Hält sich privat schon länger an Tempolimit 100 – auch wenn einem die Drängler dann im G'nack sitzen: Robert Palfrader.

Heribert Corn / Rabenhof / Staatskünstler

Anfang dieser Woche legte der Klimaprotest der Letzten Generation ein ums andere Mal den Wiener Frühverkehr lahm. Brücken und Straßen wurden blockiert, es wurde geklebt und demonstriert. Nicht klebend, aber mit einem Transparent zumindest am Rande mit dabei war diesmal auch die neu formierte Gruppe "Kabarettist:innen for Future".

Teilgenommen haben die Science Busters Martin Puntigam und Florian Freistetter, ebenso Günther Paal alias "Gunkl", David Scheid, Hosea Ratschiller, Antonia Stabinger und Robert Palfrader. Der TV-Kaiser und Schauspieler vertraut in Sachen Klimaschutz auf die Expertise des Klimaforschers Reinhard Steurer von der Boku Wien. Auch er unterstützt den zivilen Ungehorsam. Das Gespräch fand via Videocall statt.

STANDARD: Wie ist es denn zu Ihrer Beteiligung am Protest gekommen?

Palfrader: Martin Puntigam von den Science Busters hat mich gefragt, ob ich mich an der Aktion beteiligen will. Ich war davor auch schon Mitglied der Initiative für Tempo 100/80/30, also konnte ich mich mit den Zielen von Kabarettist:innen for Future gut identifizieren.

STANDARD: Mit den Zielen ja, aber auch mit den Klebeaktionen der Letzten Generation?

Palfrader: Das Ankleben finde ich eigentlich problematisch, weil Leute zum Handkuss kommen, die an der Situation nur wenig Schuld tragen. Aber ich habe Verständnis für den Protest, weil die Aktivistinnen und Aktivisten keine andere Möglichkeit mehr sehen, sich Gehör zu verschaffen. Mit meiner Teilnahme wollte ich Aufmerksamkeit auf die Initiative tempolimit-jetzt.at lenken. Ich bin der festen Überzeugung, dass jeder Mensch, der sich ein paar Minuten Zeit nimmt, diese Website zu lesen, kaum Argumente finden wird, warum man nicht für das Tempolimit sein sollte.

Bekannte Personen aus Österreichs Satireszene traten als "Kabarettist:innen for Future" in Erscheinung.
Foto: APA

STANDARD: Kabarettisten genießen in diesem Land große Beliebtheitswerte in der breiten Bevölkerung. Stört es Sie nicht, wenn Sie sich jetzt den Volkszorn zuziehen?

Palfrader: Also angenehm ist es nicht, das kann ich Ihnen sagen. Ich habe extrem viele Ohrfeigen bekommen. Aber ich kann mich in dieser Sache nicht verbiegen. Florian Scheuba hat einmal geschrieben: Ein Kabarettist, der von jedem gemocht werden will, ist wie ein Türsteher, der jeden reinlässt. Ich versuche, auf Zuschriften zu antworten. Das Gute ist: Es ist mir fallweise gelungen, Menschen ein bisschen zum Umdenken zu bringen. Manche wollen Tempo 100/80/30 zumindest einmal ausprobieren.

STANDARD: Sie persönlich halten sich schon jetzt daran?

Palfrader: Ja! Und ich sage Ihnen eines: Es ist nicht angenehm. Weil man als Verkehrshindernis wahrgenommen wird. Neulich war ein Lkw hinter mir, der der Meinung war, er muss mich anschieben. Vielleicht wollte er im Kofferraum mitfahren, was weiß ich. Also es kann nur sinnvoll funktionieren, wenn es alle machen. Ich kann mich noch gut an die Einführung der Gurtenpflicht erinnern: Eine Tante von mir hatte gröbste Probleme damit, weil sie meinte, der Gurt drücke ihr die Luft ab. Heute zweifelt kein Mensch mehr an dieser Maßnahme. Es ist doch keines der Zehn Gebote, dass man auf der Autobahn 130 fahren muss. Mein Vorschlag: Probieren wir es einmal aus, ein paar Monate, und dann schauen wir weiter.

Robert Palfrader bei der Blockadeaktion am Montag. Ankleben würde er persönlich sich aber nicht.
Foto: APA

STANDARD: Herr Steurer, was würde Tempolimit 100 dem Klima bringen?

Steurer: Tempo 80 und 100 würden 800.000 Tonnen CO2 im Jahr einsparen. Hinzu kommt: Weniger Verkehrstote, weniger Kraftstoffverbrauch, weniger Lärm. Außerdem wird Österreich sehr wahrscheinlich im Jahr 2030 mit Strafzahlungen von 4 bis 10 Milliarden* Euro belegt werden, weil wir die Emissionen nicht wie beschlossen halbiert haben. In anderen Ländern wurde Tempo 100 von Gerichten erzwungen, weil die Schadstoffe zu hoch waren. Dort war auch die Bevölkerung zunächst strikt dagegen, nach ein paar Jahren ist nun aber eine große Mehrheit dafür und will es nicht mehr missen.

Universitätsprofessor Reinhard Steurer tritt immer wieder bei Klimaprotesten auf und versucht, der Politik ins Gewissen zu reden.
Foto: APA

STANDARD: Straßenblockaden und Schüttaktionen in Museen polarisieren sehr stark: Läuft man nicht Gefahr, das Gegenteil dessen zu erreichen, was man eigentlich will?

Palfrader: Ich schwör’s Ihnen: Mir wär auch lieber, der Schas wär endlich vorbei. Aber dafür müsste die Politik Klimamaßnahmen endlich ernst nehmen. Es passiert zu wenig.

Steurer: Wir sehen im Grunde eine Notwehrmaßnahme von überwiegend jungen Menschen, die nicht mehr zusehen wollen, wie ihre Zukunft zerstört wird. Aus der Geschichte wissen wir, dass ziviler Ungehorsam zunächst immer unbeliebt ist, aber auf lange Sicht Dinge verändert, wie bei der US-Bürgerrechts- oder der Frauenbewegung.

Palfrader: Ich würde mir wünschen, dass nicht nur Fernsehkasperln wie ich oder seriöse Wissenschafter wie der Herr Steurer diese Initiative unterstützen, sondern dass es zu einem breiteren Zusammenschluss kommt: Wo sind die Skifahrer, Fußballer, Notare und Steuerberater?

STANDARD: In Ihrer Paraderolle als Kaiser gefragt: Wünscht man sich manchmal einen gütigen Klimadiktator, der Unpopuläres durchsetzt?

Palfrader: Nein, nein und nochmal nein. Jede Form der Diktatur ist ein Blödsinn. Ich glaube sowieso, dass es eigentlich eine stumme demokratische Mehrheit in der Bevölkerung gibt, die nur darauf wartet, dass endlich wirksame Maßnahmen gesetzt werden.

Steurer: Die Rede von der Ökodiktatur wird ja oft polemisch bemüht. Ich kann dazu nur sagen: Die wahre Ökodiktatur werden wir dann erleben, wenn wir nicht handeln. Wenn tagsüber in Ostösterreich kein Wasser mehr aus dem Hahn kommt, wenn in weiten Teilen Europas keine Landwirtschaft mehr möglich ist. Das ist dann Ökodiktatur. (Stefan Weiss, 19.5.2023)