Staatsschützer und Terrorfahnder der Republik müssen sich in Zusammenhang mit einem vereitelten Anschlag auf das Volksstimmefest in Wien schwere Vorwürfe machen lassen. Es sei skandalös, dass das Innenministerium die KPÖ als Veranstalter im Vorfeld nicht voll informiert und die Öffentlichkeit nicht gewarnt hatte.

Das Fest ging im September 2021 über die Bühne, ohne dass die Feiernden wussten, was ihnen gedroht hatte. Ein Rechtsextremer plante und übte Anschläge, unter anderem im Prater. Er wurde im Juli verhaftet, bei ihm wurden Waffen und Pläne gefunden. Ein Gericht verurteilte ihn zu fünf Jahren Haft.

Nach Einschätzung der Polizei handelte es sich um einen Einzeltäter. Es sei keine akute Gefährdungslage mehr gegeben gewesen. Dennoch wurden diskret Maßnahmen getroffen und Personal zum Schutz eingesetzt. Kritiker meinen, das Vorgehen sei typisch: Bei Rechtsextremen würde der Staatsschutz andere Maßstäbe angelegen als bei Islamisten.

Wann soll die Polizei die Öffentlichkeit warnen – und wann nicht? Darüber wird gerade gestritten.
Foto: APA/Eva Manhart

Bei Letzteren schlage die Polizei stets mit Getöse Alarm, sobald auch nur der Anschein einer Gefährdung besteht. Die rechte Szene werde sanfter angefasst.

An dieser Kritik ist viel dran. Antiterrormaßnahmen gegen Gefährder aus dem radikal-islamischen Lager laufen in Österreich auffällig ab. Man konnte zuweilen meinen, dass Politiker das öffentlich zelebrierten. Aber die Empörung geht trotzdem in die falsche Richtung, wenn verlangt wird, dass der Staatsschutz Betroffene und Öffentlichkeit stets offen über Gefährdungslagen informieren müsse.

Sorgfältigste Abwägung

Das hängt sehr von den Umständen und dem jeweiligen Einzelfall ab. Es bedarf dabei der sorgfältigsten Abwägung. Zu viel Öffentlichkeit führt manchmal zum Gegenteil, was einer Gesellschaft guttut: Verbreitung von Angst und Unsicherheit, wo Maß und Zurückhaltung besser wären. Man schaue in Länder wie Belgien, wo es seit gut zehn Jahren viele echte und noch mehr verhinderte Terroranschläge gab.

Wenn die Polizei jede Anschlagsvermutung an die große Glocke hängt, ist das für Menschen eine schlimme Belastung. Extremisten und Terroristen wollen das, wollen die Gesellschaft mit Angst destabilisieren. Bekämpfung von Extremisten aller Art gehört zu den heikelsten Aufgaben, die die Polizei zu leisten hat.

Kein Zweifel: Der Staat muss ohne Einschränkung alles tun, um das Leben von Menschen zu schützen. Das kann bedeuten, dass der oder die Gefährdete über akute Bedrohung informiert wird. Für die betroffene Person hat das schwere Konsequenzen im Alltag.

Es ist auch nicht angenehm, wenn in einer Stadt in jedem Fall vor Anschlägen gewarnt wird, so wie in Brüssel im Terrorjahr 2016, als permanent Soldaten in Kampfanzügen patrouillierten. In Österreich ist man davon weit weg. Das Argument, dass der Gefährder des Volksstimmefests ein Einzeltäter gewesen, die Gefahr rechtzeitig gebannt worden sei, ist ernst zu nehmen. Es war ein Erfolg. Wenn viele Bürgerinnen den Staatsschützern trotzdem misstrauen, hat das aber gute Gründe, an denen sie selbst schuld sind.

Ihr Verhalten im Umgang mit Rechtsextremen und Gefährdern war seit langem nicht vorbildhaft, parteipolitisch missbraucht, intransparent. Daher: Der "Fall Volksstimmefest" soll untersucht werden, wo in einer Demokratie der richtige Platz dafür ist: in zuständigen Ausschüssen im Parlament – transparent. (Thomas Mayer, 22.5.2023)