Lily Gladstone hat einen starken Auftritt in Cannes mit Scorseses neuem Film.

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Die Namen amerikanischer Ureinwohner hatten immer schon eine eigene Romantik. Zum Beispiel Sunshine First Circle. So heißt eine Figur in dem Film Jimmy P. –Psychotherapy of a Plains Indian von Arnaud Desplechin aus dem Jahr 2013. Es war die erste Rolle von Lily Gladstone, einer Schauspielerin indigener Herkunft: Blackfoot, Nez Percé und Kainaiwa heißen die Stämme, denen sie angehört.

Desplechin erzählte von dem französischen Psychoanalytiker Georges Devereux, der einen "Prärie-Indianer" behandelte. Für Gladstone war die Nebenrolle der Beginn einer Filmkarriere, die unlängst mit ihrem starken Auftritt in Martin Scorseses Killers of the Flower Moon in Cannes einen Höhepunkt erreichte.

Neue Politik

Früher wurde für Figuren wie Sunshine First Circle eine Darstellerin dunkel geschminkt. Inzwischen wird bei Produktionen gerade in Amerika stark darauf geachtet, dass Identitäten angemessen repräsentiert werden. Lily Gladstone steht für diese neue Politik, die versucht, Stereotype zu überwinden. Zum Durchbruch verhalf ihr eine weiße Regisseurin, die sich schon lange kritisch mit der nationalen Mythologie auseinandersetzt: In Kelly Reichardts Certain Women war Gladstone 2016 nicht mehr zu übersehen. Nicht nur als Vertreterin einer Gruppe, sondern als Schauspielerin mit einer genuinen Präsenz.

Reichardt arbeitet bevorzugt im Nordwesten, in den dünn besiedelten Gegenden, aus denen auch Gladstone stammt. Sie wurde 1986 in Browning, Montana, geboren, und verbrachte den Großteil ihrer Kindheit dort in einem Reservat. Ihren Familiennamen verdankt sie der Mutter, deren Großmutter eine entfernte Cousine des britischen Premierministers gleichen Namens war. Der Vater arbeitete als Journalist, seine Linie führt zurück bis zu Red Crow, einem bedeutenden Häuptling.

Von der Bühne ins TV und Kino

Ihre Herkunft reflektierte Gladstone auch als Studentin mit der Fächerwahl. Sie entschied sich für Native American Studies, spielte aber auch schon Theater und hatte damit in Seattle, wohin sie Ende der 1990er zog, erste Erfolge. Den Sprung ins Kino verdankte sie zu Beginn auch einfach ihrem Aussehen, nach Certain Women und dem Abenteuerfilm Walking Out aber wurden die Angebote interessanter: In Fernsehserien wie Room 104 oder Billions gewann sie an Profil.

Seit ihren Theatertagen versteht sie sich als "lebendige Stimme" lange marginalisierter Gruppen: "Ich bin von meiner Community geformt." (Bert Rebhandl, 24.5.2023)