Am Mittwoch dieser Woche war im deutschen Wirtschafts- und Klimaschutzministerium Bemerkenswertes zu beobachten. Da stand Chef Robert Habeck (Grüne) und verkündete den Rauswurf seines umstrittenen Staatssekretärs Patrick Graichen.

Einmalig war nicht nur dieser Vorgang in Habecks Haus, sondern auch die Art der Kommunikation. Der grüne Minister las seine Erklärung, teilweise fahrig, vom Blatt ab. Zu sehen war nicht mehr der lockere Politiker, der sich in seiner Rhetorik stark von anderen und erst recht vom oft steifen Kanzler Olaf Scholz (SPD) unterschied; der so beliebt war, weil er fluffig, frei und offen sprach, auch wenn er Unangenehmes mitzuteilen hatte – etwa dass es im Fall eines russischen Öl-Embargos "rumpelig" werden könnte.

Robert Habeck rutscht nach unten.
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Die Entlassung Graichens, der über Freunderlwirtschaft gestolpert war, markiert den (vorläufigen) Tiefpunkt einer ungewöhnlichen Karriere im deutschen Politbetrieb. Sie belastet nicht nur Habeck selbst, sondern die ganze grüne Partei.

Große Erwartungen

Rückblick in den Frühsommer 2021: In Umfragen liegen die Grünen auf Platz eins. Es wird spekuliert, dass Habeck nach der Wahl im Herbst 2021 der erste grüne Kanzler werden könnte. Doch es kam doppelt anders: Nicht Habeck trat als Kanzlerkandidat an, sondern Annalena Baerbock. Sie lieferte allerdings im Wahlkampf schwere Patzer (Plagiate im Buch, aufgehübschter Lebenslauf), die Grünen schafften bei der Wahl mit 14,8 Prozent nur Platz drei.

Doch man rappelte sich wieder hoch. Habeck wurde in der Ampel nicht nur Wirtschafts- und Klimaschutzminister, sondern auch Vizekanzler; Baerbock übernahm als erste Frau das Auswärtige Amt.

Annalena Baerbock lieferte sich mit Robert Habeck ein Duell um die Spitzenkandidatur. Sie siegte, verlor aber die Wahl. Sein Ansehen stieg danach – erwies sich aber nicht als haltbar.
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Erneut stieg das Ansehen der grünen Partei, zumal Habeck und Baerbock zunächst glänzten. Vor allem Habeck beschieden deutsche Medien noch vor einem Jahr, dass er eigentlich, im Vergleich zu Scholz, der bessere Kanzler wäre. Sogar das "Handelsblatt" lobte: "Die Lernkurve für Habeck könnte nicht steiler sein." Auch viele Unternehmer und Manager brächten ihm "großen Respekt entgegen".

Umfragenkaiser war der Grüne sowieso, er galt lange als Deutschlands beliebtester Politiker. Und jetzt? Habeck ist in diversen Rankings nur noch auf den hinteren Plätzen, sogar Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat ihn überholt. In Umfragen liegen die Grünen bei 15 bis 16 Prozent – gleichauf mit der AfD.

Gasumlage als Flop

Den einen Grund, auf den alles zurückzuführen wäre, gibt es nicht. Vielmehr hat sich einiges angesammelt. Im Sommer 2022, nach dem russischen Lieferstopp für Gas, ersann Habeck die "Gasumlage". Alle Gaskunden, also auch private Verbraucherinnen und Verbraucher, hätten sie zahlen sollen, um Importfirmen zu entlasten. Es stellte sich jedoch bald heraus, dass auch Unternehmen, die wirtschaftlich gut dastehen, profitieren würden.

Kritik kam selbst vom Koalitionspartner SPD, Habeck zog das Vorhaben zurück. Es blieb der Spott. Apropos negative Schlagzeilen: Wenn er diese geballt haben will, braucht Habeck nur die "Bild" lesen. Deutschlands größte Boulevardzeitung schießt sich regelrecht auf den 54-Jährigen ein. Sie konstatiert "Energie-Murks", "Wärmepumpen-Wahn" sowie einen "Heiz-Hammer" und bezeichnet Habeck selbst als "Klima-Spieler".

Doch auch in anderen Medien wurde Habeck für seine Pläne, ab 2024 Öl- und Gasheizungen zu verbieten, scharf kritisiert. Sein Vorhaben war an die "Bild"-Zeitung durchgestochen worden, der Minister reagierte wütend und dünnhäutig.

Ein Bild aus besseren Zeiten: Als Robert Habeck (r.) 2021 die Koalition mitverhandelte und zum Vizekanzler aufstieg, galt er vielen als seinem neuen Chef Olaf Scholz (l.) überlegen. Der Draht zu Christian Lindner (o.) ist mittlerweile auch nicht mehr das, was er einmal war.
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Mit Verteidigungsreden, dass man das Vorhaben sozial abfedern werde, kam er nicht mehr richtig durch. Es blieb: Habeck will Hauseigentümern das Leben schwermachen. Darin zeigte sich exemplarisch das Problem mit der Energiewende: Viele Menschen sind theoretisch dafür, aber praktisch dann doch dagegen, nämlich wenn es an den eigenen Geldbeutel geht.

Bei den vergangenen Wahlen lief es auch nicht prickelnd. In Berlin (Februar) wollte Spitzenkandidatin Bettina Jarasch erste grüne Bürgermeisterin werden, landete dann aber auf Platz drei. Und das in jener Großstadt, die als "grünste" gilt.

Schlechtes Wahlergebnis

In Bremen erfolgte kürzlich ein regelrechter Absturz, die Grünen rutschten von 17,4 auf zwölf Prozent ab. Spitzenkandidatin Maike Schaefer kündigte ihren Rückzug an. Sie will einer möglichen nächsten rot-rot-grünen Regierung nicht mehr als Verkehrssenatorin angehören.

Am schlechten Bremer Ergebnis hatte auch die Graichen-Affäre ihren Anteil. Dass die Grünen, die sich stets für Transparenz einsetzen, im Ministerium auf einmal Filz einräumen mussten, ist fatal für sie und Ressortchef Habeck im Besonderen.

Und es hat auch Auswirkungen auf sein Heizungsgesetz. Die FDP will es nicht so schnell beschließen, da Graichen nicht mehr Ansprechpartner ist.

Viele fragen sich in Berlin natürlich auch: Was wird nun aus Robert Habeck? Im vorigen Sommer ging man noch davon aus, dass er bei der Bundestagswahl 2025 als Kanzlerkandidat antreten wird, nachdem Baerbock ja 2021 gescheitert war.

Das jedoch scheint im Moment eher abwegig. Aber vielleicht dreht sich der Wind für Habeck wieder. Oder er teilt eines Tages in der ihm eigenen Art mit, dass er auf Politik "keinen Bock" mehr hat. (Birgit Baumann aus Berlin, 21.5.2023)