Ohne geeignete Maßnahmen besteht beträchtliches Risiko, digitale Vermögenswerte beim Verlassen der analogen Welt zu verlieren.

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Wir befinden uns im Zeitalter der Digitalisierung – somit werden auch immer mehr Vermögenswerte digital gehalten, etwa als Bitcoins. Wenn sich der Lebensabend des Vermögensträgers jedoch dem Ende zuneigt, drängt sich die Frage auf, wie mit diesen digitalen Vermögenswerten bestmöglich umzugehen ist.

Frage: Was ist das Problem bei digitalen Nachlässen?

Antwort: Die erbrechtliche Praxis kennt das Problem schon länger, dem Großteil der Bevölkerung ist es schlicht nicht bewusst: Wer digitales Vermögen sammelt und zum Beispiel in Bitcoins investiert, läuft Gefahr, den Erben nichts zu hinterlassen. Wenn nämlich der Wallet-Code weg ist, sind auch die Bitcoins weg. Es müssen aber nicht gleich Kryptowährungen sein, die sich vor den Augen der Erben in Luft auflösen. Auch der Zugriff auf Benutzerkonten bei Social-Media-Plattformen wie Instagram, Facebook, LinkedIn, Twitter oder Xing ist den Erben häufig nicht möglich.

Frage: Wie ist diese Entwicklung rechtlich einzuordnen, und inwieweit kann der Erblasser letztwillige Anordnungen bezüglich digitaler Assets treffen?

Antwort: Erbrechtlich ist das Schicksal des digitalen Nachlasses grundsätzlich nicht besonders spannend. So wäre es rechtlich völlig klar, dass der Alleinerbe auch die Bitcoins des Verstorbenen zu bekommen hat. Digitale Inhalte gehen mit der Rechtskraft der Einantwortung genauso in das Eigentum des oder der Erben über wie andere Vermögenswerte. Das Wesen der Gesamtrechtsnachfolge und der weite Sachbegriff im österreichischen Recht bewerkstelligen das Phänomen "digitaler Nachlass" also bemerkenswert unaufgeregt, ohne dass es dazu irgendwelcher Spezialnormen bedürfte. Es ist auch unproblematisch und zulässig, die eigenen Krypto-Assets im Rahmen eines Vermächtnisses einer anderen Person als dem Erben zuzuwenden, also beispielsweise dem Liebhaber und nicht dem Ehemann.

Frage: Wie sieht es mit der faktischen Umsetzung und somit dem Eintritt in die Rechte des Verstorbenen für den oder die Erben aus?

Antwort: Dass der digitale Nachlass für Juristen zunehmend zum Modethema wird, liegt an Problemen auf einer anderen Ebene. Sehr häufig verwehren Dritte dem Rechtsnachfolger nämlich schlicht den Zugriff auf die digitalen Inhalte. So verweigern bekannte Online-Plattformen – gestützt auf deren Allgemeine Geschäftsbedingungen – ab dem Ableben eines Nutzers den vollständigen Zugriff auf das Konto. Inwiefern eine derartige Blockade rechtlich zulässig ist, wurde bislang zumindest in Österreich noch nicht abschließend gerichtlich geklärt.

Zulässig wird der Ausschluss des Erben von den digitalen Inhalten des Verstorbenen dort sein, wo es sich um höchstpersönliche Inhalte handelt. Das ist erbrechtlich betrachtet insofern nichts Besonderes, als höchstpersönliche Rechte schon allgemein nicht vererblich sind. Bei E-Mail-Konten, einem Amazon-Konto mit gespeicherten digitalen Inhalten, Konten bei Netflix, iTunes oder Online-Glücksspielseiten mit dem dort eventuell vorhandenen Guthaben ist allerdings kein überzeugender Grund ersichtlich, warum es sich bei diesen digitalen Inhalten um höchstpersönliche handeln sollte.

Frage: Soweit keine höchstpersönlichen Rechte betroffen sind – wodurch kann die Rechtsausübung durch die Erben noch beeinträchtigt werden?

Antwort: Die wesentlichste Hürde ist in der Regel eine faktische. Ohne Zugangsdaten kommt der Erbe nicht weit. Zudem haben Online-Dienstleister häufig ihren Sitz im Ausland, wodurch die Rechtsdurchsetzung erschwert wird.

Die Passwörter in das Testament aufzunehmen, ist aufgrund der Vielzahl der Hände, durch die dieses Papier wandert, keine Lösung. Vielfach wird daher dazu geraten, Zugangsdaten und Passwörter bei einem Rechtsanwalt oder Notar zu hinterlegen. Ein derartiges Verzeichnis mit Online-Accounts samt Benutzernamen und Passwörtern müsste auch regelmäßig aktualisiert werden, um nach dem Tod einen Mehrwert zu haben.

Frage: Ist die Hinterlegung von Passwörtern somit der wesentlichste Schritt, der von den Erblassern gesetzt werden sollte?

Antwort: Wer so weit vorausdenkt, hat hoffentlich auch an den Kern des Problems gedacht: Die meisten Erben wissen schlicht nicht, über welche digitalen Inhalte der Verstorbene verfügte. Ohne Zugriff auf dessen Endgeräte (zum Beispiel das Smartphone) gibt es in der analogen Welt kaum Anhaltspunkte für digitale Assets. Im Rahmen eines Standard-Verlassenschaftsverfahrens werden zwar unter anderem das Grundbuch und das Firmenbuch abgefragt, es gibt aber kein öffentliches Register für Online-Accounts, Kryptowährungen etc. Bereits das Guthaben bei einer ausländischen Bank wird im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens gerne übersehen, wenn die Hinterbliebenen nicht zufällig Kenntnis davon haben.

Frage: Welche Vorsorgemaßnahmen können getroffen werden?

Antwort: Auf dem Markt tummeln sich mittlerweile diverse kommerzielle Anbieter, die sich um den digitalen Nachlass, insbesondere um die Weitergabe von Online-Accounts, "kümmern" wollen (zum Beispiel "Legacy Locker"). Zum Teil ist bei derartigen Diensten Vorsicht geboten. Dies insbesondere deshalb, weil die dahinterstehenden Unternehmen nicht spezifisch auf einzelne nationale Märkte und deren individuelles Erbrecht ausgerichtet sind. Wenn etwa die "Vererbung" von Passwörtern über ein Software-Tool angepriesen wird, ist Skepsis angebracht. Ein digitales Testament, also etwa der letzte Wille per Eingabe oder Videoaufnahme am Smartphone, ist in Österreich nämlich nach wie vor unwirksam.

Frage: Was ist nun der digital-affinen Person zu raten, die Vorsorge treffen möchte?

Antwort: In der Regel empfiehlt es sich, eine Vertrauensperson in die Verwaltung des digitalen Nachlasses einzubinden und diesen digitalen Nachlass bereits zu Lebzeiten zu erfassen. Ob das Verzeichnis der digitalen Inhalte in Papierform im Bankschließfach, auf USB-Stick oder auf andere Art und Weise geführt wird, ist vor allem eine Frage der Praktikabilität und Datensicherheit.

Ohne flankierende Maßnahmen besteht jedenfalls ein beträchtliches Risiko, digitale Vermögenswerte beim Verlassen der analogen Welt zu verlieren. (Gerold Oberhumer, 20.5.2023)