Mit Kapitänin Jasmin Eder schaffte St. Pölten den Einzug in die Gruppenphase der Champions League.

Foto: GEPA pictures/ Johannes Friedl

Man könnte fast sagen, Jasmin Eder kommt aus dem Rosario Wiens. Sie wächst im 22. Bezirk auf, nur ein paar Meter weiter trat David Alaba erstmals gegen einen Ball, und auch Teamspielerin Virginia Kirchberger kommt aus dem Grätzl. Während Alaba und Kirchberger noch nicht genug haben, hängt Eder die Fußballschuhe nun an den Nagel.

STANDARD: Tauschen wir vielleicht zu Beginn die Rollen. Welche Frage würden Sie sich selbst zum Karriereende als die erste stellen?

Eder: Geht’s Ihnen gut? Sind Sie glücklich und zufrieden?

STANDARD: Okay: Geht’s Ihnen gut? Sind Sie glücklich und zufrieden?

Eder: Mir geht es gut. Ich bin zufrieden mit dem, was ich alles erlebt habe. Aber man ist in erster Linie ein Mensch, es ist egal, ob ich Fußball gespielt habe, Eiskunstläuferin war oder da drüben die Hecke geschnitten habe. Der Fußball war ein großer Teil meines Lebens, für den ich sehr viel Kraft und Ressourcen aufgebracht habe – auf und neben dem Platz. Und der endet jetzt. Ich bin froh, dass ich die Möglichkeit hatte, das alles erleben zu dürfen, die schönen Momente, aber auch die harten Zeiten.

STANDARD: Sie beenden mit 30 Ihre Karriere. Das ist recht früh. Warum gerade jetzt?

Eder: Ich habe mir im Winter erstmals drei Wochen freigenommen und die Zeit zum Nachdenken genutzt. Dabei konnte ich die letzten Monate in Ruhe reflektieren, was alles für Meilensteine passiert sind. Es hat sich ein Bauchgefühl entwickelt. Es ist die richtige Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt für mich.

STANDARD: Es gibt Sportlerinnen und Sportler, die das Karriereende mit einer Entlassung aus einem Gefängnis vergleichen.

Eder: So hart würde ich es nicht ausdrücken. Natürlich verlangt es einem viel ab, aber man bekommt auch sehr viel zurück. Ich muss sagen, ich freue mich drauf. Bei all den schönen Seiten, die der Sport zu bieten hat, bedeutet er auch vor allem Verzicht. Und es sind die kleinen Dinge: Ich wohne im Umkreis von zwei Kilometern von meiner Familie und sehe sie alle paar Wochen. Meine Nichte kommt jetzt in die Schule, und wenn meine Schwester mich anruft und fragt, ob ich sie abholen könnte, freue ich mich, ab Sommer sagen zu können: Sehr gerne, ich habe Zeit!

STANDARD: Eine klassische Frage zum Karriereende: Bereuen Sie etwas?

Eder: Nein. Natürlich gibt es Entscheidungen, die ich anders hätte treffen können, aber im Nachhinein hat mich alles menschlich und sportlich besser gemacht.

STANDARD: Sie sind Teil der Generation, die den Frauenfußball in Österreich geprägt hat. Was hat sich verändert?

Eder: Als ich mit dem Fußball begonnen habe, war es eigentlich unvorstellbar, dass da ein Mädchen mit einem Ball herumläuft. Ich wollte als Kind in die Fußballklasse im Gymnasium Polgarstraße, und meine Mama hat große Überredungsarbeit leisten müssen, dass ich überhaupt zum Aufnahmetraining darf. Mittlerweile ist es schon eher selbstverständlich, obwohl wir natürlich noch nicht dort sind, wo wir hinwollen.

STANDARD: Die EM 2017 war für das allgemeine Interesse ein Meilenstein.

Eder: Ich denke, es war das erste Mal, dass die Öffentlichkeit hier mitbekommen hat, dass Frauen auch guten Fußball spielen. Abgesehen davon sind wir mit dem Erfolg ja auch für etwas Gesellschaftliches gestanden. Das wiederum hat uns den Mut gegeben, diesen Weg weiterzugehen.

STANDARD: Man hat es trotz zweier guter Europameisterschaften irgendwie nicht geschafft, die Euphorie beizubehalten. Warum?

Eder: Ich glaube, hier gibt es mehrere Faktoren. Vielleicht dauert es hier einfach ein bisschen länger. Aber es braucht weiter die Sichtbarkeit.

STANDARD: International gibt es Zuschauerrekorde. Denken Sie sich manchmal, dass Sie vielleicht zehn Jahre zu früh geboren wurden?

Eder: Ja, daran habe ich schon gedacht. Aber es ist auch einfach schön, den Aufschwung jetzt mitanzusehen.

STANDARD: Und dennoch muss sich der Frauenfußball immer wieder den Vergleich mit den Männern gefallen lassen.

Eder: Natürlich ist es ermüdend, aber die Antwort bleibt auch immer die gleiche: Ja, es gibt anatomische Unterschiede und andere Voraussetzungen. In anderen Sportarten wird aber auch nicht verglichen.

STANDARD: Am Ende stehen 55 Länderspiele und ein Tor. Hätten Sie sich da mehr erwartet?

Eder: Natürlich könnte ich aufgrund der langen Zeit, die ich beim Team war, wesentlich mehr Länderspiele am Buckel haben. Und es wäre sicherlich der einfachere Weg gewesen, die Schuld bei den Verantwortlichen zu suchen. Aber der Typ war ich nie. Aber ich habe immer versucht, das Feedback umzusetzen und weiter an mir zu arbeiten. Als ich gegen Frankreich endlich 90 Minuten gespielt habe, musste ich weinen. Nicht weil wir verloren haben, sondern weil es für mich persönlich ein Meilenstein war. Der Matchball liegt noch immer bei mir zu Hause.

STANDARD: Sie beenden Ihre Karriere nach zehn Jahren beim SKN, die meiste Zeit als Kapitänin, vergangenes Jahr erreichte man die Gruppenphase der Champions League.

Eder: Es war ein großes Ziel und das Ergebnis harter, jahrelanger Arbeit. Für mich persönlich auch noch einmal das letzte "Hakerl" auf der Liste an Dingen, die ich erreichen wollte.

STANDARD: Was sind Ihre Wünsche für den Frauenfußball in Österreich?

Eder: Ich würde mir wünschen, dass Frauenfußball einfach als Fußball wahrgenommen wird. Ohne Vergleiche, ohne Debatten, was jetzt besser ist. (Andreas Hagenauer, Laura Rieger, 17.5.2023)