Die positiven Effekte von Diversität sind gut dokumentiert. Je breiter der Pool an Personen, Erfahrungen und Perspektiven ist, desto mehr kann eine Organisation daraus schöpfen.

Wenn es gelingt, dann können echt diverse Teams so viel mehr als homogene.
Foto: IMAGO/Jose Luis Carrascosas

Mehr Vielfalt bedeutet mehr Kreativität, Ideen und Ressourcen. Unternehmen, die Menschen einbeziehen, sind mit doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit Innovationsführer. Integrative Organisationen bringen agilere Führungskräfte hervor, die besser in der Lage sind, Entscheidungen zu treffen und mit einer Vielzahl von Menschen und Kommunikationsstilen zu arbeiten. Unternehmen können erfolgreicher sein, wenn sie divers sind, und können diverser sein, weil sie erfolgreich sind – zum Beispiel weil sich mehr Menschen mit verschiedenen Eigenschaften und Hintergründen bei erfolgreichen Unternehmen bewerben.

Unsere derzeitige Auffassung von Vielfalt beruht aber zu oft auf äußeren Merkmalen wie Geschlecht, Hautfarbe und Nationalität. Diese Art der Vielfalt ist leicht messbar, wird oft noch durch Quoten festgezurrt, ist aber nicht notwendigerweise eine Näherung an das Aussagekräftige.

Äußerliche Pseudovielfalt

Ein Unternehmen, das ich gut kenne, hatte bereits vor einem Jahrzehnt drei Frauen im neunköpfigen Verwaltungsrat. Sie waren alle um die 50, mit einem ähnlichen Hintergrund und vergleichbarem Bildungsweg. Alle drei waren Mitglieder desselben Rotary-Clubs, wie auch vier ihrer männlichen Kollegen. Teamfähigkeit ist eine wichtige Eigenschaft von Führungskräften. Mitglieder homogener Gruppen haben die Gewissheit, dass sie die Ansichten der anderen leichter verstehen und eher zu einem Konsens gelangen können.

Im Laufe der Zeit wird die Definition der Vielfalt als solch äußerliche Pseudovielfalt aber eher zu einer Assimilierung als zu einer Vielfalt der Ideen führen. Wenn die überwiegende Mehrzahl eines Verwaltungsrats zum Beispiel ängstlich ist, dann wird in einem homogenen Gremium vielleicht niemand Alternativen aufzeigen. Es kann zwar sein, dass man eine andere Meinung vertritt als die vorherrschende. Jedes männliche oder weibliche Mitglied ist aber versucht zu überlegen: Wird man als dumm angesehen, wenn man die vorherrschende Meinung infrage stellt? Hat man etwas nicht gelesen oder gesehen, was die Wortführer wissen? Im Zweifel stemmt man sich dann nicht gegen die vermeintlich fundierte Mehrheitsmeinung. Vor allem wenn man am nächsten Tag im selben Club wieder Mittagessen geht.

Bessere Ergebnisse

Entscheidungsgremien müssen daher divers sein in weniger leicht messbaren Eigenschaften, vor allem Integrität und Mut. Echt diverse Gremien sind schwieriger zu führen. Es braucht mehr Arbeit, sie zusammenzustellen; länger, Themen auszudiskutieren. Und man muss gut darin sein, inhaltliche Differenzen nicht auf die persönliche Ebene zu verlagern.

Eben weil diverse Teams schwieriger zu führen sind, erfordern sie eine Eigenschaft, die an Spitzen von Organisationen oft zu dünn gesät ist: die Fähigkeit, zuzuhören und Meinungen zu ändern. Ohne sie kann echte Vielfalt zu zersetzenden Konflikten führen.

Die Arbeit in vielfältigen Teams führt zu besseren Ergebnissen, gerade weil sie schwieriger ist. Aber wenn es gelingt, dann können echt diverse Teams eben so viel mehr als homogene. (Veit Dengler, 21.5.2023)