Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa (rechts) und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin (hier auf einem Bild vom Oktober 2019) pflegten zuletzt recht gute Beziehungen.

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Mangelnde Chuzpe kann man den afrikanischen Präsidenten nicht vorwerfen. Sechs Staatschefs des Kontinents wollen in Kürze sowohl nach Moskau als auch nach Kiew reisen, um den Kriegsparteien einen Friedensplan zu unterbreiten, gab Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa vergangene Woche bekannt – ohne Einzelheiten des Plans mitzuteilen. Die Präsidenten Russlands und der Ukraine hätten die Initiative begrüßt, fuhr Ramaphosa fort. Das hätten ihm sowohl Wladimir Putin wie Wolodymyr Selenskyj in Telefongesprächen zu verstehen gegeben.

Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass afrikanische Staatschefs bei einem europäischen Konflikt als Vermittler auftreten. Bisher war das immer nur umgekehrt der Fall. Berichte über die afrikanische Friedensinitiative kursieren schon seit geraumer Zeit. Als ihr Initiator gilt der französische Geschäftsmann Jean-Yves Ollivier: Der 78-jährige einstige Rohstoffhändler war bereits in der Vergangenheit als Friedensstifter aktiv. Unter anderem soll er die Unabhängigkeit Namibias mit angebahnt haben. Dem Gründer der "Brazzaville Foundation" wird allerdings seine Nähe zu dem autokratischen Herrscher der Republik Kongo, Denis Sassou-Nguesso, vorgeworfen, für den er umstrittene Rohstoffdeals eingefädelt haben soll.

Zweifelhafter Leumund

Sassou-Nguesso zählt zur sechsköpfigen afrikanischen Friedensdelegation, der außer dem Südafrikaner Ramaphosa noch die Staatschefs des Senegal, Ugandas, Sambias und Ägyptens angehören. Der Leumund einer Mehrheit der Präsidenten ist zweifelhaft: Außer Sassou-Nguesso halten sich auch der Ägypter Abdelfattah al-Sisi und der Ugander Yoweri Museveni mit allen Mitteln an der Macht fest. Vier der sechs Staaten enthielten sich bei der Verurteilung von Putins Überfall auf die Ukraine in der UN-Vollversammlung der Stimme. Ihre Neutralität ermögliche ihnen eine Rolle als Unterhändler, meinte Ramaphosa damals.

Allerdings wurde ausgerechnet Südafrikas Neutralität in jüngster Zeit in Frage gestellt – durch angebliche Waffengeschäfte zwischen Moskau und Pretoria, eine gemeinsame Marine-Übung der beiden Staaten sowie zahlreiche Besuche hochrangiger südafrikanischer Persönlichkeiten in Moskau. Darunter waren die Verteidigungsministerin, der Streitkräftechef sowie eine Delegation des regierenden Afrikanischen Nationalkongresses.

Dicke Luft zwischen Südafrika und USA

Vor allem wegen der Waffengeschäfte kam es zwischen Pretoria und Washington jüngst zu erheblicher Verstimmung: Südafrika muss befürchten, von den US-Zollerleichterungen ausgeschlossen zu werden – eine für Südafrikas Wirtschaft katastrophale Aussicht. Vor allem aus diesem Grund habe Ramaphosa jetzt die schlummernde Friedensinitiative wachgerüttelt, ist der südafrikanische Kommentator Kudakwashe Magezi überzeugt: "Um sich gegenüber den USA jetzt als Friedensstifter präsentieren zu können."

Schwer wird es den Afrikanern auch fallen, sich gegenüber anderen Anwärtern auf einen Friedensnobelpreis zu profilieren. Wenn jemandem eine realistische Chance auf die Organisation von Verhandlungen eingeräumt wird, dann China. Generell gelten Verhandlungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt als verfrüht: Noch seien beide Seiten überzeugt, dass sie den Konflikt militärisch lösen können, heißt es verbreitet.

Die afrikanische Initiative werde in der Ukraine nichts ändern, ist Stephen Chan von der Londoner Schule für Orientalische und Afrikanische Studien überzeugt: "Die Delegation wird sowohl von Putin wie von Selenskyj gewiss höflich empfangen. Aber genauso höflich wieder nach Hause geschickt." (Johannes Dieterich, 22.5.2023)