Warum schaffen es selbst einstige Karrierefrauen nicht, in ihrer Partnerschaft für Umverteilung zu sorgen?

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"Ich bin leider schon ausgebucht", schreibt eine Mutter ihrem Kunden. Dass sie in Karenz ist, lässt die Selbstständige lieber unerwähnt. Die preisgekrönte Journalistin Corinna Milborn erzählt im Rahmen einer Festrede von dem Ratschlag ihrer Kollegin: "Sag nie, dass du deine Kinder abholen musst. Sag immer, dass du ein Informantentreffen hast."

Es gibt ein weitverbreitetes Unbehagen, das Mütter erfasst, sobald sie im Arbeitsumfeld von ihren Betreuungspflichten sprechen. "Wenn du sagen würdest, dass du dir den Knöchel verstaucht hast, käme das besser an. Kinderbetreuung ist nicht sexy", weiß die Mama-Podcasterin Ivana Cucujkic-Panic. "Im Job wird einem da schnell die Kompetenz abgesprochen." Wenn Kinder klein sind, sind sie zudem meist eines: krank. So gehört es zur Realität von Eltern, dass Mitte des Jahres der Pflegeurlaub aufgebraucht ist, die eigenen Krankheitstage sich dazuaddieren und das schlechte Gewissen gegenüber den Kollegen belastend wird. Wer dann noch um Meetings am Vormittag bittet, weil nachmittags die Kinder von der Schule und dem Kindergarten geholt werden müssen, den überfällt nicht selten eines: Scham.

Vereinbarkeit betrifft vor allem Frauen, über 50 Prozent arbeiteten 2022 in Teilzeit. Gerade Alleinerziehende haben das Gefühl, arbeiten zu müssen, als hätten sie keine Kinder, und Mama zu sein, als hätten sie keinen Job. Aber auch Frauen mit Partner erleben in der Rolle der "Working Mom" einen auslaugenden Druck. Denn ja, Männer beteiligen sich mehr, aber nein, es reicht nicht. Mit "Mental Load" gibt es einen Begriff für die Mütter-Erschöpfung – und eine Erklärung für ihre Versagensgefühle und die damit verbundene Scham. "Ich ziehe Bilanz, nach fünf Jahren mit Kindern bin ich vor allem eines: ziemlich fertig", so beginnt Ivana Cucujkic-Panic ihren neuen Podcast. Der Titel der Reihe: "Mutti ist kaputti". Die Familienmanagerin von zwei Kleinkindern will den Mutter-Job gut machen, doch wie die meisten in ihrer Funktion hat sie das Gefühl, es reiche nie aus. Neben unendlichen To-do-Listen liegt ja auch das Familienglück auf ihrem Tisch.

Gesellschaft:
"Eine Mutter ist glücklich!"
Der Arbeitsminister:
"Vollzeit bitte!"
Instagram:
"Jammer nicht, alles rosa!"
Sie selbst:
"Gummistiefel für den Kindergarten nicht vergessen!"
Der Feminismus:
"Denk an deine Pension!"
Sie selbst:
"Klar, Powerpoint mach ich auch noch!"

Das Vollzeit-Dramolett

Das Phänomen des "Mom-Shaming" beschränkt sich längst nicht nur auf die Frage "Stillen oder Fläschchen?" und die Krux mit dem After-Birth-Body. Gerade beim Wiedereinstieg in den Job erleben Frauen Schuldgefühle. Einerseits weil ihre Leistungskapazität nicht mehr dieselbe ist und sie das oft kompensieren – auf Kosten ihrer Kräfte oder der Familienzeit. Wer hat nicht schon schlechten Gewissens Paw Patrol im Homeoffice eingeschaltet? Andererseits weil Strukturen und Verständnis für die Situation von Eltern in der Arbeitswelt fehlen. Von Anerkennung ganz zu schweigen. "Wir können Kinderlose und Eltern nicht als gleiche Ressource behandeln", sagt Mari Lang. Die Journalistin beschäftigt sich in ihrer Arbeit viel mit Vereinbarkeitsfragen. "Eltern tun einen Dienst an der Gesellschaft." Für Lang gehört Care-Arbeit bezahlt. "Kinder sind kein Hobby, sondern der Fortbestand der Menschheit."

Doch die Vision des Arbeitsministers ist eine andere. Anfang März erklärte Martin Kocher im Hauptabendprogramm, dass die allzu zahlreichen Teilzeitmütter doch Vollzeit arbeiten sollten. Zur Rettung der Wirtschaft. Natürlich bräuchte es dazu kostenlose, ganzjährige und ganztägige Kinderbetreuungsstätten – 2023 eine angemessene Erkenntnis. Mit seiner Vollzeitlösung für beide Eltern löst der kinderlose Minister eine Debatte aus, die jedoch wie meist bei Kinderthemen – alias Frauenthemen – schneller verpufft als ein Kinderfieber. Nicht sexy eben.

Dabei fordern Feministinnen schon lange eine rasche Rückkehr in die Vollzeitstelle, um Frauen vor der weiblichen Altersarmut zu bewahren, die erschreckend hoch ist. Doch diesem Damoklesschwert zum Trotz zeigt eine Studie Anfang des Jahres: In Österreich ist nur jede dritte Frau mit einem Kind unter drei Jahren berufstätig. Das Motiv: Sie wollen es so. Fehlende Betreuungsoptionen seien zweitrangig. Sofort wird mit dem Finger gezeigt: "Wie können sie das nur wollen!"

Werden Frauen als Mütter faul? Verraten sie den Feminismus zum eigenen Übel und lassen die Wirtschaft hängen? Warum schaffen es selbst einstige Karrierefrauen nicht, in ihrer Partnerschaft für Umverteilung zu sorgen?! Selbst wenn der Gender-Pay-Gap zwischen Mutter und Vater keine Rolle spielt. Das Shaming ist vielfältig. "Es ist eine Illusion der Wirtschaft und Teilen des Feminismus anzunehmen, dass man, sobald man das Kind ‚rausgeboren‘ hat, es sofort irgendwo abgibt", sagt Mari Lang, die selbst Mutter von zwei Kindern ist. Elternschaft und Vollzeit seien nicht vereinbar, jedenfalls nicht für beide Elternteile.

Sind Sie ein "Trad-Wife"?

Zudem pusht der Zeitgeist in eine andere Richtung. Es gilt das hohe Ideal des Stillens, Eltern wollen "bonden", tragen das Baby in der Bauchtrage, und das Familienbett wird zum Must-have. Die Bedürfnisorientierung am Kind gilt. Die Biologie der Mutter dagegen nicht. "Frauen brauchen nach Schwangerschaft und Geburt mentale und körperliche Regeneration", sagt Ivana Cucujkic-Panic. "Das wird nicht gesehen." Stattdessen werde Hochleistung erwartet. Und nicht zuletzt passt Vollzeitarbeit nicht in das Bild der "guten Mutter", erläutert die Soziologin Eva-Maria Schmidt von der Universität Wien. Karrieremamas werden in Österreich geshamt. Da heißt es: "Muss sie oder will sie arbeiten?" so Schmidt. Letztere mag zwar als perfekte Frau gelten, eine die Karriere und Kinder vereint, als "gute Mutter" wird sie nicht unbedingt angesehen: "Sie wird bereuen!" Das Revival der "Trad-Wifes" – jenes Abfeiern des traditionellen 50er-Jahre-Frauenbildes auf Tiktok – findet auch in Österreich Erfolg.

Zur "guten Mutter" gehöre auch, glücklich zu sein, sagt Schmidt. Aber genau dieses Ideal bedienen viele Mütter nicht mehr. Sie beklagen sich lautstark und machen die Last auf Social Media sichtbar: "Wenn der Moment des Nudel-Abgießens zum Spa-Moment wird," heißt es da. Dieses "Jammern" wird geshamt, genauso wie die Hochglanz-Insta-Mom im weißen Kleid. Dass Mütter ihre Überforderung kommunizieren, verunsichert wiederum kinderlose Frauen. "Mama bloggers made me not wanna have children", schreibt eine Influencerin. Der deutsche Jugendpsychiater Michael Schulte-Markwort beobachtet, dass Töchter nicht so ein Leben haben wollen wie ihre erschöpften Mütter. Zur Scham kommt also die Schuld: Weil Mütter es nicht hinkriegen, will keiner mehr Mama sein? "Es braucht endlich breite Anerkennung, dass Care-Arbeit Arbeit ist", fordert Mari Lang. Raus aus der Scham-Ecke und Zeit für die Frage: Wie kann der Arbeitsminister die Working Moms retten? (Delna Antia-Tatic, 20.5.2023)