Die ostukrainische Stadt Bachmut gleicht nach den monatelangen Kämpfen einer Ruine.

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Seit Tagen hört man aus der Ukraine Behauptungen und Dementis über den Frontstatus in der seit Monaten umkämpften Stadt Bachmut. Verifizieren lassen sich die Behauptungen beider Seiten nicht, Indizien gibt es wenige. Während die Außenminister und Außenministerinnen der EU am Montag in Brüssel das elfte Sanktionspaket gegen Russland berieten, gab es noch andere, weitaus schwammigere Gerüchte: Eine neue Spur im Fall der Sprengung der Nord-Stream-Pipelines soll Ermittler angeblich zu einem Ukrainer führen.

Frage: Haben die russischen Truppen Bachmut nun vollständig eingenommen oder nicht?

Antwort: Das ist schwer zu verifizieren. Der Generalstab in Kiew schrieb in seinem morgendlichen Lagebericht am Montag: "Der Kampf um die Stadt Bachmut geht weiter." Das Institute for the Study of War (ISW) geht davon aus, dass die Söldner der russischen Wagner-Gruppe wahrscheinlich die westlichen Verwaltungsgrenzen von Bachmut-Stadt gesichert haben, während die ukrainischen Streitkräfte weiterhin vorrangig Gegenangriffe in den Außenbezirken von Bachmut durchführen. Ukrainische und russische Quellen berichteten, dass die Kämpfe an der Nord- und Südflanke von Bachmut in Richtung Iwaniwske (sechs Kilometer westlich), Stupotschky (13 Kilometer südwestlich) und Bila Hora (zwölf Kilometer südwestlich) andauern. Die Ukraine kontrolliere auch die Verbindungswege rund um die Stadt.

Bild: Ein stark zerstörtes Gebiet im nördlichen Teil von Bachmut.

Frage: Wie stark sind die russischen Kräfte vor Ort noch?

Antwort: Nach ISW-Angaben sind die Wagner-Söldner aufgrund der monatelangen Abnutzung kaum in der Lage zu neuen Angriffen. Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin hat seinen Rückzug aus der Stadt für Donnerstag für eine operative Pause fern der Frontlinie angekündigt. Er beabsichtigt also offenbar nicht, seine Offensivbemühungen fortzusetzen. Nach Kiewer Angaben ist aber wegen ukrainischer Kräfte in der Region um Bachmut ein Abzug der Wagner-Kämpfer nicht so einfach möglich.

Bild: Auch der Osten Bachmuts ist schwer von den monatelangen Kämpfen gekennzeichnet.

Frage: Wie wichtig wäre die Einnahme Bachmuts für Russlands Kriegsziele?

Antwort: Eine Einnahme Bachmuts hätte für beide Seiten vor allem symbolische Bedeutung. Für Russland ist sie wichtig, um der Bevölkerung wenigstens einen Erfolg der russischen Frühjahrsoffensive vorweisen zu können – für die Ukraine, weil der letzte große territoriale Erfolg schon ein halbes Jahr zurückliegt. Aber die letzten städtischen Wohnblöcke im östlichen Bachmut, die Prigoschin nach eigenen Angaben mit seinen Söldnern eingenommen hat, sind nach dem erzwungenen Rückzug aus dem Gebiet Charkiw im November 2022 weder taktisch noch operativ von Bedeutung.

Frage: Was ist eigentlich mit der ukrainischen Frühlingsoffensive? Läuft die jetzt schon?

Antwort: Selbst Militärfachleute wissen das nicht so genau. "Die Ukraine hat in und um Bachmut örtlich begrenzte Gegenoffensiven ausgeführt, um die Russen zurückzudrängen und die Verteidigung in der Region zu testen", sagt beispielsweise Lucas Webber, Mitgründer der Website Militant Wire. An anderen Stellen der Front spiele sich Ähnliches ab. "Es ist schwer zu sagen, ob die geplante eigentliche Gegenoffensive begonnen hat, aber diese Aktionen deuten darauf hin, dass die Ukraine etwas viel Größeres plant." Zunehmende Sabotageakte auf russischem Territorium in Frontnähe sowie die russischen Angriffe auf ukrainische Waffen- und Munitionslager zeugten zudem von Vorbereitungen auf beiden Seiten, sagte Pierre Razoux vom französischen Institut FMES. Am Montag bekannte sich eine proukrainische Gruppe namens "Legion Freiheit Russlands" zu Angriffen in der russischen Grenzregion Belgorod. Dabei soll ein Dorf "befreit" worden sein.

Bild: Ein Fußballplatz im Süden der Stadt Bachmut.

Frage: Worüber berieten die EU-Außenministerinnen und -minister am Montag in Brüssel?

Antwort: Im Zentrum des Vorschlags für ein elftes Sanktionspaket der EU stehen Maßnahmen gegen die Umgehung bisheriger Sanktionen gegen Russland. In der Diskussion stand unter anderem, ob man einzelne Unternehmen herausgreifen solle.

Frage: Wie sind die neuen Spuren bei den Ermittlungen im Fall des Nord-Stream-Anschlags einzuschätzen?

Antwort: Zwar ist auch fast acht Monate nach den Explosionen, die die beiden Nord-Stream-Gaspipelines in der Ostsee zerstörten, kein Verantwortlicher ausgemacht worden. Deutsche Medien berichten jedoch über angebliche neue Spuren, die in die Ukraine führen sollen. Es dreht sich bei den Spekulationen um das Segelboot Andromeda, das wie berichtet am Anschlagsort gewesen sein soll. Das Boot soll über eine Briefkastenfirma mit ukrainischen Besitzern gemietet worden sein, einer der Passagiere soll ein Ukrainer sein, der in einer Infanterieeinheit gedient haben soll. Konkrete Beweise legen die Medien jedoch nicht vor. (Manuela Honsig-Erlenburg, Michael Vosatka, 22.5.2023)