Ukrainische Entminungsdienste haben reichlich zu tun. Dass österreichische Soldaten sie unterstützen könnten, hat Bundeskanzler Karl Nehammer am Freitag ausgeschlossen.

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In der Debatte um mögliche österreichische Entminungshilfe in der Ukraine hat Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Freitag ein Machtwort gesprochen: "Es wird kein österreichischer Soldat für so einen operativen Einsatz ukrainischen Boden betreten, solange das ein Kriegsgebiet ist." Wer Soldaten "in ein Kriegsgebiet schicken will, der riskiert, dass sie nicht mehr lebend zurückkommen", hielt Nehammer in einer Stellungnahme fest. Damit stellte er sich erneut hinter Verteidigungsministerin und Parteikollegin Klaudia Tanner – und gegen den Bundespräsidenten.

Alexander Van der Bellen, auch Oberbefehlshaber des Heeres, hatte zuletzt gesagt, er verstehe nicht, warum die Regierung "immer noch zögert": "Unterstützung bei der Entminung ziviler Bereiche wie Wohnhäuser, Schulen, Kindergärten oder landwirtschaftlicher Gebiete widerspricht sicher nicht der österreichischen Neutralität." Tanner hatte eine Beteiligung bei der Minenräumung in dem von Russland angegriffenen Land mit Verweis auf die Neutralität abgelehnt. Zudem seien die österreichischen Entminungsgeräte auf dem Westbalkan im Einsatz.

Melnyk "sehr enttäuscht"

Juristen und Politologen sehen das Minenräumen abseits der Frontlinie nicht im Widerspruch zur Neutralität. Auch für den grünen Vizekanzler Werner Kogler spricht nichts gegen Entminung in zivilen Gebieten, wie er der "Presse" sagte. Der ukrainische Vizeaußenminister Andrij Melnyk zeigte sich im Ö1-Gespräch "sehr enttäuscht" vom österreichischen Vorgehen. In der Ukraine sei eine Fläche mehr als doppelt so groß wie Österreich vermint.

Nehammer erklärte am Freitag, dass eine finanzielle Beteiligung an anderen Missionen geprüft werde. Aktuell finden bereits Entminungsoperationen in befreiten Landesteilen statt – durch ausländische NGOs sowie ukrainische Fachleute. Sie werden durch westliche Staaten und die EU unterstützt. Ukrainische Minenräumer werden außerdem trainiert, unter anderem von ebenfalls neutralen Ländern wie Irland und der Schweiz.

Janik: Bewusstes Aneinander-Vorbeireden

Niemand sei "so deppert", Österreich als Kriegspartei in der Ukraine sehen zu wollen. In der Frage von Entminungen in der Ukraine würden alle, auch "bewusst", aneinander vorbeireden, sagte Völker- und Menschenrechtsexperte Ralph Janik am Freitagabend im Gespräch mit dem TV-Sender Puls 24.

Man müsse und könne sehr wohl unterscheiden zwischen Entminungs-Missionen "in zivilen Gebieten, die schon befreit wurden und wo die Minen keinen wie auch immer gearteten militärischen Nutzen haben." Das sei die "humanitäre Entminung", so Janik. Gewisse Personen täten aber so, als würde von österreichischen Soldaten verlangt werden, "Seite an Seite mit ukrainischen Soldaten in Frontgebiete geschickt werden", kritisierte der Völkerrechtsexperte.

Das alles habe nichts mit einer angeblichen Verteidigung der immerwährenden Neutralität Österreichs zu tun. Hier würden bloß Schreckgespenster gemalt. (Kim Son Hoang, 19.5.2023)