Schwarzkopfmeisen (Poecile atricapillus) können mit nur vier Noten und einer einfachen Grammatik verschiedene Botschaften an ihre Artgenossen senden.

Foto: Colin Durfee

Will man bei der Kommunikation verstanden werden, muss man sich an gewisse Regeln halten – dessen sind sich auch die Singvögel bewusst. Schwarzkopfmeisen achten bei ihren Zwiegesprächen mit Artgenossen penibel auf den richtigen "Satzbau" ihrer Rufe. Wie ein österreichisch- kanadisches Forschungsteam nun zeigte, können die in Nordamerika beheimateten Vögel korrekte von falschen Tonfolgen unterscheiden und präferieren fehlerfreie Rufe. Doch nicht jeder Vogel ist im gleichen Ausmaß sprachbegabt. Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter stellten auch individuelle Unterschiede bei den Fähigkeiten der Vögel fest.

So ähnlich wie menschliche Sprache

Marisa Hoeschele vom Institut für Schallforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) hat mit ihren Kolleginnen und Kollegen von der University of Alberta (Kanada) 20 wild lebende Schwarzkopfmeisen (Poecile atricapillus) gefangen und mit ihnen zwei Verhaltensexperimente durchgeführt. Diese Singvogelart verfüge über eine berechenbare Satzstruktur, "die jener der menschlichen Sprache nicht unähnlich ist", schreiben die Forscher in ihrer Arbeit.

Bereits seit längerem weiß man, dass bei den sogenannten Chick-a-Dee-Rufen der Vögel, die zum Beispiel für Warnungen vor Feinden oder zum Anlocken von Artgenossen angesichts einer Futterquelle verwendet werden, die Reihenfolge der vier verwendeten Noten immer gleich ist. "Note A kommt vor B, B kommt vor C und C kommt vor D. Einzelne Noten können auch ausgelassen oder wiederholt werden, wodurch sich mehrere Hundert mögliche Kombinationen bilden lassen, die sich alle an die grundsätzliche Reihenfolge halten", erklärt Hoeschele.

Gefahr in Abstufungen

Durch diese einfache Grammatik lassen sich mit nur vier Noten verschiedene Botschaften an die Artgenossen senden. So weiß man aus früheren Studien, dass sich die Zusammensetzung des Rufs ändert, je nachdem, wie gefährlich ein Raubtier eingeschätzt wird: So haben bei Eulen und Falken, die eine höhere Bedrohung darstellen, die Chick-a-Dee-Rufe mehr D-Töne als bei weniger gefährlichen Feinden.

In einem Experiment konnten die Forscher nachweisen, dass die Schwarzkopfmeisen falschen Satzbau auch tatsächlich als Kategorie erkennen. Dazu wurden den Vögeln drei verschiedene Sitzstangen angeboten: eine mit einem Lautsprecher, der korrekte Chick-a-Dee-Rufe abspielte, eine mit Rufen mit falschem Satzbau und eine Stange mit Stille. "Wir konnten eine deutliche Präferenz für die korrekten Rufe feststellen. Das beweist, dass die Vögel tatsächlich Kategorien für richtige und falsche Notenfolgen kennen", so Hoeschele.

Begabte Sprachspieler

"Interessanterweise" zeigten die Vögel auch eine Vorliebe für Stille: "Es kann sein, dass es für die Tiere ein wenig unbefriedigend ist, diese Rufe zu hören, wenn sie nirgends hinkönnen und sie deshalb gerne die Sitzstange ohne Rufe wählten", erklärte Hoeschele. In einem weiteren Experiment erhielten die Vögel Belohnungen in Form von Futter für Reaktionen auf korrekte Chick-a-Dee-Rufe bzw. auf solche mit falschem Satzbau.

Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter fanden hier individuelle Unterschiede in der Sprachbegabung: Individuen, die im ersten Experiment eine stärkere Präferenz für die korrekte Notenfolge zeigten, lernten schneller auf die falschen Rufe zu reagieren, berichten sie im Fachjournal "Behavioural Processes". "Falsche Notenfolgen kommen bei Schwarzkopfmeisen eigentlich nicht vor, die Vögel halten sich von Natur aus immer an die korrekte Abfolge. Einige Individuen scheinen aber eine besondere Begabung für solche Sprachspiele zu haben", sagte Hoeschele.

Weil die Schwarzkopfmeisen neben den Chick-a-Dee-Rufen noch eine Reihe anderer Rufe verwenden, die zum Teil noch komplizierter sind und deren Regeln bisher noch nicht untersucht wurden, ist derzeit noch unklar, wie komplex die Sprache der Vögel ist und welche Inhalte damit kommuniziert werden. (APA, red, 17.5.2023)