Was die Lackierung betrifft, sind inzwischen fast alle Fahrzeugtypen auf ÖBB-Design gebracht. Schritt für Schritt werden Schnellbahnen und Doppelstockzüge nun durch moderneres Rollmaterial ersetzt.

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Wien – Die ÖBB rühmt sich, ihren Fuhrpark um Rollmaterial im Volumen von 4,7 Milliarden Euro aufzurüsten. Wofür im Detail die Milliarden in den nächsten Jahren ausgegeben werden, dazu gibt sich die Staatsbahn zugeknöpft – obwohl es sich um Staatsgeld handelt, mit dem neue Triebfahrzeuge, Schnellbahn- und Doppelstockzüge für Nah-, Regional- und Fernverkehrszüge angeschafft werden.

DER STANDARD versucht eine Annäherung und hat die wichtigsten Anschaffungen zusammengetragen. Einige davon lassen sich kaum beziffern, weil es sich um Abrufe aus bereits bestehenden Rahmenverträgen handelt. Bei neuen Ausschreibungen, deren Vergabeverfahren noch im Gange sind, gibt es aus Gründen der Geheimhaltung bisweilen weder Volumina noch Kostenrahmen.

Fest steht: Billiger wird es nicht. Denn die Teuerung fährt bei den Beschaffungen über mehrere Jahre via Preisgleitklausel voll ein.

· Bis zu 120 Batterie- bzw. Hybridzüge für den Nah- und Regionalverkehr stecken noch im Vergabeverfahren. Sie sollen mittelfristig die auf Nebenbahnen im Einsatz befindlichen Dieseltriebzüge ersetzen. Kostenpunkt: Staatsgeheimnis.

Modernisierung Nah- und Regionalverkehrsflotte

· Grundsätzlich bestätigt, aber ebenfalls noch im öffentlichen Vergabeprozess sind bis zu 540 Züge für die Modernisierung des Nahverkehrs sowie Garnituren für den Regioverkehr (inneralpiner Fernverkehr). Welche Modelle darunter konkret zu verstehen sind, ist Staatsgeheimnis. Mit der Materie vertraute Eisenbahner gehen angesichts der Menge davon aus, dass es sich um Ersatz für die in die Jahre gekommenen Regionalzüge des Typs Talent-2 handelt, die seit gut 20 Jahren im Einsatz sind. Um das sich seit Monaten schleppende Vergabeverfahren (die Ausschreibung startete 2021) nicht zu beeinflussen und vor allem den Preis nicht in die Höhe zu treiben, will die ÖBB weder das geschätzte Volumen des angepeilten Rahmenvertrags noch Zeitraum und Tranchen mit dazugehörigen Auslieferungszeiträumen kommunizieren. Der Kaufpreis pro Stück ist schwer zu schätzen, denn es handelt sich halbe-halbe um Elektrotriebzüge mit 75 und 100 Metern Länge.

Einzig die blau-gelben S-Bahn-Züge in Wien sind noch nicht rot-weiß lackiert. Sie werden vorher ausgemustert – sofern das neue Wagenmaterial bald anrollt.
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· In Auslieferung und in Vorarlberg bereits im Einsatz sind 46 Schnellbahngarnituren für Tirol und Vorarlberg des Typs Desiro ML von Siemens. Sie sind der Ersatz für die völlig aus dem Takt geratene und letztlich widerrufene Bestellung bei Bombardier/Alstom, die letztlich an der zeitgerechten Zulassung durch nationale und europäische Behörden scheiterte. Wer schuld ist am Debakel mit den in Hennigsdorf in Brandenburg gefertigten Talent-3-Elektrotriebzügen von der inzwischen zu Alstom gehörenden Bombardier ist Gegenstand eines Schiedsverfahrens.

Klar ist, dass dies erhebliche Mehrkosten verursacht hat. Denn zumindest die erste Tranche von 25 Desiro-Zügen von Siemens musste im Eilverfahren vonstatten gehen, um die von Bombardier aufgrund der wohlbekannten Zulassungsprobleme nie gelieferten Talent-3-Züge für Vorarlberg und Tirol zu ersetzen. Der Notauftrag wurde von Branchenkennern auf gut 250 Millionen Euro taxiert.

Probleme bei der Zulassung

· Ebenfalls im Zulassungsprozess stecken insgesamt 33 Nachtzüge ("Nightjets") um rund 700 Millionen Euro sowie acht Schnellzüge des Typs Railjet (beides von Siemens), die im Italienverkehr zwischen München und Verona zum Einsatz kommen sollen. Die Ausschreibung erfolgte 2016, der Zuschlag wurde 2018 erteilt – an Siemens. Beide Zugtypen wurden in Tranchen bestellt, die Auslieferung verzögerte sich aufgrund von Lieferproblemen. Nun wird der Einsatz der neuen Rail- und Nightjets im Herbst erwartet, spätestens bis zum Fahrplanwechsel im Dezember sollten die ersten Fahrzeuge da sein.

· Im Anrollen ist auch Ersatz für die einst als "Wieselzüge" eingeführten Doppelstock-Triebzüge in der Ostregion in Wien und Niederösterreich. Bei Stadler Rail bestellt sind 41 Doppelstockzüge im Gesamtwert von rund 600 Millionen Euro. Weitere Abrufe aus dem Rahmenvertrag mit Stadler Rail über insgesamt bis zu 186 Züge (im Wert von bis zu drei Milliarden Euro) sind dem Vernehmen nach in der Pipeline.

Doppelstock im Fernverkehr

· Aus eben diesem Rahmenvertrag mit Stadler Rail kommt dem Vernehmen nach demnächst eine ÖBB-Premiere: 20 Doppelstockzüge für den Fernverkehr, deren Wert von ÖBB-Insidern auf rund 450 Millionen Euro taxiert wird.

· Mit rund 70 Millionen Euro vergleichsweise klein, aber umso wichtiger ist die Aufrüstung von Triebfahrzeugen mit der neueren Version des Zugsicherungssystems ETCS (Baseline 3.6). Die Zuschlagsvergabe wird demnächst erwartet.

· 49 Lokomotiven des Typs Vectron von Siemens sind noch aus dem bis 2027 laufenden Rahmenvertrag mit der für Traktion zuständigen ÖBB-Produktion über bis zu 200 Güterloks abrufbar. Davon 113 sind auf Schiene, bis Februar 2025 kommen weitere 38 Stück.

Außer Konkurrenz

· Außer Konkurrenz, weil für die für Verschub zuständige ÖBB-Infrastruktur, aber in der Pipeline sind laut Insidern bis zu 200 Verschubloks. In einem ersten Schritt sollen dem Vernehmen nach an die 30 Triebfahrzeuge abgerufen werden. Kostenpunkt? Fehlanzeige, wird ebenso wenig bekanntgegeben wie der Umfang dieses Ausschreibungsprojekts. Dieses Verfahren wird in der gesamten Bahnbranche mit Argusaugen verfolgt. Dem Vernehmen nach ist unter den Bietern Vossloh in Kiel, die zum chinesischen Bahngiganten CRRC gehört. Das wäre die erste Vergabe einer europäischen Staatsbahn, bei der ein chinesischer Hersteller mitbietet. Allerdings liege die für das Fahrzeug notwendige Zulassung noch nicht vor, wie es in der Bahnausrüsterbranche heißt. Selbige wird übrigens mithilfe des Ungarn-Ablegers RCH beantragt, einer Tochter der ÖBB-Güterbahn RCA. Probleme gibt es, wie man hört, beim Schall und der elektromagnetischen Kompatibilität mit dem europäischen Bahnsystem.

· In den 4,7 Milliarden Euro nicht enthalten sind laut Angaben der ÖBB auch die 50 Hochleistungs-Instandhaltungsfahrzeuge und sechs Steuerwagen von Plasser & Theurer für die ÖBB-Infrastruktur. Der Wert dieses Auftrags beträgt ca. 247 Millionen Euro. Für zusätzlich 46 Hochleistungs-Instandhaltungsfahrzeuge bestehe eine Kaufoption. Bei den Fahrzeugen handelt es sich um Turmwagen und Oberbauwagen mit einem innovativen Elektro-Hybrid-Antrieb, die künftig bei Montageleistungen sowie Inspektions- und Wartungsarbeiten zum Einsatz kommen.

Außerdem hat der für Erhaltung, Betrieb und Bau des Schienennetzes zuständige Teilkonzern ÖBB-Infrastruktur 18 Lösch- und Tunnelrettungszüge mit einem Volumen von rund 230 Millionen Euro geordert, die ersten fünf bereits im Jahr 2020, weitere 13 im Jahr 2021. Auch sie seien im 4,7 Milliarden Euro schweren Investitionspaket nicht enthalten, heißt es. (Luise Ungerboeck, 17.5.2023)