslösen. "Häufig entsteht Flugangst durch unangenehme Erlebnisse wie ein besonders turbulenter Flug", berichtet Rausch. Dabei muss man diese negative Erfahrung gar nicht zwingend selbst gemacht haben. Oft reicht es schon, wenn Freundinnen oder Bekannte von einem besonders angsteinflößendem Flugerlebnis berichten oder man in Medienberichten über ein Unglück liest. Dadurch entsteht im menschlichen Gehirn Angst. Oder mit anderen Worten: "Angst wird immer erlernt." Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch: Man kann Angst wieder verlernen.

Im Kampf gegen die Flugangst ist im ersten Schritt das Wissen über Fliegen und Flugzeuge besonders entscheidend, ist Rausch überzeugt und rät Betroffenen, sich mehr übers Fliegen zu informieren und zu versuchen, die Technik dahinter zu verstehen. Menschen, die Angst vorm Fliegen haben, wissen oft zu wenig darüber, wie sicher diese Fortbewegungsmethode tatsächlich ist, beobachtet Rausch in der Praxis. "Das Gefährlichste an Flugreisen ist die Autofahrt hin zum Flughafen", weiß die Psychologin. Ein Autounfall sei um ein Vielfaches wahrscheinlicher als ein Flugzeugabsturz.

In "Glücklich fliegen" gibt die Klinische und Gesundheitspsychologin Irene Rausch Tipps zur Überwindung von Flugangst. Seifert-Verlag, 200 Seiten, 24 Euro.
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Angstüberwindung ist ein Lernprozess

Im Gegensatz zu vielen anderen Ängsten tritt Flugangst nicht erst in der gefürchteten Situation, also kurz vorm Fliegen, auf, sondern oft schon im Vorfeld. "Betroffene haben häufig schon Wochen im Voraus ein mulmiges Gefühl", sagt die Expertin. Umso wichtiger sei deshalb, sich auch schon im Vorfeld mit der Angst zu befassen und diese nicht zu verdrängen. Neben dem Aneignen von Wissen rät die Klinische Psychologin dazu, den Stress vor Reiseantritt möglichst zu minimieren. "Wer Flugangst hat, sollte sich ausreichend Zeit nehmen, um beruflich und privat alle Dinge abzuschließen und dann rechtzeitig zum Flughafen zu fahren." So bleibe genügend Zeit, sich auf den Flug einzustellen. Und die Expertin empfiehlt mehrere Übungen:

  • Bewusste Entspannung: Atemübungen (angeleitete Übungen findet man etwa in Rauschs Buch "Glücklich fliegen" oder auch auf Audioplattformen wie Spotify) oder Entspannungstechniken können Angstgedanken nachweislich reduzieren. Rausch empfiehlt die progressive Muskelentspannung. Dabei werden Muskelgruppen von Kopf bis Fuß der Reihe nach für sieben bis zehn Sekunden fest angespannt und danach bewusst entspannt. "Diese muskuläre Anspannung wirkt auf das vegetative Nervensystem, der Parasympathikus wird aktiviert und wir entspannen uns", erklärt sie.
  • Ablenkung und/oder Faktencheck: Das menschliche Gehirn ist kein Multitasker, es kann sich nur auf eine Sache konzentrieren. Wenn man Angst hat, kann es deshalb helfen, das Gehirn bewusst mit etwas anderem zu beschäftigen, etwa mit einem Sudoku oder Kreuzworträtsel – Hauptsache es ist etwas, bei dem man sich ein bisschen konzentrieren muss, damit das Gehirn keine Kapazität mehr für Angst hat. Bei manchen funktioniert diese Taktik gut, weiß Rausch, aber bei anderen ist die Angst so groß, dass sie sich trotz Ablenkung immer wieder in den Vordergrund drängt. Die Expertin rät daher, die Gedanken nicht Beiseite zu schieben, sondern sie auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen und die Angstgefühle vorbeiziehen zu lassen.
  • Gedankenkontrolle: Bei Ängsten geht es immer darum, dass die Gedanken entgleisen. "Die eigenen Gedanken können sich anfühlen wie ein wild gewordenes Pferd, das man einfach nicht mehr in den Griff bekommt. Umso wichtiger ist es, die Zügel in die Hand zu nehmen und wieder Herr oder Frau über die eigenen Gedanken zu werden", sagt Rausch. Es könne helfen, der eigenen Gedankenwelt eine Alternative zu den Angstgedanken zu geben und sich bewusst immer und immer wieder einen positiven Ablauf des Fluges durchzudenken. Driftet man wieder in Angstgefühle hab, lenkt man die Gedanken wieder zurück auf die positive Vorstellung.

Die Tipps mögen banal klingen, aber wer sich – sowohl gedanklich als auch tatsächlich – immer wieder der Flugangst stellt, könne sie gut überwinden. "Es ist ein Lernprozess", sagt Rausch. Betroffene haben über viele Jahre Flugangst "gelernt", sie wieder aktiv zu verlernen kann dauern. "Seien Sie also geduldig mit sich", rät die Expertin, am Ende zahle es sich aus. "Angst kann man überwinden, und das Bewältigen der bisher quälenden Gefühle kann zu großer Freude führen." (Magdalena Pötsch, 23.5.2023)