Was denken Kellner und Gastronomen in Österreich über fixe Servicepauschalen?

In den vergangenen Tagen sorgte die Wiener Gastroszene für Schlagzeilen. Anlass für die Aufregung waren die Servicepauschalen, die einige Lokale neuerdings auf ihren Rechnungen ausweisen. Anstoß für die Debatte: Ein Gast hatte nach dem Besuch eines Lokals am Wiener Naschmarkt bemerkt, dass zehn Prozent für den Service verrechnet worden waren, und seinem Ärger im Internet Luft gemacht. Während in Ländern wie Frankreich oder Großbritannien fixe Servicepauschalen Usus sind, obliegt die Höhe des Trinkgelds in Österreich bislang der Großzügigkeit bzw. Knausrigkeit der Gäste. Offenbar aber handelt es sich bei der Entscheidung des Gastronomen am Naschmarkt nicht um einen Einzelfall. Auch der Würstelstand und Touristenmagnet Bitzinger vor der Albertina verrechnet seiner Kundschaft fix vier Prozent Servicepauschale.

Die Begründung der Gastronomen für diese Entscheidung: Aufgrund der Teuerungen sei die Kundschaft trinkgeldfaul geworden. Die Servicesätze seien auf der Speisekarte ausgewiesen, völlig legal, und ließen sich durch Angebot und Nachfrage rechtfertigen. Die Summe komme dem Personal zugute, erklärte Würstelstandbetreiber Josef Bitzinger gegenüber der "Kronen Zeitung". Das Lokal am Naschmarkt äußerte gegenüber dem ORF, man wolle es mit der auf der Speisekarte vermerkten Servicepauschale den Gästen, die überwiegend aus Touristinnen und Touristen bestünden, leichter machen und außerdem dem Servicepersonal eine gewisse Sicherheit bieten.

Die Wirtschaftskammer kritisierte das Vorgehen: Wenn man als Unternehmer glaube, seinen Mitarbeitern mit so etwas helfen zu können, sei das zwar nicht ungesetzlich, aber "sehr schlecht gemacht", sagte Erwin Scherflinger, stellvertretender Obmann Gastronomie der Wirtschaftskammer Wien, in einem "Wien heute"-Interview.

Stimmen der anderen

Doch was sagen andere aus der Gastroszene zu den Servicepauschalen? Josef Floh vom Gasthaus Floh im niederösterreichischen Langenlebarn will die Entscheidung anderer nicht bewerten: "Grundsätzlich kann das jeder Betrieb selbst entscheiden. Ob es klug ist, sei dahingestellt, aber bei Betrieben, die sehr viele Touristen als Gäste haben, ist die Ausgangslage eine andere als in unserem Fall." Für sein Unternehmen sei die Servicepauschale kein Thema: "Wir haben ein tolles Serviceteam, das mit viel Herzblut dabei ist. Und wir haben sehr viele Stammgäste, die das auch wertschätzen. Das ist wohl überhaupt das Wichtigste: die Wertschätzung der Gäste."

Auch Felix Fuchs, der gemeinsam mit seinem Bruder in der Leopoldstadt den Würstelstand Extrawürstel betreibt, kann der Servicepauschale für sein Unternehmen nichts abgewinnen. Zwar würde bei ihm ein Drittel der Rechnungen mit Karte bezahlt, was Auswirkungen auf das Trinkgeld habe, doch seine Kundinnen und Kunden seien "großzügiger als jene beim Kollegen Bitzinger". Er erklärt sich das mit dem persönlichen Kontakt mit der überwiegend lokalen Kundschaft.

Die Kellnerperspektive

Harri Ölz, ein Kellnerveteran in Wien, der seit 40 Jahren in Lokalen wie dem U4, dem Café Amacord am Naschmarkt, dem Amerlingbeisl oder dem Gasthaus Wild beschäftigt war, betrachtet die Entwicklung in Sachen Trinkgeld wieder anders, er kann der aktuellen Debatte um inkludiertes Trinkgeld viel abgewinnen und sieht Modelle aus anderen Ländern durchaus als Vorbild.

Alternativen sieht Ölz, der mittlerweile seit mehreren Jahren im Kleinen Café in der Wiener Innenstadt serviert, kaum: "Ich denke, die ganze Sache hat viel mit dem immer größer werdenden Anteil von Touristen zu tun. Viele Gäste kommen aus Ländern, in denen Trinkgeld unüblich ist, beziehungsweise das Trinkgeld bereits in der Rechnung inkludiert ist. Da hat sich die Situation definitiv zum Negativen verändert. Es ist mittlerweile selten, dass man auf seine zehn Prozent kommt." In der Schweiz oder in skandinavischen Ländern zum Beispiel sei ein sogenannter Servicebetrag in der Rechnung inkludiert.

Ob es seine Zustimmung findet, wenn das Servicepersonal beim Präsentieren der Rechnung Gäste auf Trinkgeld hinweist? "Das ist so eine Sache. Wenn es sich um eine größere Runde und einen höheren Betrag handelt, kommt das auch in meinem Fall vor. Aber eher ungern und eher selten. Unterm Strich empfinde ich dieses Modell eher als etwas Frustrierendes, um nicht zu sagen Demütigendes." Auf das Trinkgeldverhalten einheimischer Gäste angesprochen, sieht Ölz kaum Veränderungen. Hier sei die Spendierfreudigkeit mehr oder weniger gleichgeblieben, auch wenn sich die Auswirkung der steigenden Verarmung in der Gesellschaft schon auch in seiner Kellnerbörse spürbar mache. "Die Leute schauen mehr aufs Geld, was ich als natürlichen Prozess empfinde", sagt der Serviceprofi. (feld, maik, ped, 19.5.2023)