Der Chemiekonzern BASF in Ludwigshafen ist einer der größten Gasverbraucher Europas. Die gestiegenen Energiekosten verschlechtern die Wettbewerbsfähigkeit auch vieler exportorientierter Unternehmen in der EU.

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Die höheren Energiepreise sind offenbar gekommen, um zu bleiben. Das hat zum einen mit dem wohl dauerhaften Wegfall großer Mengen russischen Pipelinegases zu tun. Wegen vergleichsweise günstiger Preise vermochten Industrieunternehmen in weiten Teilen Europas, insbesondere aber in Deutschland und Österreich, über Jahrzehnte daraus erhebliche Kostenvorteile zu ziehen, zumal auch niedrige Strompreise damit einhergegangen sind.

Zum anderen ist davon auszugehen, dass der Umbau des Energiesystems von einem fossilen auf ein erneuerbares und der enorme Zusatzbedarf an CO2-frei hergestellter elektrischer Energie, die zur Dekarbonisierung von Verkehr und Raumwärme nötig ist, die Strompreise nie wieder auf Vorkrisenniveau sinken lassen wird. Davon geht jedenfalls die Mehrzahl der Experten aus.

Eine Studie des Beratungsunternehmens Boston Consulting Group (BCG) zeigt nun, dass viele Player in der Industrie das Ausmaß des längerfristigen Anstiegs der Energiepreise über Vorkrisenniveau unterschätzen. Dies trifft insbesondere auf Deutschland zu, das ein stark exportorientiertes Kernland der Industrie in Europa ist.

Energiepreissockel höher als vor der Krise

Während diverse Schätzungen davon ausgehen, dass die Gaspreise in Europa im Jahr 2030 um etwa 50 bis 100 Prozent höher liegen als noch im Jahr 2020 und folglich 20 bis 40 Euro je Megawattstunde (MWh) ausmachen werden, rechnen laut der Studie rund die Hälfte bis drei Viertel der Industrieunternehmen mit einem Anstieg um lediglich elf bis 50 Prozent. Nur etwas mehr als jedes dritte Unternehmen (36 Prozent) habe bisher proaktiv Maßnahmen zur besseren Bewältigung der Energiekrise gesetzt.

Verflüssigtes Erdgas, sogenanntes LNG, werde die nächsten Jahre in Europa der wichtigste Ersatz für russisches Pipelinegas sein. Weil dies aber per Schiff von weither angeschafft werden muss und durch diverse Bearbeitungsschritte an sich schon teurer ist als Erdgas, das durch bereits errichtete und zum Teil längst abgeschriebene Leitungen transportiert wird, sei der Kostennachteil permanent und erheblich. Importiertes LNG sei zwei- bis dreimal teurer als russisches Pipelinegas.

Auf Stärken besinnen

Folglich sollte sich Europa darauf besinnen, was seine Stärken sind, um strukturelle Wettbewerbsnachteile gegenüber den USA und China aufgrund des höheren Energiepreissockels zumindest teilweise auszugleichen. Abgesehen von fossilen Energieträgern sei Europa bei vielen nachhaltigen Technologien wie beispielsweise erneuerbaren Energien und grünem Wasserstoff im Vergleich zu Ländern wie USA und China weitgehend wettbewerbsfähig, was die Kosten betrifft. Das geht aus der Studie hervor, die dem STANDARD vorliegt. Damit könnte der Wettbewerbsnachteil verringert werden.

Die Politik sei angehalten, die Nachfrage durch ein umweltfreundliches öffentliches Beschaffungswesen, entsprechende Produktstandards sowie Quoten zu steigern und den Übergang finanziell zu unterstützen, meinen die Studienautoren. Die Unternehmen sollten ihrerseits nicht nur kurzfristige Krisenbewältigung betreiben, sondern darüber hinausgehen und die Entwicklung sowie Erschließung grüner Märkte forcieren. (Günther Strobl, 18.5.2023)