Staatspräsident Rumen Radev bei der Übergabe des Mandats zur Regierungsbildung an Marija Gabriel.

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Bulgariens frühere Regierungspartei Gerb, die die Wahlen am 2. April gewann, und das Wahlbündnis aus den Reformparteien "Wir setzen den Wandel fort" und "Demokratisches Bulgarien" einigten sich am Montag auf eine Koalitionsregierung. Zu der Vereinbarung gehört die Rotation in der Regierungsführung. Marija Gabriel von der Gerb wird neun Monate lang Premierministerin sein, danach wird Nikolaj Denkov vom Reformbündnis das Amt übernehmen.

Den ganzen Sonntag über fanden intensive Verhandlungen zwischen Gerb-Chef Bojko Borissov, dem Chef der Partei "Wir setzen den Wandel fort", Kiril Petkov, und Hristo Ivanov von "Demokratisches Bulgarien" statt. In den letzten zwei Jahren mussten die Bulgaren und Bulgarinnen bereits fünfmal wählen, weil die Parteien nicht in der Lage waren, stabile Regierungen zu bilden, und weil die Regierung von Petkov von einem Koalitionspartner gesprengt worden war.

Borissov verzichtet auf Premiersamt

Die jetzige Einigung auf eine Regierung ist insofern bemerkenswert, als die Parteien "Wir setzen den Wandel fort" und "Demokratisches Bulgarien" bislang eine Zusammenarbeit mit der als korrupt geltenden Gerb ausgeschlossen hatten. Doch der Druck, dass in Bulgarien endlich wieder eine gewählte Regierung und nicht die ständigen Technokraten-Regierungen, die von Staatschef Rumen Radev dirigiert werden, ins Amt kommt, war zuletzt enorm geworden.

Die Einigung war aber nur möglich geworden, weil Borissov auf das Premiersamt verzichtete und für die die bisherige EU-Kommissarin Marija Gabriel den Platz räumte. Die Tatsache, dass der Vize-Chef der Partei "Wir setzen den Wandel fort", Asen Vasilev, Finanzminister werden kann, hat auch zur Einigung beigetragen. Die Reformparteien kämpfen vor allem darum, dass in Bulgarien Rechtsstaatlichkeit durchgesetzt wird, die in den Borissov-Jahren massiv eingeschränkt wurde.

Generalstaatsanwalt abgesetzt

Eine der Hauptforderungen der Reformkräfte war in den vergangenen Jahren, dass deshalb der übermächtige Generalstaatsanwalt Ivan Gešev, der bislang als Verbündeter von Borissov galt, abgesetzt wird. Tatsächlich hat Borissov Gešev nun offensichtlich fallenlassen, um die neue Regierung bilden zu können. Denn Gešev bezeichnete nun die Gerb als "politische Mafia". Er hielt eine Pressekonferenz ab, zeigte öffentlich sein Rücktrittsschreiben, zerriss es dann aber wieder und meinte, Borissov habe schon lange vorgehabt, ihn loszuwerden.

Gešev behauptete auch, dass er Ziel eines Attentatsversuchs gewesen sei, doch zahlreiche sachliche Ungereimtheiten ließen zuletzt den Verdacht aufkommen, dass der gescheiterte Versuch inszeniert war. Unter Geševs Mandat hat die Staatsanwaltschaft in verschiedenen wichtigen Fällen, darunter Korruptions- und Geldwäschevorwürfe gegen die Gerb, keine Fortschritte erzielt. Die Staatsanwaltschaft reagierte auch nicht, nachdem 2021 und dieses Jahr Politiker nach dem Global Magnitsky Act der USA mit Sanktionen belegt wurden.

Prorussische Kräfte attackieren EU-Gebäude

Mit der Einigung auf eine Koalition zwischen Gerb und dem Reformbündnis wird auch eine Alternativregierung zwischen Gerb, den Sozialisten und kleineren korrupten oder prorussischen Parteien verhindert, was vor allem in der Nato und in der EU auf Missbilligung gestoßen wäre. In Bulgarien ist der Anteil an Bürgern und Bürgerinnen, die den Kreml in seinem Krieg gegen die Ukraine unterstützen, besonders hoch.

Am Sonntag kam es zu einem Vandalenakt dieser Kräfte. Das EU-Gebäude in Sofia wurde von Demonstranten mit russischen Flaggen mit roter Farbe bespritzt. Sie forderten ihre Regierung auf, die Hilfe für die Ukraine einzustellen. (Adelheid Wölfl, 22.5.2023)