Maïwenn castete Johnny Depp, weil sie ihn sexy fand, sagte sie in der Cannes-Pressekonferenz.

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Michael Douglas erhielt die Ehrenpalme für sein Lebenswerk als Schauspieler und Produzent ("Einer flog über das Kuckucksnest"), Catherine Deneuve wirkte neben ihm etwas verwirrt.

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Still war es im Pressesaal, als der Abspann zu Maïwenns Eröffnungsfilm Jeanne du Barry anlief. Dort, wo normalerweise gejubelt, geklatscht oder gebuht wird, war nichts zu hören außer das Sesselklappen der fliehenden Pressevertreter und -vertreterinnen aus aller Welt und einem einzelnen Zwischenruf auf Portugiesisch: Dafür gibt's keinen Oscar!

Der Rufer meinte wohl Johnny Depp, der in Jeanne du Barry König Louis XV spielt. Es ist seine Comeback-Rolle nach dem letztjährigen Verleumdungsprozess gegen Ex-Frau Amber Heard, der beider Karrieren geschadet hat. Während Heard jüngst in Spanien beim Joggen gesichtet wurde, feiert nun Johnny Depp sein großes Comeback auf dem wichtigsten Filmfestival der Welt, inklusive eines Werbedeals über 20 Millionen Euro für die Luxusmarke Dior. Das rief vor allem in den USA Kritik hervor.*

Johnny Depp mit Fans und Hündchen vor der Cannes-Premiere von "Jeanne du Barry".
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Spalierstehen für König Johnny

Die Fans standen dann auch Spalier, als sich Depp zusammen mit Regisseurin Maïwenn und Co-Star Pierre Richard Richtung roter Teppich bewegte. Depp tat seine Pflicht, er unterschrieb Autogramme, machte Selfies und umarmte hier und da halbherzig. Dasselbe tut er als König Ludwig XV. in Jeanne du Barry: ein bisschen gucken, ein bisschen schmunzeln, und ein bisschen umarmen.

Der Filmauftritt Johnny Depps gleicht denn auch dem auf der Croisette. Der König begegnet seiner zukünftigen Mätresse Jeanne das erste Mal, als sie Spalier steht. Sie hat von Kindesbeinen an gelernt, alte Lebemänner mit ihrem wilden Haar und der natürlichen Art zu bezirzen. Und so hält Louis XV denn auch vor ihr inne, blickt sie verschmitzt an, und sie blickt verschmitzt zurück. So geht das den ganzen Film. Chemie kommt dabei keine auf, die ist eher zwischen Jeanne und dem Leibdiener des Königs zu spüren.

jadoredepp

Weibliche Intrigen

Der Grund für die vielen verschmitzten Blicke ist, dass Johnny Depp – der längere Zeit in Frankreich lebte – nur gebrochen Französisch spricht. Die wenigen, kurzen Sätze, die über des Königs Lippen kommen, sind zwar gut betont, aber Brandreden darf man sich von diesem Monarchen nicht erwarten. Obwohl er allen Grund dazu hätte, denn seine Kurtisane wird von seinen Töchtern geschnitten, die schließlich auch die Thronfolgerin Marie Antoinette in ihre Intrigen einspinnen.

Wo Johnny Depp auch schweigsam schmunzelnd Leinwandpräsenz besitzt, ist die Inszenierung der Intrigen mehr als lachhaft. Beizeiten fühlt man sich in Disneys Cinderella zurückversetzt. Ein Großteil der Frauen bis auf Jeanne gleicht grotesken Zerrbildern, eifersüchtige, gepuderte Intrigantinnen, die, wie Jeanne gleich zu Beginn bemerkt, "das Gegenteil von verführerisch sind". Was für eine geistreiche Beobachtung, Madame!

Ervin Urkom

Wichtig ist: Die Frau hat Stil

Die 48-jährige Maïwenn spielt sich als Jeanne du Barry quasi selbst. Sie ist der Inbegriff der französischen Frau: langes Haar, tolle Haut, schlanke Figur, markantes, mädchenhaftes, ungeschminktes Gesicht. Auch in Männerkleidung sieht sie fantastisch aus, und überhaupt hat Madame Stil. Ihre Gegnerinnen sind die unattraktiven Frauen zu Hof, ihre Fürsprecher sind mächtige Männer. Am Ende dann dräut ihr die Guillotine, weil sie – obwohl sie eine Frau des Volkes war – sich mit den Mächtigen eingelassen hat. Im Film kommt das sehr ungerecht daher.

Feminismus à la française

Wenn das nicht ein äußerst plakativer Kommentar einer Frau ist, die von anderen Frauen kritisiert wurde, weil sie sich auf die Seite der französischen MeToo-Gegnerinnen geschlagen hat, die "die Freiheit zu belästigen" hochhält und erst jüngst einem Journalisten auf dem Kopf spuckte, da der über die Vergewaltigungsvorürfe gegen ihren Ex-Mann Luc Besson berichtete. Jeanne sei, wie Maïwenn erzählte, für sie eine Identifikationsfigur, eine Feministin, weil sie … was genau macht? Unbedarft ist, toll aussieht und mit mächtigen Männern schläft? Mehr wird jedenfalls nicht gezeigt.

Eitle Inszenierung

Inspiration war die Darstellung der Mätresse durch Asia Argento in Sophia Coppolas Marie Antoinette. Argento, die eine scharfe Kritikerin des Festivals von Cannes dahingehend ist, dass es dem Sexualstraftäter Harvey Weinstein jahrelang den roten Teppich ausgerollt hat, dürfte sich darüber wundern. Von ihrem Feuer, ihrer Energie ist nichts geblieben in Maïwenns altbackener, eitler Darstellung und Inszenierung.

Asia Argento äußerte sich vor vier Jahren zu Harvey Weinstein in Cannes – von MeToo ist heuer wenig zu spüren.
Shelly Mercury gaga

Kein Interesse mehr an Hollywood

Sonderbar ist das, was das Premierenpublikum, darunter der grundsympathische Michael Douglas, der die Ehrenpalme bekam, am Dienstagabend geboten bekam. Depp wurde dennoch mit minutenlangen Standing Ovations bedacht. Das mag daran liegen, dass er eben durch seine Zurückgenommenheit in diesem an peinlichen Skurrilitäten reichen Film positiv hervorsticht. Ob ihm selbst der Film gefallen hat?

Zur Pressekonferenz am Mittwoch kam er jedenfalls eine Viertelstunde zu spät und sagte: Er wisse, Jeanne du Barry sei gut, weil sein Team das gesagt habe. Und auf die Frage, ob er sich von Hollywood boykottiert fühle, erwiderte er, dass er kein Interesse mehr an Hollywood habe.

Hofstaat Cannes

Am Ende ist Johnny Depp wirklich das geringste Problem in einem faden Film, der im Grunde perfekt die hofstaatliche Haltung repräsentiert, die in Cannes herrscht. "Le roi est mort, vive le roi." Die traditionelle Rolle, die Frauen hier zufällt, ist immer noch die der braven Kurtisane. (Valerie Dirk aus Cannes, 17.5.2023)