Es ist gar nicht so einfach, das Gedankenkarussell einmal abzuschalten. Vielen gelingt es in der Natur am besten. Und beim Meditieren. Das kann man üben – und bald auch im Alltag auf die beruhigende Wirkung, die dabei entsteht, zugreifen.

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Keanu Reeves tut es. Hugh Jackman auch. Ebenso wie Katy Perry und Lady Gaga. Sie meditieren. Aber auch Linkedin-Chef Jeff Weiner setzt aufs Abschalten, ebenso wie Arianna Huffington, Mitbegründerin der "Huffington Post", oder Talkmasterin Oprah Winfrey. Ihre Gründe dafür sind vielfältig. Katy Perry etwa hat es geholfen, in depressiven Phasen Ängste zu überwinden. Lady Gaga kann dadurch besser mit den Schmerzen aufgrund ihrer Fibromyalgie-Erkrankung umgehen. Jeff Weiner nimmt sich täglich eine kurze Auszeit, um zu sich zu kommen. Er schätzt diese kleinen Inseln, wenn es nicht darum geht, zu reagieren, sondern Zeit für sich zu haben. Hugh Jackman hilft es, zu sich zu kommen und ein besseres Verständnis für die eigenen Bedürfnisse zu entwickeln.

Die Gründe, warum Menschen meditieren, sind so unterschiedlich wie die Wege, wie man die innere, oft beurteilende Stimme und die eigenen Gedanken zur Ruhe bringt. Man kann in eine Meditationsgruppe gehen, man kann Yoga machen oder wandern gehen – beides ist für viele eine Art bewegte Meditation –, man kann tanzen, oder man setzt sich einfach hin und lässt symbolisch jeden Gedanken, der aufpoppt, auf einer kleinen Wolke weiterziehen, ohne ihn zu bewerten und ohne ihn weiterzuverfolgen.

Meditation kann aber noch viel mehr, als die Gedanken zur Ruhe zu bringen. Der Herzschlag verlangsamt sich dabei, der Blutdruck sinkt, die Muskeln entspannen. Und bereits nach wenigen Wochen Praxis nimmt die Dichte der Gehirnsynapsen zu, der somatosensorische und der insuläre Cortex vergrößern sich. Dadurch werden etwa Emotionen wie Mitgefühl verstärkt. Wie Meditation körperliche und geistige Gesundheit verändert und was sie genau bewirkt, dazu gibt es mittlerweile tausende Studien. Und sie alle eint die Erkenntnis, dass sich diese Technik umfassend positiv auswirkt. Doch was passiert beim Meditieren konkret?

Völlige Präsenz

"Beim Meditieren übt man, im Hier und Jetzt zu sein", bringt es Mariella Leydolt, diplomierte Meditations- und Achtsamkeitslehrerin und Gesundheitstrainerin vom Meditationsnetzwerk Österreich, auf den Punkt. "Die Vergangenheit ist bereits vorbei, alles was bis vor einem Moment passiert ist, ist eine Erinnerung. Die Zukunft ist nur eine Idee. Das Jetzt ist der einzige Moment, in dem ich handlungsfähig bin. Beim Meditieren mache ich mir diesen Augenblick immer öfter bewusst." Wenn die Gedanken nicht permanent vor und zurück rasen müssen, verbraucht man außerdem weniger Energie, dadurch ist man nicht so erschöpft und entspannt leichter.

All das kann man auch messen, Achtsamkeitsmeditation wird mittlerweile etwa erfolgreich bei der Behandlung körperlicher und psychischer Erkrankungen eingesetzt. "Während des Meditierens wird weniger vom Stresshormon Cortisol ausgeschüttet, dadurch werden unter anderem die Nervenzellen im Hippocampus geschont und können sich auch regenerieren", weiß Leydolt. Dazu kommt die bewusste, tiefe Atmung in den Bauch. Man nimmt dabei 50 bis 75 Liter Sauerstoff pro Minute auf, im Gegensatz zur meist flachen Brustatmung im Alltag, bei der man lediglich sieben bis zehn Liter pro Minute einatmet. "Davon profitiert jede Zelle, von der Zehe bis zum Gehirn."

Und auch bei Depressionen und Ängsten ist Meditation hilfreich. "Durch die Konzentration auf den Moment kann man lernen, Gedankenspiralen zu durchbrechen", betont Leydolt.

Geduld und Ausdauer

Meditation ist übrigens für alle Menschen geeignet, alleine schon deshalb, weil es so viele unterschiedliche Möglichkeiten gibt – auch wenn die meisten damit das ruhige Sitzen im Schneidersitz verbinden. Leydolt berichtet: "Für alle, die sich gerne bewegen, gibt es Bewegungs-, Tanz- oder Gehmeditationen. Für Schwangere, Long-Covid- oder COPD-Betroffene eignen sich Summ-Meditationen oder Mantrasingen. Andere genießen die Stille der sitzenden Meditation, wie etwa das buddhistische Zazen." Zu all diesen Formen gibt es Kurse mit ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern. Wer in unterschiedliche Methoden hineinschnuppern will, kann sich jetzt schon den 28.10. im Kalender notieren. Es ist zwar noch eine Weile hin, aber dann findet in Wien die Lange Nacht der Meditation statt.

Man kann es natürlich auch ganz für sich alleine probieren. Den ultimativen Trick, wie es funktioniert, gibt es aber leider nicht, man lernt es am besten durch Übung. Meditationslehrerin Leydolt vergleicht es mit Fitnesstraining: "So wie es im Fitnesscenter eine Weile braucht, bis der Körper richtig fit ist, sind auch Geduld und Ausdauer nötig, wenn man den Geist trainiert." Das ist auch der Grund, warum sich viele beim Einsteigen Hilfe holen.

Trotzdem gibt es ein paar Tipps: Man setzt sich aufrecht, mit geradem Rücken hin. Das kann auf dem Boden im Schneidersitz sein oder auf einem Sessel. Der Ort ist egal, nur aufrecht sollte man sein, damit die Körperspannung passt. Dann fällt die Konzentration leichter, und vor allem die tiefe Atmung in den Bauchraum gelingt. Alle Ablenkungen werden beiseitegelegt, das Handy idealerweise auf stumm gestellt. Nun gibt es verschiedene Möglichkeiten: Man lässt die Gedanken einfach weiterziehen, man überlegt sich zehn Dinge, für die man dankbar ist, man kann aber auch auf eine Meditationsreise gehen, in verschiedenen Apps wie etwa "Headspace" oder auf Youtube gibt es zahlreiche Anleitungen. Fällt einem das Weiterziehenlassen der Gedanken schwer, kann man jeden Gedanken symbolisch davonfliegen lassen. Oder man zählt die eigenen Atemzüge, jeweils bis zehn, dann beginnt man wieder von vorne. Das alles sollte ohne Druck passieren. Es ist egal, wenn man aus seiner Konzentration herausfällt, man beginnt einfach wieder von vorne. Und jedes Mal schafft man es ein bisschen länger.

In den meisten Traditionen wird der Fokus zu Beginn auf den Körper und die Atmung gelegt: "Die sind nämlich genau dort, wo auch der Geist sein soll, im Hier und Jetzt." Um diese Präsenz zu schärfen, empfiehlt Leydolt eine kleine Übung: "Stellen Sie sich den Handywecker einmal in der Stunde. Wenn er läutet atmen Sie zehn Mal tief und bewusst ein und aus und zählen dabei bis zehn. Lassen Sie sich nicht ablenken und versuchen Sie, nicht den Faden zu verlieren dabei. Das ist tatsächlich gar nicht so einfach, aber der Erholungseffekt ist erstaunlich."

Mehr ist mehr

Wie oft man meditieren soll, dafür gibt es übrigens keine Regel, aber je öfter man es tut, desto besser. Wie auch beim Fitnesstraining kann es sich ganz gut anfühlen, einmal ein paar Minuten die Gedanken ziehen zu lassen, aber man erreicht damit nichts Nachhaltiges – und ist womöglich frustriert, weil sich die vielfach beschworene Wirkung nicht einstellt. Wer dagegen regelmäßig – und idealerweise täglich – übt, kann bald auch schon im Alltag auf die neue Präsenz und das Bewusstsein zugreifen. Viel Zeit braucht man dafür nicht, ein paar Minuten reichen. Dafür bekommt man mehr Bezug zu sich selbst und der Welt, fühlt mehr Verbundenheit. Leydolt empfiehlt sogar eine Morgen- und Abendroutine, ähnlich wie das Zähneputzen: "Die Überwindung ist am Anfang groß, aber hat man die positive Wirkung einmal gespürt, möchte man das nicht mehr missen. Das Zufriedenheitsgefühl ist wunderbar."

Und auch im restlichen Leben spürt man die Veränderung bald. Man wird bewusster, fokussierter und durch die Konzentration entspannter. "Das klingt vielleicht wie ein Widerspruch", sagt Leydolt, "ist aber keiner. Die 'Monkey-Mind', also das Gedankenkarussell, das sich permanent im Hirn dreht, kostet viel mehr Kraft als ein Geist, der besonnen und bewusst ist. Der Unterschied ist ähnlich wie aufgewühltes trübes Wasser im Gegensatz zu ruhigem Wasser, das klar ist und durch das man bis auf den Grund sieht. Ich reagiere dann nicht nur auf Umwelt und Umstände, oft sogar unbewusst, sondern ich agiere bewusst von innen." Dadurch schult man auch das eigene Körperbewusstsein: Man lernt zu spüren, was einem guttut, wofür man dankbar ist, was einem schadet und wann einem etwas zu viel ist. Man wird feinfühliger für sich selbst, aber auch für andere. "Damit aktiviert man den inneren Doktor und das Mitgefühl." (Pia Kruckenhauser, 21.5.2023)