Noch ein Bundesland, das schwarz-blau gefärbt wird. In seinem Gastkommentar kritisiert Literaturwissenschafter und Schriftsteller Klemens Renoldner die politischen Entwicklungen in Salzburg. Von Landeshauptmann Wilfried Haslauer würde er sich erwarten, Alternativen in Betracht zu ziehen.

Er selbst sieht keine Alternative zu einer Koalition mit den Freiheitlichen im Land: der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP).
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Nein, Herr Doktor Haslauer, es stimmt nicht, dass Sie nicht anders können. Jeder weiß, dass es mehrere Varianten für eine Koalition gibt, bis hin zu einer Minderheitsregierung. Sie müssen nur der Wahrheit ins Auge sehen, dass Sie die letzte Wahl verloren haben. Das lässt sich auch mithilfe der FPÖ nicht vertuschen.

Nein, Herr Doktor Haslauer, es ist nicht der Wählerwille der Salzburger Bürgerinnen und Bürger, dass die Statthalter Herbert Kickls an der Salzach an der Regierungsmacht beteiligt werden. Es sind lediglich 25 Prozent, die den autoritären Kurs "Österreich soll Ungarn werden" unterstützen. Und es sind mehr als 110.000 Menschen, fast ein Drittel der Wahlberechtigten, die nicht wählen gegangen sind. (Die ÖVP wurde hingegen nur von circa 81.000 Personen gewählt.) Wie erklären Sie sich diese Salzburger Politikverdrossenheit? Was haben Sie in den letzten zehn Jahren, da Sie Landeshauptmann sind, gegen diesen Politfrust der Menschen unternommen?

"Sie setzen den ausländerfeindlichen, europakritischen Kurs der türkis-demolierten ÖVP fort."

Nein, Herr Doktor Haslauer, es ist einzig und allein Ihre Entscheidung, die Salzburger ÖVP im Sinne der türkisen Parteilinie Wiens weiter an den rechten Rand zu ziehen, den sozialen Alltag der ärmeren Menschen in diesem Bundesland in den rechten Sand zu setzen, das Renommee der Festspielstadt Salzburg an die rechte Wand zu fahren. Sie setzen den ausländerfeindlichen, europakritischen Kurs der türkis-demolierten ÖVP fort – trotz Ibiza-Video, trotz "Bist eh Familie!", trotz Kurz-, Blümel-, Sobotka- und Nehammer-Desaster, trotz der Serie von Rücktritten und Korruptionsfällen in Ihrer Partei. Sie verhelfen einer demokratiefeindlichen Clique zu Amt und Würden, in der sich, wie Oskar Deutsch, der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien festgestellt hat, auch zahlreiche "Kellernazis" befinden. Diese sind aber nicht regierungsfähig.

Autoritäre Anmaßungen

Nein, Herr Doktor Haslauer, man kann Sie nicht ahnungslos und naiv nennen. Es ist Ihre Berechnung und Ihr Kalkül. Sie haben nicht vergessen, wie abwegig Sie es noch 2013 fanden, eine Koalition mit der FPÖ einzugehen. Sie haben sich daher, auch 2018, wieder mit den Grünen verbunden. Sie haben auch nicht vergessen, wie oft Sie zuletzt im Wahlkampf gegen die autoritären Anmaßungen der FPÖ Stellung genommen haben. Aber jetzt ist Ihnen das alles wurscht?

Nein, Herr Doktor Haslauer, Ihre am Mittwoch in einer Kürzestpressekonferenz verkündete Salzburger Variante der "Message-Control" erinnert sehr an jene andere eines kläglich gescheiterten Politikers. Sie und viele andere in der ÖVP haben ihm die totale Macht in die Hand gegeben, damit er und eine bestimmte Clique sich das Land Österreich unter den Nagel reißen können. Ihre neueste türkis-blaue Verabredung zu Anstand, Höflichkeit und was nicht noch alles wird auch nicht funktionieren. Sie werden sich an dieses Versprechen dann nicht mehr erinnern, wenn das koalitionäre Chaos perfekt ist.

Rechter Pakt

Nein, Herr Doktor Haslauer, Ihre Glaubwürdigkeit als verantwortlicher Politiker ist mit diesem rechten Pakt dahin. Gab es nicht einmal das Gerücht, Sie wären ein passabler Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten? Man hörte auch, Sie wären lieber ein weltgewandter Festspielpräsident geworden? Diese Träume sind nun vorbei. Sie machen lieber mit diesem dumpfen Mia-san-mia- und Ausländer-raus-Österreichertum der FPÖ gemeinsame Sache. Statt eines Plädoyers für ein großzügiges, tolerantes, vom Humanismus geprägtes Österreich in einem gemeinschaftlichen Europa öffnen Sie dem billigsten Nationalismus die Türe in den Chiemseehof. Das ist erbärmlich!

Nein, Herr Doktor Haslauer, ich verstehe auch nicht, warum die sonst so anspruchsvollen Persönlichkeiten des Salzburger Kulturlebens nicht öffentlich erklären, wie schädlich diese Koalition sein wird. Warum sie nicht laut verkünden, was sie denken, nämlich dass es für eine international renommierte und weltoffene Kulturstadt eine Schande ist, wenn in der Regierung ausländerfeindliche und rassistische Tendenzen vertreten sind. Wohlhabende Touristinnen und Touristen aus allen Ländern hofieren, gleichzeitig eine billige Polemik gegen die EU auftischen und die allgemeinen Menschenrechte infrage stellen – was für ein großartiges Bild Salzburgs entsteht da?

Kleine Chance

Ja, Herr Doktor Haslauer, Sie haben noch eine kleine Chance, im Sinne eines europäischen Österreich mit Anstand, Anspruch und Niveau zu agieren, indem Sie die FPÖ umgehend in die Puszta schicken – wohin sie ohnehin gerne möchte. Ersparen Sie Salzburg und Österreich dieses Debakel! (Klemens Renoldner, 22.5.2023)