Digitale Anwendungen im Gesundheitswesen sollen Personal entlasten und die Versorgungsqualität erhöhen.

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Roboter-Robbe Paro wirkt beruhigend auf Demenzkranke.

Der Medibus ist eine Arztpraxis auf Rädern.

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Dem Gesundheitssystem fehlt Personal. Viel Hoffnung liegt auf verbesserten Abläufen durch die Digitalisierung. In Expertenkreisen herrscht die Meinung, dass Österreich nach Einführung der elektronischen Gesundheitsakte auf dem Gebiet nachzulassen drohe. Man arbeite an einer Digitalisierungsstrategie, heißt es dazu im Gesundheitsministerium. Vieles hängt auch hier von den aktuell laufenden Finanzausgleichsverhandlungen ab. Ein Überblick in fünf Teilen.

Elga und Co: Zugriff auf wichtige Informationen

Mit der Einführung der elektronischen Gesundheitsakte (Elga) hatte Österreich die Nase vorn. Doch es sehe danach aus, dass man den Vorsprung einbüße, warnten Expertinnen und Experten beim Austrian Health Forum vergangenes Wochenende in Schladming. Derlei hört man derzeit öfter in der Branche. Beim Elga-Portal können Versicherte über die Website www.gesundheit.gv.at mittels Handysignatur oder ID Austria auf Daten wie zum Beispiel Arztbriefe oder Befunde zugreifen. Ärztliches Fachpersonal hat einen raschen Überblick über die Medikation von Patientinnen und Patienten.

Im Herbst 2020 wurde weiters der rechtliche Rahmen für den E-Impfpass gelegt, der technisch auch über Elga läuft. Außerdem gibt es über das Elga-Portal Infos zur E-Medikation, also zu in der Apotheke abgeholten Arzneimitteln und Verschreibungen.

Franz Leisch, Ex-Elga-Geschäftsführer und jetzt Chief Digital Officer beim Gesundheitsforum Praevenire, fordert den weiteren Ausbau von Elga. Zum Beispiel bekomme man beim Radiologen immer noch Bilder bzw. eine Daten-CD in die Hand gedrückt. Zudem wäre er für einen Elga-Zugriff für Bürgerinnen und Bürger über Apps. Geld für die Digitalisierung des Gesundheitsbereichs sei derzeit ein zentrales Thema bei den Finanzausgleichsverhandlungen, heißt es dazu aus dem Gesundheitsministerium – man hält sich noch eher vage. Die Übertragbarkeit von Bilddaten und die bessere Verfügbarkeit von Labordaten seien aber "ein wichtiger Ansatz", heißt es aus dem Ministerbüro.

Smarte Technik: Hoffnung auf verbesserte Versorgung

Die Palette an Möglichkeiten für digitale Anwendungen im Gesundheitsbereich ist riesig. Oft sind Neuerungen mit der Hoffnung verbunden, den Engpässen bei medizinischem Personal etwas entgegenzusetzen – vorausgesetzt, die hochsensiblen Daten sind gut geschützt.

Allein dass Besprechungen über Krebsbehandlungen ("Tumorbords") virtuell stattfinden können, spart wertvolle Arbeitszeit. Dem Ärztemangel in ländlichen Gebieten wird in Deutschland zum Beispiel mit rund zehn Medibussen begegnet: fahrbaren Arztpraxen mit Technik von Cisco für Telemedizin zum Austausch mit Fachärztinnen und/oder Dolmetschern. Ein Bus versorgt an zwei bis drei Orten bis zu 35 Personen am Tag.

Vieles kann Krankenhausabläufe vereinfachen: etwa digitale Fieberkurven statt manueller Einträge oder die automatisierte Überwachung der Vitalfunktionen bis hin zum Einsatz künstlicher Intelligenz (KI), um Infektionen auf die Spur zu kommen. In Pflegeheimen kann KI zum Beispiel Risikofaktoren fürs Wundliegen ermitteln.

Große Hoffnung kommt der KI bei der Diagnosefindung zu. Apropos bildgebende Verfahren: Das Herz-Jesu-Krankenhaus Wien setzt laut Vinzenzgruppe als eines von fünf Spitälern weltweit eine Virtual-Reality-Brille ein, die 3D-Bilder als Hologramm im OP-Saal liefert. So sollen künstliche Schultergelenke passgenauer werden.

Telemedizin und Apps: Was aus 1450 noch werden könnte

Die Gesundheitshotline 1450 wurde ins Leben gerufen, um Spitalsambulanzen zu entlasten und Menschen per Telefon durch das Gesundheitssystem zu lenken. Bei einem Anruf wird geklärt, welche Symptome vorliegen und wie dringend eine Behandlung wo stattfinden sollte. Die Pandemie verpasste 1450 einen Bekanntheitsschub, 97 Prozent der Anrufe in den Pandemiejahren kamen dann aber nur zu Corona.

1450 soll um eine App und um mehr Inhalte im Web ergänzt werden, hieß es Ende 2022. Weiters könnte die Telefonhotline um Videokonsultationen von Ärztinnen und Ärzten erweitert werden – also dass Anrufer zum Beispiel einen Ausschlag gleich einer Ärztin oder einem Arzt im Videocall zeigen können. Inzwischen ist auch die Rede von der Einrichtung einer eigenen Kinder-Hotline 1451. Bei der Österreichischen Gesundheitskasse heißt es zu all dem, dass diese Pläne und ihre Finanzierung an den aktuellen Gesprächen zum Finanzausgleich hängen.

Ebenfalls auf dem Smartphone könnten Menschen künftig vom Arzt verschriebene Gesundheits-Apps haben – zur Vorbeugung, Erkennung und Behandlung von Krankheiten. Hier ist Deutschland vorangegangen: Ärztinnen und Ärzte können solche Apps dort schon auf Krankenkassenkosten verschreiben, zum Beispiel bei Tinnitus, Rückenschmerzen oder Depressionen. Die Ärztekammer fordert in Österreich ähnliche Angebote.

Roboter: Assistenz bei OPs und in der Pflege

In OP-Sälen haben sich Roboter bereits ein Stückweit etabliert: Derzeit handelt es sich in Österreich vor allem um von der Hand der Operateure gesteuerte minimalinvasive Systeme ohne Autonomie, wie der Linzer Urologe Wolfgang Loidl beim fünften Praevenire Digital Health Symposium im April in Wien schilderte. Der Chirurg oder die Chirurgin führt dabei die Laparoskopiewerkzeuge nicht direkt am Patienten, sondern steuert sie von einem Steuertisch aus. Ein Beispiel ist die Anwendung der Da-Vinci-Systeme, die zum Beispiel in Krankenhäusern der Vinzenzgruppe sowie nun auch des Wiener Gesundheitsverbunds (Wigev) verwendet werden, insbesondere in Fächern wie der Urologie.

Es gibt auch verschiedene Assistenzroboter für Reha und Pflege, die das Personal körperlich entlasten sollen. In den Pflegewohnhäusern des Wigev ist zum Beispiel die Roboter-Robbe Paro im Einsatz. Dieser Roboter unterstützt bei der Betreuung älterer und demenzkranker Menschen, indem er beruhigend wirken und Stress reduzieren soll. Er soll sich auch positiv auf das Erinnerungsvermögen auswirken und die Kommunikation fördern.

Allerdings ist das Vertrauen in Roboter in der Pflege ausbaufähig: In einer Befragung von Sandoz befürworteten 72 Prozent zwar Roboterunterstützung bei OPs, Pflegeroboter lehnten aber 57 Prozent ab.

Daten, Daten, Daten: Harmonisierung für eine bessere Nutzung

Über die nächsten Jahre sollen in der EU die GesundheitsdatenStandards harmonisiert werden und der Europäische Gesundheitsdatenraum (European Health Data Space) geschaffen werden. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) erwartet sich von der Harmonisierung von Daten einen Innovationsschub.

Ein zentrales Anliegen Rauchs zur Vereinheitlichung und einfacheren Verarbeitung von Daten in Österreich ist, die Standardisierte Diagnosecodierung im niedergelassenen Bereich zu etablieren. Vereinfacht gesagt wird dabei für jede Diagnose eine Ziffernkombination eingegeben. Zwar gebe es die Daten jetzt schon, sie würden aber noch nicht optimal im Sinne aller genutzt, seien aber unter anderem wichtig für die Gesundheitsplanung und Versorgungsforschung.

Franz Leisch von Praevenire gibt zu bedenken, dass Daten, die in Elga vorhanden wären, wegen der Opt-out-Option (man kann sich ganz oder teilweise aus Elga abmelden) keinen kompletten Überblick geben. Laut Elga GmbH haben sich drei Prozent der Versicherten ganz abgemeldet. Leisch vermisst außerdem eine Digital-Health-Strategie für Österreich.

Im Gesundheitsministerium entgegnet man, dass aktuell eine Unterarbeitsgruppe der Bundeszielsteuerungskommission an einer gemeinsamen Digitalisierungsstrategie von Bund, Ländern und Sozialversicherung arbeite. Bis Jahresende,so das Ziel, solle alles in eine gesamtstaatliche Strategie eingebettet werden. (Gudrun Springer, 19.5.2023)