20 Prozent der österreichischen Schülerinnen und Schüler sind schwache Leserinnen und Leser, sagt die Pirls-Studie.

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Wien – Die am Dienstag präsentierte internationale Volksschul-Lesestudie Pirls (Progress in International Reading Literacy Study) hat einmal mehr gezeigt, wie sehr sich in Österreich soziale Unterschiede auf die Bildungschancen der Kinder auswirken. "Daran hat sich in den letzten 20, 30 Jahren – egal wer an der Regierung war – nichts grundsätzlich geändert", sagte Bildungsforscher Stefan Hopmann am Mittwoch im Ö1-"Morgenjournal".

Die Politik hätte hier schon lange massiv eingreifen müssen, so Hopmann. Denn wenn ein Fünftel der Schülerinnen und Schüler nicht in der Lage sei, für die Sekundarstufe (Mittelschule, AHS-Unterstufe) ausreichend zu lesen, setze dieser Fehler sich ja immer weiter fort.

International gute Beispiele

Die aktuellen Pirls-Ergebnisse zeigen – wie frühere internationale Bildungsvergleiche auch – in Österreich deutlich größere Leistungsunterschiede nach Bildungsstand beziehungsweise Beruf der Eltern als in anderen Ländern. "Das ist ein dramatischer Unterschied, das sollte uns beunruhigen", sagte Dirk Hastedt, Geschäftsführer der für die Studie verantwortlichen International Association for the Evaluation of Educational Achievement (IEA). Seit der letzten Pirls-Studie vor fünf Jahren ist die Leistungskluft etwa gleich geblieben.

Für bessere Ergebnisse bräuchte es laut Hopmann in Österreich andere Formen der inneren Differenzierung und eine andere Form der Unterrichtsorganisation. Dafür gebe es international auch genügend Beispiele. "Wir haben in Österreich das zentrale Problem, dass Elterneinsatz, Hausaufgaben und ähnliche Sachen eine völlig überzogene Rolle spielen, wo man eben nicht allein in der Schule lernen kann, was es für die Schule braucht." Hier müsste man ansetzen.

Wenig Entwicklung bei Methoden des Lesenlernens

Dass eine Lehrkraft eine Klasse vier Jahre unterrichtet, sei "von vorneherein ein gescheitertes Projekt", meinte Hopmann. Niemand sei in der Lage, der Unterschiedlichkeit der Schülerinnen und Schüler quer durch alle Inhalte im Volksschulunterricht gleichermaßen gerecht zu werden.

"Nur, da hat sich halt nichts bewegt. Wir organisieren Unterricht im Wesentlichen noch so wie zu Maria Theresias Zeiten, und das erklärt auch die Mittelmäßigkeit unserer Ergebnisse über weite Strecken", so Hopmann. Dazu komme, dass in Österreich gemessen an anderen Ländern bei neuen Methoden des Lesenlernens relativ wenig passiert sei.

Neos fordern "engagiertes Aufholprogramm"

Verärgert zeigte sich Hopmann über den Umgang mit den Ergebnissen der Pirls-Studie, etwa wenn das Bildungsministerium diese als Beleg für seine gute Arbeit interpretiere. "Da liest jeder in diese Studie hinein, wozu er gerade Lust hat, völlig unbeschadet der Ergebnisse. Und das finde ich langsam sehr ärgerlich."

Neos-Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre wiederum forderte Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) auf, "die Fakten nicht schönzureden und endlich ein engagiertes Aufholprogramm zu starten, damit jedes Kind die beste Bildung bekommt". Schließlich würden sich unzureichende Lesekenntnisse vom Kindes- ins Jugendalter weiterziehen und damit die Chancen dieser Jugendlichen am Arbeitsmarkt und ein eigenständiges und erfolgreiches Leben verschlechtern. (APA, 17.5.2023)