Michelle O'Neill sprach von einem "bedeutsamen" Erfolg.

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Belfast – Erstmals hat eine Partei die meisten Stimmen bei der Kommunalwahl in Nordirland gewonnen, die eine Vereinigung der britischen Provinz mit dem EU-Nachbarland Irland anstrebt. Die katholisch-nationalistische Partei kommt dem Endergebnis zufolge auf 31 Prozent der Stimmen, acht Punkte mehr als bei der Wahl vor vier Jahren. Damit entfallen auf sie 144 der 462 zu vergebenden Mandate, 39 mehr als zuvor.

Bereits bei der regionalen Parlamentswahl war die Partei, die einst als politischer Arm der Untergrundorganisation IRA galt, erstmals stärkste Kraft geworden. Die größte protestantisch-unionistische Kraft DUP kommt wie vor vier Jahren auf 122 Mandate und 23 Prozent der Stimmen. DUP-Chef Jeffrey Donaldson räumte ein, dass die Anhänger der Union mit Großbritannien aus dem Ergebnis nun Lehren ziehen müssten.

Wahlbeteiligung von 54 Prozent

Wahlberechtigt bei der Abstimmung am vergangenen Donnerstag waren gut 1,3 Millionen Menschen im kleinsten britischen Landesteil. Die Wahlbeteiligung lag bei 54 Prozent. Wegen des komplizierten Wahlsystems dauerte die Auszählung mehr als zwei Tage.

Die Kommunalwahl galt auch als Test für die im März besiegelte Reform des Nordirland-Protokolls, durch das die britische Provinz Teil des EU-Binnenmarkts bleibt und deshalb einige EU-Regeln einhalten muss. Die Vereinbarung soll die Grenze zwischen Nordirland und dem EU-Staat Irland offen halten – auch, um ein Wiederaufflammen des Nordirland-Konflikts zu verhindern. Die DUP lehnte die Reform ab und hoffte, bei der Kommunalwahl ihre Position zu stärken, um auf Zugeständnisse zu drängen. Der Erfolg von Sinn Féin ging auf Kosten von Parteien, die mehr in der politischen Mitte anzusiedeln sind.

"Es findet ein historischer Wandel statt, und Sinn Féin führt diesen Wandel in ganz Irland an", sagte deren Parteichefin in Nordirland, Michelle O'Neill. Das Ergebnis zeige, dass die Wähler wollten, dass die DUP den 15-monatigen Boykott der Regionalversammlung beende.

Regierungsblockade

Gemäß dem Karfreitags-Friedensabkommen von 1998, das den rund 30-jährigen, blutigen Konflikt zwischen Nationalisten und Unionisten weitgehend beendet hat, müssen sich die beiden Lager auf einen Parlamentspräsidenten einigen, bevor eine Regierung gewählt werden kann. Die DUP verweigerte aber dem Personalvorschlag von Sinn Féin die Zustimmung, auch um Druck im Streit über das Nordirland-Protokoll auszuüben.

O'Neill forderte die DUP auf, die Regierungsblockade aufzuheben. "Es ist an der Zeit, dafür zu sorgen, dass die Politik für alle Menschen und Gemeinschaften funktioniert und eine bessere Zukunft für alle schafft", sagte sie. Die jüngste Volkszählung hatte ergeben, dass in Nordirland erstmals mehr Katholiken als Protestanten leben.

O'Neill ist die designierte Regierungschefin der britischen Provinz. Das Karfreitagsabkommen sieht vor, dass die jeweils stärkste Partei der beiden Lager gemeinsam eine Einheitsregierung bilden. Dabei steht der Partei mit den meisten Stimmen der Posten des Regierungschefs zu und der anderen die Position des gleichberechtigten Vize. (APA, 21.5.2023)