Der Umsturz in der SPÖ scheint besiegelt: Vom Ex-Bundespräsidenten bis zum Altkanzler, vom Gewerkschaftsboss bis zum angeblich mächtigen Wiener Bürgermeister warf sich die geballte Prominenz der Sozialdemokratie für die Amtsinhaberin ins Zeug. Dennoch landete Pamela Rendi-Wagner bei der Mitgliederbefragung, wenn auch nur knapp, auf dem letzten Platz. Macht sie ihre Ankündigung wahr, bei jeder auch noch so engen Niederlage das Feld zu räumen, dann ist ihre Zeit in der Politik abgelaufen.

VIDEO: Babler sprach sich bei einer Wahlparty in Wien für einen neuen Mitgliederentscheid aus.
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Brauchte es noch einen Beleg, dass es der Noch-Chefin an politischem Gespür mangelt, dann hat sie diesen nun geliefert. Die Masse der passiven Mitglieder mag eine schwer kalkulierende Größe sein. Doch dass sich unter Funktionären und anderen Aktivisten in der Partei viel Unmut über die Spitze breitgemacht hat, konnte niemand übersehen, der nicht absichtlich wegschaute.

Der zweitplatzierte Andreas Babler könnte beim entscheidenden Parteitag am 3. Juni noch einmal kandidieren.
Foto: Heribert CORN

Trotzdem ging das Team Rendi-Wagner mit einem Weiter-so-wie-bisher in den Showdown. Die vage Ankündigung eines zweiten Bundesgeschäftsführers, von dem niemand weiß, wer das sein soll, war kein ernsthaftes Angebot an Unzufriedene. Den Vorwurf der Abgehobenheit kann man der gestrauchelten Titelverteidigerin da kaum ersparen.

Mehr Volksnähe ist wohl eine Eigenschaft, die eine relative Mehrheit der SPÖ-Mitglieder in Hans Peter Doskozil zu finden glaubt, festzumachen an einer Frage: Der Ex-Polizist verkörpert das Versprechen, dass die SPÖ Probleme in der Integration deutlicher anspricht und entschlossener anpackt, als dies in der Vergangenheit offenbar den Eindruck machte. Die Sorge, dass übermäßiger Zuzug das soziale Gefüge überlasten könnte, lässt sich nicht einfach wegignorieren.

Handfeste Veränderungen

Gezogen haben mag auch das plausible Argument, dass nur ein SPÖ-Chef mit Strahlkraft nach rechts die nötigen Stimmen für eine Ampelmehrheit gegen Schwarz-Blau zusammenbringen könne. Und dann sprachen noch nackte Fakten für einen Wechsel. Als burgenländischer Landeshauptmann hat Doskozil die absolute Mehrheit errungen – und diese im Land für handfeste Veränderungen genützt. Rendi-Wagner hingegen führte die SPÖ bei der Nationalratswahl 2019 auf einen historischen Tiefstand, auch danach stellte sich kein nachhaltiger Höhenflug ein. Die Erzählung, dass daran nur Quertreiber wie Doskozil schuld seien, konterkarierte sie mit unsouveränen Auftritten selbst.

Dennoch hat der Gewinner des Basisvotums gute Chancen, nicht SPÖ-Chef zu werden. Denn der zweitplatzierte Andreas Babler hat für den Fall eines knappen Ergebnisses stets angekündigt, beim laut SPÖ-Stauten entscheidenden Parteitag am 3. Juni noch einmal zu kandidieren. Legitim ist der Griff nach der zweiten Chance allemal: Zählt nur das Basisvotum, dann würde Doskozil mit nicht einmal einem Viertel aller Mitglieder im Rücken Vorsitzender – womöglich gegen eine ablehnende Mehrheit. Um klare Verhältnisse zu schaffen, sieht deshalb etwa auch die Bundespräsidentenwahl eine Stichwahl zwischen den beiden erstgereihten Kandidaten vor.

Löst Babler seine Ankündigung ein, dann macht ihn die Konstellation zum Favoriten. Denn die anderen beiden Lager scheinen derart verfeindet zu sein, dass die Rendi-Wagnerianer unter den Delegierten beim Parteitag vor allem ein Ziel verfolgen könnten: Doskozil mit einer Babler-Stimme zu verhindern. (Gerald John, 22.5.2023)