Elmar Pichl (Sektionschef Wissenschaftsministerium), Karim Kakhzar (HAW Fulda, Hessen), Ulrike Prommer (oberste Vertreterin der heimischen FHs), Eva Werner (Qualitätssicherungsagentur AQAustria), Viktoria Weber (Weiterbildungs-Uni Krems) und Eric Veulliet (HAW Weihenstephan, Bayern) in St. Pölten beim Forschungsforum.
Foto: christoph böhm

Die deutschen Kollegen hätten es der heimischen Fachhochschulspitze schöner nicht sagen können: "Regionen, die sich auf einem alten Typ Fachhochschule ausruhen, werden merken, dass das nicht wettbewerbsfähig ist. Seien Sie mutig, gehen Sie diesen Schritt!", appelliert etwa Eric Veulliet, Präsident der Hochschule für Angewandte Wissenschaft (HAW) Weihenstephan-Triesdorf in Bayern. "Unser Druck wird in Österreich Wirkung zeigen", sagt Karim Kakhzar, Präsident der HAW Fulda (Hessen) – Wegbereiter der Umbenennung deutscher Fachhochschulen in "Hochschulen für Angewandte Wissenschaft" und Wegbereiter für ein eigenständiges Promotionsrecht der 240 HAWs mit rund einer Million Studierenden in Deutschland.

Bayern, attestiert Kakhzar, liege in einem großen Standortwettbewerb mit Österreichs FHs – die 17 HAWs sind dort wesentliche Profiteure der Hightech-Agenda, die fast drei Milliarden Euro zur Verfügung stellt: Hunderte Professuren, wissenschaftliche Planstellen und wesentliche Sachmittel können daraus lukriert werden.

Kontinuierliche Forschungsfinanzierung

Damit ist die Kernforderung der heimischen Fachhochschulen angesprochen: Kontinuierliche Finanzierung der Forschungsleistungen, die derzeit fast ausschließlich aus Drittmitteln finanziert werden und somit nicht nur "Projekthopping" begünstigen, sondern auch Hemmnis für Forschungskarrieren, damit für einen Ausbau der Qualität in der Lehre seien, wie die oberste Vertreterin des Sektors, Ulrike Prommer, klagt. Fixe Bundestöpfe für die HAWs können die deutschen Kollegen zwar nicht präsentieren, aber ein wachsendes Netzwerk an Töpfen, die mehr Berechenbarkeit bringen.

Beim jüngst abgehaltenen Forschungsforum in St. Pölten, einer alljährlichen Leistungsschau der Forschungskooperationen der FHs mit jeweils regionalen Unternehmenspartnern, vertrat der zuständige Sektionschef im Wissenschaftsministerium, Elmar Pichl, das Ressort, das mit den Begehrlichkeiten konfrontiert ist.

Es wird geredet

Der Reihe nach: Die Umbenennung der heimischen Fachhochschulen bedürfe lediglich einer Novelle – quasi abgesegnet. Er lobt die FHs als "verlässlichen Partner", bleibt beim Thema der Bundesförderung für die Forschung aber zugeknöpft. Sein Weiterspielen des Balls an die FH-Erhalter (meistens die Länder) quittierten die Landesfinanzreferente in einer gemeinsamen Aussendung umgehend mit der Forderung, die nunmehr rund 14 Millionen Euro Sonderbudget für Forschung doch auf 25 aufzustocken. Pichl erinnert an die Fördertöpfe des Wirtschaftsministeriums, signalisiert jedoch Offenheit – diese allerdings jeweils orientiert an den Stärken der jeweiligen FHs. Etwa ein Viertel der 21 heimischen FHs sei "klar voran" in Sachen F&E. Natürlich beobachte man die Entwicklungen in Deutschland – hier und jetzt im Plenum der Führungspersonen der heimischen FHs in St. Pölten ist ihm allerdings kein eigenes Promotionsrecht abzuringen. Ob das sein müsse, fragt auch Viktoria Weber, Vizerektorin für Personal an der Universität für Weiterbildung in Krems. Sie betreut kooperative Doktorate mit FH-Absolventen. Mehr Fokus auf den Ausbau dieser ("docfunds.connect") scheint ihr als nächster Schritt angemessen.

Ulrike Prommer will für ihren Sektor beides – eigenständiges Promotionsrecht und kooperative Programme. Da grätscht Karim Kakhzar ein, der über die Erfahrungen damit in den 16 Ländern berichtet: "Kooperative gibt es bei uns ja nach wie vor – es hat aber oft nicht gut funktioniert, in vielen Fällen haben wir keine positiven Erfahrungen."

Die aktuell rund 70.000 Studierenden an Österreichs FHs und ihre nachfolgenden Kommilitoninnen und Kommilitonen dürfen gespannt sein: Die Entwicklung des Sektors ist derzeit sehr dynamisch – gut möglich, dass zum demnächst fälligen 30er-Jubiläum der nächste Sprung erfolgt. (Karin Bauer, 23.5.2023)

Und was sagen die Verantwortlichen in den Fachhochschulen zu diesen Plänen? DER STANDARD hat sich umgehört:

Gerald Reisinger, Hochschulpräsident der FH OÖ:

Gerald Reisinger, FH OÖ
Foto: fh oö

"Für uns als FH Oberösterreich ist die Option einer Umbenennung nicht neu, wir beschäftigen uns schon länger damit. Wir sehen darin überwiegend Vorteile. Das Selbstverständnis als wissenschaftliche Hochschule im tertiären Sektor kommt durch den Terminus "Hochschule für Angewandte Wissenschaften" klar zum Ausdruck, die Gleichwertigkeit mit den Universitäten wird somit auch sprachlich noch eindeutiger. Auch wenn es nicht primär um eine Angleichung an Deutschland geht, ist ein möglichst einheitlicher Begriff für unsere Institutionen im deutschsprachigen Raum der Profilbildung dienlich. Außerdem wird noch klarer als in der Vergangenheit, dass unser Hochschultyp auf zwei Säulen steht, nämlich auf Lehre und Angewandter Forschung sowie einer engen Verschränkung dieser beiden Bereiche. Ich verbinde damit die Hoffnung, eine nachhaltigere Finanzierung unserer für die Wirtschaft essenziellen Angewandten Forschung zu erreichen. Diese regelt nämlich der Name alleine nicht."

Michael Heritsch, Geschäftsführer der FH Wien der WKW:

Michael Heritsch, FH Wien der WKW
Foto: fhwkw

"Die Bezeichnung ‚Fachhochschule‘ ist in Österreich ausgezeichnet positioniert. Die FHs werden dabei zunehmend auch mit innovativer Forschung und Entwicklung verbunden. Daher sehe ich derzeit keine Notwendigkeit für eine Umbenennung der FHs in ‚Hochschulen für Angewandte Wissenschaften‘."

Kristina Edlinger-Ploder, Rektorin der FH Campus 02:

Kristine Edlinger-Ploder, Campus 02
Foto: FH campus 02

"Im internationalen Kontext werden Fachhochschulen als "Universities of Applied Science" bezeichnet, deshalb ist es angebracht, die Verwendung auch im deutschsprachigen Raum zu ermöglichen. Die FH Campus 02 ist eine seit knapp 30 Jahren eingeführte Marke, eine Namensänderung ist in nächster Zukunft nicht geplant."

Stefan Fitz-Rankl, Geschäftsführer der FH Vorarlberg:

Stefan Fitz-Rankl, FH Vorarlberg
Foto: Matak Studios Fotografie&Film OG

"Die Fachhochschulen drängen darauf, dass sich endlich auch Österreich der internationalen Entwicklung im Hochschulsektor anschließt und angewandten Hochschulen wie der Fachhochschule Vorarlberg (FHV) die Weiterentwicklung ihres Tätigkeitsprofils ermöglicht. Gerade für uns in Vorarlberg sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen im Vergleich zu angrenzenden deutschen Bundeländern wie Baden-Württemberg und Bayern nicht attraktiv genug. Während in Bayern und BW (wie auch fast in ganz Europa) anwendungsorientierte Hochschulen und deren Forschung gestärkt werden, passiert dies in Österreich nicht. Die Fachhochschulen fordern daher nichts anderes, als uns die gleichen Möglichkeiten zu geben wie unseren Europäischen Hochschulpartnern.

Dass in Österreich die angewandte und wirtschaftsnahe Forschung an Fachhochschulen nicht durch den Bund unterstützt wird, sondern alleine aus den Mitteln der FHs zu tragen ist, ist ein zweites Thema, das in diesem Kontext zu sehen ist. Gerade für eine forschungsstarke Hochschule wie die FHV ist das ein massiver Nachteil. Als Hochschulen für angewandte Wissenschaften wären wir deutlich besser in den europäischen Hochschulraum eingebettet und international wettbewerbsfähig."

Armin Mahr, Geschäftsführer FH Wiener Neustadt

Armin Mahr, FH Wiener Neustadt
Foto: FHWN300

"In Bayern und anderswo war die Umbenennung der FHs in "Hochschulen für angewandte Wissenschaften" mit der Entwicklung von FH-Promotionsprogrammen, mit massiver Forschungsförderung und der Anerkennung eines eigenständigen, von den Unis ganz bewusst abweichenden, Qualitätsprofils verbunden. In drei Jahrzehnten wurden wir durch praxisnahe Forschung und Lehre zu jenen selbstbewussten Impulsgebern für die Standortentwicklung, die heute nicht wegzudenken sind. 30 Prozent der Hochschulabschlüsse Österreichs sind ein Vertrauensbeweis an die FHs. Sollte es also gelingen, im Jubiläumsjahr viele überfällige Schritte zu setzen, um Österreichs FHs im internationalen Wettbewerb zu stärken, etwa ihre Finanzierung endlich auf solide Beine zu stellen, so kann die Bezeichnung "Hochschulen für angewandte Wissenschaft" (im Englischen heißen wir ja längst so) eine gute neue Trägermarke sein – am besten einheitlich. Titel ohne Mittel sind sehr österreichisch, mit verbesserten Rahmenbedingungen könnten sie klimafreundliche Motoren sein."