Die Gastro-Tragödie um die Sportleroase an der Hauptallee begann vor rund zehn Jahren – und endet nun.

Foto: Thomas Rottenberg

Ja, das hat wehgetan", sagt Zlatka Helbig. Ihr ebenso wie ihrem Mann Roland. Denn auch wenn sich die beiden Pensionisten schon vor neun Jahren von der Sportleroase verabschiedet hatten, "reißt es einem doch das Herz raus, wenn du an einen Ort zurückkommst, den du mit viel Fleiß und Schweiß aufgebaut hast – und da ist nichts mehr. Gar nichts."

Jetzt, im Nachhinein, meint Zlatka Helbig, wünsche sie sich manchmal, sie hätte auf jene innere Stimme gehört, die ihr geraten hatte, nicht herzukommen. Zum Schranken zwischen Hauptallee und Stadionparkplatz. Denn dann hätte sie das leere Eck nicht gesehen. Jenes Eck, an dem sie als "Goldie" fast schon legendär war. So wie die von ihr und ihrem Mann Roland geschaffene Institution: die Sportleroase Prater. Obwohl von dem, was die "Oase" ausgemacht hat, eh kaum etwas übrig war. "Ja, wir haben uns geärgert. Aber zu sehen, dass nichts mehr da ist, ist was anderes: Die Sportleroase war unser Kind."

Nicht nur das der Helbigs. Ja, in den vergangenen Jahren kursierte in der Wiener Laufcommunity ein geflügeltes Wort: Wohl der einzige Ort entlang der Hauptallee, an dem man mit ziemlicher Sicherheit KEINE Sportlerinnen und Sportler finden würde, sei der Würstelstand, auf dessen Schild "Sportleroase" stehe. Aber Witze helfen beim Trauern. So wie dieser. Er beschreibt eine Wiener Gastro-Tragödie, die im März 2014 begann – und nun endet. Denn im Frühjahr 2014 verkauften die Helbigs ihren mehr als gutgehenden Imbiss. "Wir haben uns um seine Zukunft keine Sekunde Sorgen gemacht."

Das Eck, eine Goldgrube

Wenig verwunderlich. Denn strategisch günstiger als die Sportleroase kann ein Imbiss kaum liegen: Am Stadionparkplatz parkt, wer mit dem Auto in den Prater kommt. Nicht nur, weil man hier zweieinhalb Stunden gratis steht, sondern auch, weil hier die Kreuzung von Haupt- und Stadionallee die Mitte des Vier-Kilometer-Betonstreifens Prater-Hauptallee und damit die Mitte des Praters markiert. (Für die meisten Wiener endet der Prater beim Lusthaus. Andere Geschichte.)

Einmal über den "Strip" ist man auch in der Hundezone. Außerdem ist der Stadionparkplatz der Vorhof des Stadionbades. Vor allem aber treffen sich beim (geschlossenen) Schranken vom Parkplatz zur Prater-Hauptallee alle Laufgruppen, die im Prater laufen: Hundertschaften – am Ende des Trainings sind sie durstig.

Und: An Spieltagen führt ein Hauptweg ins und aus dem Happel-Stadion hier vorbei. Wer hier ausschenkt, hat wohl ausgesorgt: Das Eck ist eine Goldgrube. Wienerisch "a gmahde Wiesn". Sollte man meinen. Doch als die Helbigs 2004 hier einen damals noch namenlosen Imbiss übernahmen, hatten ihre Vorgänger es beinahe geschafft, die erst 2001 eröffnete Hütte – eigentlich ein umgebauter Wohnwagen – in den Sand zu setzen. Da einer der Unglücksraben ihr Sohn ist, sagt Zlatka Helbignur, sie, "hätte es schade gefunden, wenn der Wohnwagen, den wir im Garten umgebaut hatten, am Schrottplatz gelandet wäre".

Ein Teil Lauf- und Freizeitsport-Infrastruktur

Sie und ihr Mann übernahmen also – und machten etwas richtig. Menschlich und beim Angebot: Anderswo hätten sie wohl deutlich mehr Käsekrainer und Jägermeister verkauft als Eis und gespritzten Apfelsaft. Bald war der Imbiss fixer Bestandteil der Wiener Lauf- und Freizeitsport-Infrastruktur. Doch weil "Imbiss" oder "Würstelstand" als Treffpunkt für Sportgruppen nicht so super klingt, suchten "die Laufgruppen nach einem passenden Namen".

Im Sommer 2005 war das Schild da: "Sportleroase Prater" – und Zlatka Helbig deren Dreh- und Angelpunkt. Bekannt ist die gebürtige Bulgarin, die früher Sängerin war, auch als "Goldie": "Zlatka heißt übersetzt ‚das goldene Mädchen‘ – das habe ich auch hier zu meinem Namen gemacht."

Allerdings waren Goldie und Roland Helbig schon damals auf dem Weg in die 70er. Irgendwann denkt man da – gerade in der Gastro – an die Pension. Sucht Nachfolger. In Norbert U. und Werner V. fanden sie die Helbigs 2014 dann. Weil U. ein langjähriger Mitarbeiter war, "sind wir mit dem Preis runtergegangen".

Ab da ging es abwärts: Binnen eines Jahres zerkrachten sich U. und V. komplett. U. tauchte ab. Und Werner V. entwickelte bei der Wahl seiner Lieferanten wohl ein ebenso ungeschicktes Händchen wie bei der Pflege seines Publikums. Was genau schiefging, lässt sich schwer rekonstruieren: V. war für den STANDARD trotz etlicher Anläufe auf unterschiedlichen Wegen nicht erreichbar, die Social-Media- und Web-Präsenz der Oase ist nur eine Fata Morgana.

Im Firmenbuch und auf Lokaltipp-Seiten öffentlich einsehbare Telefonnummern sind entweder tot – oder führen zu den Helbigs: Ja, das sei ein "bissi blöd gelaufen damals", seufzt die ehemalige Oasenchefin. Rechtlich sei aber zum Glück alles klar. Lieferanten und Gläubiger könne man aufklären. Schmerzlicher sei es, wenn Gäste anriefen und sich über Um- und Zustände beschwerten.

Der Platz wurde geräumt

Hätten die gleichen Leute stattdessen beim Liegenschaftseigner, der Wiener Sportstätten Betriebsgesellschaft mbH, angerufen, wären ihre Klagen wohl auf einer Liste gelandet, die der Verpächter angeblich schon länger führt: "Beschwerden traten in unregelmäßigen Abständen in der Meldung sanitärer Übelstände infolge mangelnder Abfallentsorgung durch den Gastronomen auf. Diese mussten immer wieder vonseiten der Stadionbetreiberin beseitigt werden." Die Beschwerden betrafen auch "stark alkoholisierte Personen", heißt es seitens der zur Wien Holding gehörenden Sportstätten Betriebsgesellschaft.

Als nun – Ende März – der Platz geräumt wurde, war das der Schlussakkord eines längeren Finales. Schon 2020 war der Pachtvertrag seitens der Betreibergesellschaft – nach mehrfacher Ankündigung – gekündigt worden. Die Räumung konnte aber "erst im Zuge der Insolvenz rechtlich durchgesetzt werden": Die Pachtrückstände der Oase sollen um die 50.000 Euro betragen haben, hinzu kommen dem Vernehmen nach hohe Sozialversicherungsrückstände und geprellte Lieferanten.

Ab Juni Baustelle

Im Oktober erklärte der Masseverwalter, dass die Insolvenzmasse nicht ausreiche, um die Masseforderungen zu erfüllen. Anfang November wurde dann die endgültige Schließung angeordnet. Dass der einstigen Kern- und Stammklientel aber erst jetzt, nach der Schleifung, auffällt, dass es die Sportleroase nicht mehr gibt, ist bezeichnend: Sie war seit Jahren nur noch eine Erinnerung. Man lief vorbei: Der Witz "Wo findet man im Prater keine Sportler?" war gar keiner.

Wie es weitergeht? Gar nicht: Unmittelbar nach dem Frauenlauf am 4. Juni wird die Fläche Baustelle – bis weit ins Jahr 2024. Und für danach will sich die Sportstätten Betriebsgesellschaft weder festlegen noch in die Karten schauen lassen: "Eine Neuvergabe wird gegebenenfalls für 2024 vergaberechtskonform zur Ausschreibung gebracht." (Thomas Rottenberg, 21.5.2023)