Ex-Politiker und Gastronom Sepp Schellhorn verteidigt im Gastkommentar seine "Schnitzel-Kalkulation" und erklärt, was man dringend gegen die Teuerung machen müsste.

Wie viel darf ein richtiges Wiener Schnitzel im Restaurant kosten? Und wie erklärt sich der Preis?
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Pippi Langstrumpf hätte eine schöne Hetz' mit der derzeitigen Debatte über Lebenshaltungskosten und Lebensstandarderhaltungskosten. Man bastelt sich die Welt so, wie sie einem gefällt. Ein Galadiner, wie Weihnachtsgans und Osterjause gleichzeitig, gab es letzte Woche für die Empörungshungrigen, die acht Millionen Sachverständigen für Gastronomie und Tourismus. Denn zum Wirt gehen oder gingen wir Österreicherinnen und Österreicher bis jetzt ja alle, darum verstehen wir auch so viel davon. Keiner käme auf die Idee, in der Mariahilfer Straße, im größten Modekaufhaus auf die gleiche Weise über Preis, Qualität und Betreuung zu schreiben, wie das in Bezug auf die Gastronomie passiert. Dabei kaufen wir auch alle Kleidung.

Nun, es ging um den Preis, noch dazu um den Preis beim gastronomischen Kulturgut Nummer eins, dem Wiener Schnitzel. Beim Wiener Schnitzel am Preis zu rütteln ist ungefähr so, wie wenn man am Watschenbaum rüttelt. Nun ist die Welt, auch was den Preis betrifft, etwas komplexer, als die aktuelle Diskussion vermuten lässt. Tourismus ist ein Gesamtkunstwerk, hat mir ein weiser Mann einmal erzählt. Der Preis setzt sich zusammen aus Angebot und Nachfrage, Qualität des Produkts, Standort der Verabreichung. Reden wir also über: das Produkt, die Arbeit und die Rahmenbedingungen.

"Bei der Reparatur eines Wasserhahns zahlt man schon für das "Grüß Gott" oder die Anfahrt 60 Euro. Probieren Sie das einmal bei einem Wiener Schnitzel."

Bei der veröffentlichen Kalkulation eines Wiener Schnitzels um 28 Euro Vollkosten wurde in den sozialen Medien elendslang herumgestritten, ob ich denn nun ein Ei oder zwei Eier verwendet hätte. Das ist nicht der Punkt. Lassen wir es ein Ei statt zwei Eier sein. Punkt eins ist also das Produkt. Jeder, der in Österreich lebt, will für sich, sofern leistbar, gutes, regionales Fleisch und Gemüse. Und das hat seinen Preis. Ein Schnitzel vom Pinzgauer Kalb aus Goldegg kostet – schnittfertig – 20,40 Euro pro Kilogramm. Mit all den Beilagen, all den Zutaten wird man also einen Einkaufspreis von circa sechs Euro haben. Der springende Punkt aber ist: Für dieses Wiener Schnitzel, in Butterschmalz herausgebacken, von einem Mitarbeiter an den Tisch serviert und wieder abserviert – ein weiterer reinigt das Besteck und den Teller –, werden insgesamt drei Mitarbeiter benötigt, und das schlägt mit 18 Euro pro Schnitzel zu Buche.

Verglichen mit einer Handwerkerstunde samt dem zu bezahlenden Gehilfen oder Lehrling und einer Kleinmaterialpauschale ist, so finde ich, das Schnitzel eine Okkasion. Bei der Reparatur eines Wasserhahns zahlt man schon für das "Grüß Gott" oder die Anfahrt 60 Euro. Probieren Sie das einmal bei einem Wiener Schnitzel. Um wieder zum Ernst der Sache zu kommen: Dieses Land ist ein Hochsteuerland. Wenn es nach dem Willen so mancher Parteisekretärin aus dem Burgenland geht, die sich zufälligerweise auch gerade im Nahwahlkampf um dem "Chef" befindet, habe ich also zwei Möglichkeiten, das Schnitzel billiger zu machen: mit Fleisch aus Massentierhaltung – vielleicht Spaltböden oder nicht artgerechte Haltung. Will man das? Oder ich könnte meine Mitarbeiter mit einer Lohnkürzung konfrontieren beziehungsweise sie geringer entlohnen. Will man das?

Importiertes Billigstessen

Ich denke, man kann beides nicht ernsthaft in Betracht ziehen, also ist nun die Politik am Zug. Erstens bei der Raumordnung. Bei der vorhandenen Supermarkt-, Inter- und XXL-Dichte ist wirklich nicht einzusehen, warum ein solches Haus, ein solcher "Versiegler", auch noch ein Gasthaus mit Billigangeboten betreibt. Zum Beispiel Tiefkühlschnitzel, fertig paniert und versiegelt aus Moldau importiert, die fix und fertig unter den sechs Euro Materialkosten meines heimischen Kalbfleischs liegen. Kann man machen, auch wenn es sich nur um ein Lockangebot für den nachfolgenden Kauf eines Polsters aus Bangladesch handelt, hergestellt vielleicht auch noch durch Kinderarbeit. Ist es sinnvoll? Ich glaube nicht. Kann man es mit einem echten gastronomischen Angebot vergleichen? Keinesfalls. Über die Kombination aus Bodenversiegelung und importiertem Billigstessen sollte man vielleicht einmal grundsätzlicher nachdenken.

"Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen netto mehr, viel mehr verdienen – und brutto weniger kosten."

Der zweite Punkt ist der wichtigste: Der Faktor Arbeit gehört endlich dramatisch entlastet. Um der Teuerung etwas entgegensetzen zu können, brauchen wir das alle. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen netto mehr, viel mehr verdienen – und brutto weniger kosten. Nur so ist diese Teuerung in den Griff zu bekommen, wenn man den Konsum und damit die Wirtschaft weiter am Laufen halten will. Gleichzeitig sollte man natürlich das Gießkannensystem, nach dem der Staat seine "Hilfen" verteilt, beenden.

"Wir brauchen mehr Akzeptanz für gesunde, regionale Lebensmittel. Darum fangen wir am besten schon in der Schule, in den Bildungseinrichtungen damit an, im Lehrplan und beim Schulessen."

In so gut wie allen Standort- und Resilienzfragen, auch wenn es zum Beispiel um die Produktion von Medikamenten in unserem Land statt an einem Standort im Fernen Osten geht, wird die Wettbewerbsfähigkeit Europas immer stärker dadurch beeinträchtigt, dass man sich den Kostenfaktor Arbeit wegen dessen hoher Besteuerung nicht mehr leisten kann. Das Wirtshaus sperrt zu, die Pharma- und andere Industrien müssen ausweichen. Dorthin, wo die Produktion "billiger" ist, damit man den Preis halten kann.

Punkt drei: Wir brauchen mehr Akzeptanz für gesunde, regionale Lebensmittel. Darum fangen wir am besten schon in der Schule, in den Bildungseinrichtungen damit an, im Lehrplan und beim Schulessen. In Frankreich und Italien ist das bereits gelebte Praxis. Dort lernen die Gäste von morgen schon heute, worum es geht und wie die Dinge zusammenhängen. Und es gibt dort keine Diskussion über den Preis, sondern nur über die Qualität. Das sollte uns als Vorbild dienen.

Gerade hat mich übrigens ein Freund angerufen und mich gefragt, ob ich meinen 28-Euro-Preis für das Wiener Schnitzel unter Alkoholeinfluss kalkuliert hätte. Das sei viel zu billig. Bei ihm, sagt er, kostet es 38 Euro. (Sepp Schellhorn, 20.5.2023)