Weil eine Lücke bei der Stromproduktion identifiziert wurde, gibt es einen Ausbauplan bis 2030

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Es ist ein ziemlich ambitionierter Plan. Bis zum Jahr 2030 will die Regierung, dass 100 Prozent des Stromverbrauchs in Österreich aus erneuerbaren Quellen entstehen. Aktuell kommen 80 Prozent des Stromes aus Wasserkraft, von Wind und Sonne. Wirklich ambitioniert erscheint der Plan aber, weil bis 2030 der Stromverbrauch im Land nach allen Prognosen deutlich steigen wird: So sollen hunderttausende neue Wärmepumpen dazukommen, wenn sich das Land langsam von Öl- und Gasheizungen in Häusern und Wohnungen verabschiedet. Dazu kommt der Ausbau der E-Mobilität.

Genau an der Machbarkeit dieses Ausbaus meldete der Chef der Wirtschaftskammer, Harald Mahrer, im STANDARD-Interview am Wochenende Bedenken an. "Ich würde gern wissen, wie die Ladeinfrastruktur dafür ausschaut, wie die Stromproduktion und wie das Leitungsnetz. Es gibt dafür in Europa keine vernünftigen Aufbaupläne. Wir haben in Österreich bis 2030 eine Lücke von 40 Terawattstunden bei der Stromproduktion, die sich auftut. Und mir gibt niemand, weder aus der Elektrizitätswirtschaft noch aus der Spitzenpolitik, eine Antwort, wie sich das ausgehen soll", sagt der Wirtschaftskammerchef. Vor allem, dass sich die großen Autoerzeuger in Europa auf E-Autos versteifen, findet Mahrer angesichts der drohenden Stromlücke bedenklich. Aber was ist dran an der Warnung?

Der STANDARD hat mehrere Experten danach befragt, was es mit dieser 40 Terawattstunden-Lücke auf sich hat – keiner kannte die Zahl oder konnte sie zuordnen.

Die Erzählung der Fachleute geht tatsächlich etwas anders: So tue sich in der Tat eine Lücke bei der Stromproduktion auf, aber das sei bereits vor Jahren erkannt worden, weshalb es Ausbaupläne für erneuerbare Energiequellen bis 2030 gibt. Diese sind recht ambitioniert. Aktuell deutet sich an, dass die Ziele beim Ausbau nicht ganz erreicht werden könnten, aber um das zu beurteilen, sei es noch etwas früh – und die mögliche Lücke, die droht, ist viel kleiner, als Mahrer andeutet.

Ein Plan gegen die Lücke

Konkret geht die türkis-grüne Regierung im Rahmen ihrer 2020 erstellten "Mission 2030" davon aus, dass bis 2030 27 Terawattstunden extra an erneuerbaren Energiequellen gebraucht werden. Das soll laut Prognose ausreichen, um den zusätzlichen Strombedarf abzudecken und das Ziel der Dekarbonisierung in der Stromwirtschaft zu erreichen. Weil die Erzeugung von Strom mit fossilen Quellen gleichzeitig zurückgefahren werden muss, würde die Stromerzeugung damit unterm Strich von aktuell 70 auf etwa 88 Terawattstunden bis 2030 steigen, sagt Christian Zwittnig von "Österreichs Energie", der Interessenvertretung der heimischen E-Wirtschaft.

Wie realistisch die Ziele sind, ist schwer zu beurteilen. So wurde bei der Berechnung des künftigen Strombedarfs angenommen, dass etwa ein Drittel der Pkw-Flotten bis 2030 elektrisch sein wird in Österreich. Je nach Perspektive ist dieses Ziel schwer zu erreichen oder leicht zu übertreffen. Aber bessere Zahlen und Annahmen gibt es nicht. Ist Österreich also auf dem Weg, dieses Ziel zu erreichen?

Der Ausbau von Windenergie, Wasserkraft und Photovoltaik läuft. Laut einer Befragung von "Österreichs Energie" unter Stromproduzenten im vergangenen Jahr gibt es von den benötigten 27 Terawattstunden für etwas mehr als elf tatsächlich bereits Baupläne, oder die Konstruktion entsprechender Anlagen hat sogar begonnen. 16 Terawattstunden fehlen demnach noch in den kommenden Jahren. Bei genauerem Hinsehen lässt sich erkennen, dass sich wohl Lücken auftun.

Der Energiemarktexperte Lukas Stühlinger von Fingreen rechnet vor: Zwischen 2021 und 2023 wurden Windkraftanlagen um zwei Terawattstunden ausgebaut. Tatsächlich müssten bis 2030 zehn Terawattstunden dazukommen. Beim aktuellen Tempo werden es bis 2030 nur um die sechs bis sieben sein. Bei Photovoltaik, dem zweiten großen Pfeiler, auf dem der Plan beruht, scheinen die Ausbauziele beim aktuellen Tempo erreichbar zu sein. Die sich abzeichnende Lücke in der Stromerzeugung insgesamt liegt also eher im niedrigen einstelligen Bereich – sofern die Prognosen zutreffend sind. (András Szigetvari, 22.5.2023)