Frauen sind häufiger von antimuslimischem Rassismus betroffen: Von insgesamt 135 Fällen abseits des Internets, bei denen das Geschlecht der Betroffenen bekannt war, betrafen 98 Frauen und 37 Männer.

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Der Verein "Dokumentations- und Beratungsstelle rassistischer Angriffe" – in Kurzform Dokustelle Österreich – hat im Vorjahr 1.324 Fälle von antimuslimischem Rassismus verzeichnet. Der überwiegende Großteil der registrierten rassistischen Übergriffe betraf Hass im Netz. Aber auch abseits des Internets wurden zahlreiche Übergriffe geortet, wie bei der Präsentation des achten Antimuslimischen Rassismus-Reports am Montag in der Brunnenpassage am Wiener Brunnenmarkt betont wurde.

Im Vergleich zum Jahr 2021 (1.061 Meldungen) wurden wieder mehr Fälle von antimuslimischem Rassismus registriert. Die bisher höchste Zahl wurde vom Verein im Jahr 2020 mit 1.402 rassistischen Übergriffen verzeichnet. Obfrau Rumeysa Dür-Kwieder verwies aber auch darauf, dass die Statistiken nur "eine Momentaufnahme" darstellen würden – und "in keiner Weise repräsentativ für das Phänomen antimuslimischer Rassismus in Österreich stehen". Aus den Meldungen ließen sich aber Tendenzen ableiten.

"Was Emily abtreibt, gebärt Aischa!"

1.080 der 1.324 Fälle wurden vom Verein als rassistische Übergriffe im Internet eingestuft. Mehr als 92 Prozent davon wurden der Kategorie "Verbreitung von Hass" zugeordnet, knapp sieben Prozent wurden als "Verhetzung" kategorisiert. Die Dokustelle weist aber auch darauf hin, "dass der rechtliche Rahmen keinesfalls definiert, was als antimuslimischer Rassismus im Internet gewertet werden kann". Dokumentiert wurden Postings mit abwertenden Begrifflichkeiten, Stereotypen oder Vorurteilen. Ein Beispiel ist etwa ein Posting der Freiheitlichen Jugend Wien: Die FPÖ-Jugendorganisation unterstützte eine Antiabtreibungs-Demo mit den Worten: "Bevölkerungsaustausch durch Hedonismus: Was Emily abtreibt, gebärt Aischa!"

Ein Anschwellen von verbaler Gewalt im Internet ist laut der Dokustelle auch mit bestimmten politischen Ereignissen verknüpft: So löste der Anfang 2022 bekannt gewordene Sideletter zwischen der ÖVP und den Grünen zu einem Kopftuchverbot für Lehrerinnen auch "eine Flut an Hasskommentaren spezifisch gegen Musliminnen aus", wie es im Report heißt.

Verurteilt wurde vom Verein der Begriff "Politischer Islam", der als "tendenzieller Kampfbegriff" bezeichnet wurde: Es gebe wachsende Tendenzen zwischen dem Einsatz dieses Begriffs und antimuslimisch rassistischen Online-Hasskommentaren.

Steigende Tendenzen bei rassistischer Polizeigewalt geortet

Von den 244 gemeldeten Fällen abseits des Internet wurde die Mehrheit im öffentlichen Raum sowie im Bildungsbereich wahrgenommen. Knapp ein Drittel der Fälle betraf Ungleichbehandlungen – gefolgt von Beleidigungen und Vandalismus.

Rechtsberaterin Dunia Khalil ortete auch eine steigende Tendenz, was rassistische Polizeigewalt betrifft. Sie erwähnte ein Beispiel, wonach ein Betroffener auf einer Polizeiwache misshandelt worden sein soll. Da es auf diesen bis heute keine Sicherheitskameras gebe, würde Aussage gegen Aussage stehen. Oft würden Betroffene laut Khalil auch davon absehen, eine Anzeige wegen eines möglichen rassistischen Übergriffs zu stellen. Laut der Dokustelle werden auch Schilderungen von Betroffenen vermerkt, die auf das "unrechtmäßige Erteilen von Verletzungen von Verordnungen" durch die Exekutive verweisen.

Dür-Kwieder, die Leiterin der Dokustelle, verwies am Montag auch auf das Wachstum des Vereins: Nach Jahren des ehrenamtlichen Engagements habe der Verein im Oktober 2022 erstmals eine Grundfinanzierung für vorerst zwei Jahre erhalten. Ausgebaut werde auch die psychosoziale und rechtliche Beratung.

Forderung nach Nationalem Aktionsplan gegen Rassismus

Gefordert wird vom Verein die umgehende Ausarbeitung und Umsetzung des bereits 2019 angekündigten Nationalen Aktionsplans gegen Rassismus durch die Bundesregierung – unter Einbindung der Zivilgesellschaft. Das wird von Ojeaku Nwabuzo von der internationalen NGO European Network Against Racism unterstützt. Der Verein Dokustelle ist ein Mitglied dieses europäischen Netzwerks. Gewünscht wird von der Dokustelle zudem, dass antimuslimischer Rassismus als gesamtgesellschaftliches Phänomen anerkannt wird.

Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) fordert die türkis-grüne Bundesregierung ebenfalls auf, den Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus umzusetzen. "Die Politik ist dazu angehalten, sich unmissverständlich gegen jedwede Form von rassistischer Diskriminierung gleichermaßen auszusprechen", forderte IGGÖ-Präsident Ümit Vural in einer Aussendung. Vural unterstrich zudem die Beobachtungen durch die Dokustelle: Es gebe immer dann einen Anstieg der Angriffe auf Moscheen sowie Hass- und Drohnachrichten, "wenn negative Islamnarrative gerade die gesellschaftspolitische Debatte beherrschen". (David Krutzler, 22.5.2023)