Der Winter lockt nur eine Zeitlang mit Weihnachtsvorfreuden. Spätestens wenn Hosenbünde zum Bersten gespannt sind und Abendkleider einen ungeplanten, weil nicht verschließbaren Rückenausschnitt bieten, ist es vorbei mit Winterfreude. Da wartet man bereits auf erste Wärme, hegt Meeressehnsüchte, träumt von zarter Bräune, saftigen Südfrüchten, geflochtenen Sandalen und weißem Leinen.

Es heißt zwar, eine Schwalbe mache noch keinen Sommer, aber welches Vögelchen zum Teufel hat den Frühling gestohlen?!
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Dazwischen sollte aber doch noch das große Blühen liegen, die Marillenbäume, die Ranunkeln, die Libido und so weiter. Allerdings lässt dieser Zeitraum ordentlich nach! Es heißt zwar, eine Schwalbe mache noch keinen Sommer, aber welches Vögelchen zum Teufel hat den Frühling gestohlen?!

Es hagelt und matscht bis in den späten April. Im Wintermantel hockt man säuerlich zwischen vom Wind abgerissenen und wie von weitem fallenden Kastanienblüten, als wäre Rilke schon wieder aktuell. Das Einzige, was perlend überläuft, ist die entzündete Blase. Man sitzt in warmer Hose und geschlossenen Schuhen und blickt traurig in den sprießenden Wein.

Und gleich danach kommt der Sommer mit über 25 Grad hereingetrampelt wie ein Elefant in den Porzellanladen, auf der Straße weichen Daunenjacken ohne Gnade den Muskelshirts, man fragt sich bitter, wo denn die Eleganz des Übergangs geblieben ist.

Die Schwalbe hat ihren Dienst zu früh getan, die Schwalbe kann gehen. (Julya Rabinowich, 21.5.2023)