Türkise Wahlkämpfe mit Sebastian Kurz haben viel Geld gekostet – Spenden waren sehr willkommen.

Foto: APA/Robert Jäger

Fast sechs Jahre ist es nun her, dass Sebastian Kurz ÖVP-Obmann wurde. Der Aufwand dafür war riesig, der Geldbedarf auch. Damit die neue "türkise Bewegung" von Kurz im Herbst 2017 das Rennen bei der Nationalratswahl machen konnte, war ein teurer Wahlkampf nötig – und der sollte vor allem auch durch Spenden finanziert werden.

Das wurde akribisch orchestriert und wird nun, spätestens seit Publikwerden des Ibiza-Videos im Mai 2019, ebenso akribisch aufgearbeitet. Viel war etwa im U-Ausschuss die Rede vom "Keilen" für die ÖVP, der Duden definiert das übrigens als "für einen Verein, eine bestimmte Gruppe, Partei o. Ä. anwerben, zu gewinnen versuchen".

Neues zum Keilen hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) jüngst in einem Bericht festgehalten.

Neue strafrechtliche Vorwürfe finden sich darin nicht, dafür aber neue Details rund um den höchst aufwendigen "Spendensammel-Ablauf" (WKStA) und zur Aufgabenverteilung. So war bislang nicht bekannt, wie eng die heutige Nationalratsabgeordnete Therese Niss in die Aktivitäten eingebunden war. Sie ist die Tochter des Industriellen Peter Mitterbauer, der selbst in den Jahren 2017 bis 2019 einer der größten ÖVP-Spender war.

Liste möglicher Spender

Im Jänner 2017 übermittelte sie wie berichtet dem damaligen ÖVP-Geschäftsführer Axel Melchior und der ÖVP-Lobbyistin Gabriela "Gabi" Spiegelfeld mit der Bitte um Vertraulichkeit eine "Liste möglicher Spender". Außerdem fragte sie Melchior, ob sie "eventuell auch einen Spendenvertrag" zu ihren Gesprächen mitnehmen solle. Laut WKStA handelte es sich dabei vor allem um Manager und Wirtschaftstreibende. Niss verfolgte die Ziele konsequent, erkundigte sich immer wieder über den Stand der Dinge und machte Vorschläge, wo man "nachhaken" müsse. Bei Melchior fragte sie nach, ob er bestimmte Leute schon kontaktiert habe, darunter fanden sich ein oberösterreichischer Banker – mit dem sie nur "telefonisch" reden wollte –, Handels- und Bauunternehmer und Forstwirte.

In seiner Befragung im U-Ausschuss gab etwa der Manager und damalige OMV-Aufsichtsrat Wolfgang Berndt an, er habe "Theresa Mitterbauer" – also Niss – gefragt, wie er etwas zur Unterstützung von Kurz beitragen könne. Sie habe ihm dann Melchior vorgestellt. Berndt spendete 2017 20.000 Euro an die JVP, 2019 dann 45.000 Euro an die ÖVP – "not a big deal", kommentierte der Manager die Beträge im U-Ausschuss. Berndt ist übrigens auch Aufsichtsratsmitglied bei der Mitterbauer AG, in deren Vorstand Niss sitzt. Sie wollte sich auf Anfrage nicht zu den Vorgängen äußern.

"Politische Zugpferde" ausgeschlossen

Nicht nur Niss’ großes Engagement für die türkise Spendensammlung war bislang unbekannt – sondern auch die Rolle von Teresa Pagitz, einer Immobilienunternehmerin und Hotelbetreiberin, die in die Familie der Pago-Gründer eingeheiratet hat.

Im U-Ausschuss verneinte Pagitz, Spenden für Kurz gekeilt zu haben. Sie habe zwar mit Freunden im Jahr 2017 über ihre eigene Spende in der Höhe von 15.000 Euro gesprochen, sie aber nicht zu Spenden animiert, erklärte Pagitz sinngemäß.

Laut Bericht der WKStA sandte auch sie Ende 2016 eine "Liste an potenziellen Spendern und Unterstützern, die mir einfallen und die ich kontaktieren würde, sobald ich ein akkordiertes und brauchbares Konzept habe", an Spiegelfeld – auf dieser Liste fanden sich fast hundert Personen, inklusive "politischer Zugpferde" wie Gernot Blümel oder "Harald Mahrer ???", Letztere schloss Spiegelfeld aber prompt wieder aus.

Mit dem "Fundraising" für Kurz beschäftigte sich Pagitz noch im September 2017, also knapp vor der Nationalratswahl. In einer E-Mail an Spiegelfeld notierte sie, wer "erledigt" sei, bei wem man sich "bedanken" und wen man "kontaktieren" müsse, wer "nicht spenden darf" und wer das "gern von mehreren Konten" mache.

"Keine Keilerin"

Im U-Ausschuss sagte Pagitz, die im März 2018 unter Türkis-Blau in den Aufsichtsrat der ÖBB-Personenverkehr AG berufen worden ist: "Also ich war keine Keilerin, mir war das egal, ob jemand gespendet hat oder nicht." Sie wollte die Vorgänge nicht kommentieren.

Engagiert hat sich auch der deutsche Unternehmer Frank Albert, dessen Supernova-Gruppe im Bereich der Handelsimmobilien und Einkaufszentren tätig ist und etwa Baumax gekauft hatte. Er teilte Spiegelfeld mit, dass er gern "beim Geld sammeln" helfen würde, sie aber "die Liste" führen solle.

"Ich habe gerade mit Gabi gesprochen, sie hat mich gebeten, dir nochmals meine Spender zu nennen, damit du checken kannst, ob alle gezahlt haben", schrieb Albert im Juli 2017 an Melchior. Außerdem kündigte er an, "in den nächsten Wochen die nächste Runde" einzusammeln – insgesamt deutete Albert Spenden seiner Bekannten in Höhe von bis zu 150.000 Euro an.

"Hinreichend beleuchtet"

Vom STANDARD dazu befragt, sagt er, er habe "keine neuen Informationen" dazu, das Thema sei "wirklich schon hinreichend beleuchtet". Unter Türkis-Blau lieferte sich Albert, der im September 2018 mit dem Großen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ausgezeichnet wurde, dann mit Unternehmer René Benko ein Wettbieten um die Übernahme von Kika/Leiner – in die Verhandlungen waren auch Spiegelfeld und Kurz involviert. Am Ende sollte Benko das Rennen machen.

Von Letzterem hatte sich das Team Kurz laut internen Unterlagen zwar eine Spende erhofft – gekommen ist aber keine. Dafür arbeitet Kurz nun, nach Ende seiner politischen Karriere, im Nahen Osten mit Benko zusammen. (Renate Graber, Fabian Schmid, 18.5.2023)