Geschlechterpolitik
"Sie waren auch vor dem Krieg getrennt"
Frauen und Kinder müssen zurück in den Kosovo, Männer dürfen hier bleiben
STANDARD-Mitarbeiterin Lisa Nimmervoll
Linz - Freitag sind Frau G. und ihre drei Söhne noch „rechtmäßig" in Österreich. Ab dem 1. April 2000, sind sie am
Papier „Illegale". Und damit potentiell von Abschiebung bedroht, befürchtet der Landessprecher der Grünen, Gottfried
Hirz. Denn Frau G. und die drei Buben im Alter von sechs, acht und zehn Jahren sind Kosovo-Flüchtlinge, die vor
eineinhalb Jahren im Zuge des Krieges aus ihrem Heimatdorf in der Nähe von Orahovac nach Eferding geflüchtet
sind.
Dort arbeitet der Ehemann von Frau G. seit Jahren als Gastarbeiter und erhält seither seine Familie. Die befristete
Aufenthaltsgenehmigung für Kosovo-Flüchtlinge läuft aber mit Stichtag 31.März bzw. 31.Juli 2000 aus. Wer bis
dahin Österreich nicht Richtung alter Heimat verlassen hat, hält sich offiziell „nicht rechtmäßig" im Land auf. Für
Frau G. und ihre Söhne ist das der morgige Samstag, ab dem sie den Status der „Illegalen" trägt. Laut
Innenministerium ist der Großteil der etwa 10.000 Kosovo-Flüchtlinge bereits zurückgekehrt. Knapp 1400 Personen
aus dem Kosovo seien noch in Bundesbetreuung.
Im Bezirk Eferding sollen laut Volkshilfe rund 20 Personen, in Oberösterreich 80 bis 100, vor allem Frauen und
Kinder, von der aktuellen Rückkehraktion in den Kosovo betroffen sein. Viele von ihnen haben sich in den letzten
Wochen „verzweifelt" an sie gewendet, erzählt Ingrid Gumpelmaier, Flüchtlingsbetreuerin in Karenz, im Gespräch
mit dem STANDARD. Sie kritisiert, dass durch das Ende der Kosovo-Aktion die Familien zerrissen und Kinder etwa
aus Kindergarten oder Schule gerissen würden. Zudem sei die Einteilung der Flüchtlinge zu einem der zwei
Rückreisetermine (März und Juli) äußerst fraglich.
Bei zwei „fact finding"-Reisen im Oktober 1999 und Februar 2000 besuchten Beamte mehrerer Bundesländer den
Kosovo. Dort begutachteten sie die angegebenen Adressen der Flüchtlinge auf Schäden und dementsprechende
Bewohnbarkeit. Gerhard Katzlinger, Koordinator der Flüchtlingshilfe des Landes Oberösterreich, fotografierte und
dokumentierte 350 Häuser, ordnete sie fünf Kategorien von unbeschädigt bis schwer beschädigt, also unbewohnbar
zu. Wessen Haus in Kategorie drei bis fünf fällt, darf bis Juli bleiben.
Die anderen sollten Ende März ausreisen. Auch wenn Familien getrennt würden.
„Sie waren ja auch vor dem Krieg getrennt", sagt Katzlinger. Aber niemand habe damit zu rechnen, sofort kontrolliert
zu werden, ob die Ausreiseaufforderung erfüllt wurde. Aus dem Innenministerium heißt es, es werde keine
Nacht-und-Nebel-Abschiebeaktionen geben. Jeder Fall werde geprüft, für Härtefälle gebe es „humanitäre
Aufenthaltsbewilligungen".
Sonderquote
Günther Dachs, Rechtsberater der Flüchtlingsbetreuung der Volkshilfe, fordert indes überhaupt eine „Sonderquote
für Familienzusammenführung". Die Quoten seien längst ausgeschöpft, die formale Möglichkeit, im Inland einen
Antrag auf Familienzusammenführung zu stellen, bliebe für die Kosovo-Flüchtlinge völlig inhaltsleer, da aufgrund des
fehlenden Kontingents ohnedies keine Chance auf Realisierung bestehe.